Leitsatz (amtlich)
Dauernder Aktienbesitz eines Kreditinstituts ist auch dann als Beteiligung im Sinne des § 19 GewStDV anzusehen, wenn die Voraussetzungen einer Beteiligung im Sinne des Handelsrechts nicht erfüllt sind.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1; GewStDV § 19; AktG § 151 Abs. 1 Fassung: 1965-09-06, § 152 Abs. 2 Fassung: 1965-09-06; HGB § 266 Abs. 2, § 271 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 24.10.1985; Aktenzeichen 8 K 81/85) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Streitjahr 1973 ein Bankgeschäft in der Rechtsform des Einzelunternehmens.
Die Bilanzsumme zum 31.Dezember 1973 belief sich auf rd. 10 Mio DM. Unter den Aktiven sind in dieser Bilanz für Grundstücke insgesamt 27 520 DM, als Beteiligung der Stammanteil an einer GmbH mit 67 700 DM und als Wertpapiere Aktien im Betrag von 3,2 Mio DM angesetzt. Das Eigenkapital belief sich auf 1,1 Mio DM.
In seiner Gewerbesteuererklärung berücksichtigte der Kläger zunächst die auf den Aktienbestand entfallenden Dauerschulden und Dauerschuldzinsen; der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ einen entsprechenden Gewerbesteuermeßbescheid, der gemäß § 100 Abs.2 der Reichsabgabenordnung (AO) für vorläufig erklärt war. Im Jahre 1979 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung statt, auf deren Grundlage ein geänderter Gewerbesteuermeßbescheid erging, der unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt war; in der Folge hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Daraufhin legte der Kläger Einspruch ein, weil nach § 19 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) Dauerschulden bei Kreditinstituten nur insoweit zu berücksichtigen seien, als die im Anlagevermögen angesetzten Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschritten; die vorhandenen Aktien hätten keine Beteiligungen dargestellt.
Das FA wies den Einspruch zurück. Die Klage hatte dagegen Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 304 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags sind Dauerschuldzinsen nach Maßgabe des § 8 Nr.1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzuzurechnen; in gleicher Weise werden Dauerschulden nach Maßgabe von § 12 Abs.2 Nr.1 GewStG bei Ermittlung des Gewerbekapitals berücksichtigt.
In § 35c Abs.2 Buchst.e GewStG wird die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats im Wege der Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, die bei Kreditinstituten die Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen nach dem Verhältnis des Eigenkapitals zu Teilen des Anlagevermögens beschränken. Daran anknüpfend ist in § 19 GewStDV in der im Streitjahr 1973 geltenden Fassung bestimmt, daß bei Unternehmen, für die die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) gelten, Dauerschulden nur insoweit anzunehmen sind, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Betriebsgrundstücke (einschließlich Gebäude) und der dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet.
Zu den Beteiligungen in diesem Sinne zählen sämtliche zum Anlagevermögen gehörigen Aktien eines Kreditinstituts.
2. Nach den gesetzlichen Vorschriften zur Gliederung der Bilanz lassen sich Aktien sowohl als Beteiligung als auch als Wertpapiere des Anlagevermögens einordnen.
a) Das Aktiengesetz (AktG) 1937 führte im zu aktivierenden Anlagevermögen Beteiligungen, aber auch andere Wertpapiere des Anlagevermögens auf (§ 131 A Abs.2 Nr.6 und Nr.7); hierbei war vorgesehen, daß Aktien, deren Nennbetrag den vierten Teil des Grundkapitals erreichen, im Zweifel als Beteiligung anzusehen sind.
Das AktG 1965 sah unter den Finanzanlagen den Ausweis von Beteiligungen, aber auch von Wertpapieren des Anlagevermögens vor, die nicht zu den Beteiligungen gehörten (§ 151 Abs.1 Aktivseite II B Nr.1 und 2). In § 152 Abs.2 war bestimmt, daß als Beteiligung im Zweifel Anteile an einer Kapitalgesellschaft gelten, deren Nennbeträge insgesamt den vierten Teil des Nennkapitals dieser Gesellschaft bilden.
§ 266 des Handelsgesetzbuches (HGB) i.d.F. des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) sieht nunmehr vor, daß unter den Finanzanlagen sowohl Beteiligungen als auch Wertpapiere des Anlagevermögens ausgewiesen werden (§ 266 Abs.2 A III Nr.3 und 5). In diesem Zusammenhang bestimmt § 271 Abs.1 Satz 3 HGB, daß als Beteiligung im Zweifel Anteile an einer Kapitalgesellschaft gelten, deren Nennbetrag insgesamt den fünften Teil des Nennkapitals überschreitet.
b) Unter welchen Voraussetzungen Aktien als Wertpapiere des Anlagevermögens oder als Beteiligungen zu aktivieren sind, ist seit langem streitig. Einer Abgrenzung bedarf es auch, wenn der Aktienbesitz die im Gesetz angegebene Größenklasse erreicht; die Aktien bilden auch dann nur im Zweifel eine Beteiligung.
Das Unterscheidungsmerkmal ist in der Vergangenheit darin gesehen worden, daß eine Beteiligung dazu bestimmt sein müsse, im Interesse des eigenen Geschäftsbetriebes unternehmerischen Einfluß auf die Beteiligungsgesellschaft, insbesondere ihre Geschäftsführung zu erlangen (vgl. Geßler/Hefermehl/Eckart/Kropff, Aktiengesetz, § 152 Anm.19; Mellerowicz im Großkommentar zum Aktiengesetz, 3.Aufl., § 151 Anm.33; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4.Aufl., § 152