Entscheidungsstichwort (Thema)
"BRD" als Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland ausreichend
Leitsatz (NV)
1. Ein Steuerbescheid, der den Schuldner nicht erkennen läßt oder ihn so ungenau bezeichnet, daß Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind, kann wegen inhaltlicher Mängel nicht befolgt werden und ist deshalb nichtig.
2. Entscheidend für eine ausreichende Bezeichnung des Steuerschuldners ist, ob der Schuldner sich sicher identifizieren läßt. Formalismus und Wortklauberei sind dabei unangebracht. Unschädlich ist es, wenn die richtige Person falsch bezeichnet worden ist; die falsche Bezeichnung ist lediglich zu berichtigen. Die Anforderungen an die Bezeichnung des Steuerschuldners sind nicht davon abhängig, ob der für die Anbringung des Adressaten auf dem Formblatt zur Verfügung stehende Raum für eine zutreffende Bezeichnung ausreicht.
3. Die Kurzform ,,BRD" genügt zur zweifelsfreien Identifizierung der Bundesrepublik Deutschland als Steuerschuldner. Unerheblich ist, ob sich der Adressat gegen die Verwendung eines bestimmten Namens ausspricht oder sich dagegen wehren kann. Auf die Sicht des Adressaten kommt es im Rahmen des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nicht an.
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 124 Abs. 3, § 157 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionskläger, hat durch Steuerbescheid vom 3. Februar 1982, geändert durch den Bescheid vom 4. Mai 1982 Grunderwerbsteuer festgesetzt. Die Bescheide waren gerichtet ,,An die BRD, vertreten durch die Bundesbahndirektion A-Stadt, Projektgruppe N, z.Hd. Herr B, X-Straße 10, A-Stadt". Der weitere Änderungsbescheid vom 21. Juni 1983 war adressiert an ,,BRD vertr. D.B. Bahn A-Stadt, z.Hd. Herrn B, X-Straße 10, A-Stadt". Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin als ,,Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Deutsche Bundesbahn A-Stadt . . ." Einspruch und, nach Zurückweisung des Einspruchs, als ,,Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Deutsche Bundesbahn, diese vertreten durch die Bundesbahndirektion A-Stadt, Projektgruppe N . . ." Klage. Den am 2. Juni (richtig: 1. Juni) 1987 ergangenen weiteren geänderten Steuerbescheid, adressiert an ,,BRD, vertreten durch die BB Direktion A-Stadt. . ." erklärte die Klägerin gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.
Auf einen Hinweis des Berichterstatters, daß womöglich alle genannten Grunderwerbsteuerbescheide wegen Verwendung des Kürzels ,,BRD" nichtig seien, beantragte die Klägerin, die Nichtigkeit der Grunderwerbsteuerbescheide vom 3. Februar 1982, vom 4. Mai 1982, vom 21. Juni 1983 und vom 2. Juni 1987 festzustellen.
Durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 208 veröffentlichte Urteil vom 18. Oktober 1988 stellte das Finanzgericht (FG) fest, daß die Grunderwerbsteuerbescheide des FA vom 3. Februar 1982, vom 4. Mai 1982, vom 21. Juni 1983 und vom 2. Juni 1987 nichtig seien. Die Revision hat das FG zugelassen.
Zur Begründung führte das FG u.a. aus, daß die genannten Steuerbescheide inhaltlich nicht hinreichend bestimmt seien, weil der Steuerschuldner nicht mit seinem vollen Namen und der Anschrift im Adreßfeld der Bescheide aufgeführt sei. Der vollständige Name der Klägerin laute ,,Bundesrepublik Deutschland". Dies ergebe sich aus Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Er sei gemäß § 1 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 mit dem Zusatz ,,Bundeseisenbahnvermögen" oder ,,Deutsche Bundesbahn" zu versehen. Die Verwendung einer Kurzbezeichnung anstelle des vollen Namens sei lediglich dann zulässig, wenn entweder der Namensträger selbst sich dieser Kurzbezeichnung bediene oder wenn der vollständige Name wegen Überlänge im Adreßfeld des Steuerbescheides nicht untergebracht werden könne. Weder die eine noch die andere Voraussetzung sei im Streitfall gegeben.
Die zuständigen Organe der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) hätten zwar in den ersten Jahren nach 1949 die Kurzform ,,BRD" zur Bezeichnung der Bundesrepublik geduldet und teilweise sogar selbst in amtlichen Veröffentlichungen verwendet. Sie hätten jedoch zumindest seit dem Jahr 1965 sich gegen die Verwendung dieses Kürzels gewandt und allen Bundesbehörden empfohlen, die Abkürzung ,,BRD" im amtlichen Sprachgebrauch nicht mehr zu verwenden. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, hätten sich die zuständigen Organe der Klägerin seit dem Jahre 1965 im amtlichen Sprachgebrauch nicht mehr der Kurzbezeichnung ,,BRD" bedient. Das Kürzel ,,BRD" stelle daher seit 1965 keine zutreffende Bezeichnung der Bundesrepublik mehr dar, selbst wenn eine Verwechslung mit anderen Steuerpflichtigen so gut wie ausgeschlossen sei. Denn das Namensrecht, welches auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelte, gebe dem Namensträger u.a. das Recht, zu verlangen, daß er von Dritten nur mit seinem Namen, d.h. mit dem vollständigen Namen und nicht mit irgendwelchen Kurzformen bezeichnet werde. Es sei deshalb ohne Bedeutung, daß die Verwendung des Kürzels ,,BRD" nirgendwo ausdrücklich oder stillschweigend verboten sei. Da die Zulässigkeit einer Kurzbezeichnung somit vom Verhalten des Namensträgers abhängig sei, könne es nicht darauf ankommen, ob das Kürzel ,,BRD" außerhalb des amtlichen Sprachgebrauchs allgemein üblich sei oder nicht. Für den amtlichen Sprachgebrauch im Bereich der Landesverwaltung Baden-Württemberg sei die Bekanntmachung der Landesregierung über die Verwendung der Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland vom 7. Mai 1974 maßgebend. Danach hätte die Kurzformel ,,BRD" nicht verwendet werden sollen. Die Behörden des Landes, also auch der Beklagte, seien um Beachtung gebeten gewesen.
Die Abkürzung des Namens der Klägerin sei auch nicht wegen Überlänge gerechtfertigt. Die Steuerbescheide vom 3. Februar 1982 und vom 4. Mai 1982 seien im manuellen Verfahren zum Soll gestellt, so daß eine Kapazitätsbegrenzung aus technischen Gründen nicht vorliege. Die beiden anderen Bescheide seien maschinell verarbeitet. Das Adreßfeld des Bescheides vom 21. Juni 1983 bestehe aus fünf Zeilen 18 Zeichen, das Adreßfeld des Bescheides vom 2. Juni 1987 enthalte sechs Zeilen 18 Zeichen. Dieser Platz reiche - wie das FG durch Auszählung der erforderlichen Buchstaben ermittelte - zur korrekten Bezeichnung des Steuerschuldners aus, wenn dafür unwesentliche Angaben weggelassen würden.
Mit der Revision macht das FA Verletzung von § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2, § 125 der Abgabenordnung (AO 1977) geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das FG (§ 126 Abs. 3 Nr.2 FGO).
1. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Grunderwerbsteuerbescheide, insbesondere auch der gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 2. Juni 1987, sind entgegen der Auffassung des FG nicht nichtig (unwirksam, vgl. § 124 Abs. 3 AO 1977), sondern wirksam gegen die Klägerin ergangen.
Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Dazu müssen sie angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Läßt ein Bescheid den Schuldner nicht erkennen oder bezeichnet er ihn so ungenau, daß Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind, so kann er wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht befolgt werden, er ist gemäß § 125 Abs. 1 AO 1977 nichtig (statt aller: Kühn/Kutter/Hofmann, Ab-gabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 157 AO 1977 Anm.5b mit Nachweisen). Allerdings sind Formalismus und Wortklauberei unangebracht (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Lieferung Juli 1992, § 157 AO 1977 Tz.5). Entscheidend ist, ob der Schuldner sich sicher identifizieren läßt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. November 1972 II R 42/67, BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372; Tipke / Kruse, a.a.O.). Dem ist durch die Verwendung der Kurzform ,,BRD" genügt, einer weiteren Begründung bedarf dies nicht. Das FG geht selbst davon aus, daß bei der Verwendung der Kurzform ,,BRD" statt Bundesrepublik Deutschland eine Verwechslung mit anderen Steuerpflichtigen so gut wie ausgeschlossen ist.
Unzutreffend ist die Auffassung des FG, die Steuerbescheide seien deshalb inhaltlich nicht hinreichend bestimmt, weil die Klägerin als Steuerschuldnerin mit der Kurzform ,,BRD" und nicht mit dem in Art. 20 Abs. 1 GG festgelegten Namen ,,Bundesrepublik Deutschland" bezeichnet worden ist, da die Kurzform ,,BRD" im amtlichen Sprachgebrauch (seit 1965) nicht mehr habe verwendet werden sollen. Denn hieraus ergibt sich nicht, daß die Verwendung der Kurzform hinfort keine zweifelsfreie Identifizierung des Steuerschuldners mehr gewährleistet hätte. Unerheblich sind insbesondere die Ausführungen des FG zum Namensrecht; denn entscheidend ist nicht, ob sich der Adressat gegen die Verwendung eines bestimmten Namens ausspricht oder dagegen wehren kann. Maßgebend ist vielmehr, ob er durch die verwendete Bezeichnung zweifelsfrei gekennzeichnet wird. Auf die Sicht des Adressaten kommt es im Rahmen des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nicht an (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230). Unschädlich ist es, wenn die richtige Person falsch bezeichnet worden ist, die falsche Bezeichnung ist lediglich zu berichtigen (BFH-Urteil vom 26. Juni 1974 II R 199/72, BFHE 113, 90, BStBl II 1974, 724).
Das FG widerspricht sich im übrigen selbst, wenn es ausführt, daß die Verwendung einer Kurzbezeichnung anstelle des vollen Namens zulässig sei, wenn der vollständige Name wegen Überlänge im Adreßfeld des Steuerbescheides nicht untergebracht werden könne. Diese Auffassung hätte zur Folge, daß das vom FG als entscheidend angesehene Namensrecht des Adressaten von der Gestaltung eines Formblatts abhinge; dieser Gedanke ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Entscheidend für die - zutreffende - Bezeichnung des Steuerschuldners kann nicht der für die Anbringung des Adressaten zur Verfügung gestellte Raum sein, maßgebend ist, ob der Adressat nach dem Inhalt der Adresse (ggf. in Verbindung mit den übrigen Angaben des Steuerbescheides) so genau bezeichnet ist, daß Verwechslungen ausgeschlossen sind.
2. Die nicht spruchreife Sache wird an das FG zurückverwiesen, das nunmehr über die zwischen den Beteiligten streitige Höhe der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zu entscheiden hat.
Fundstellen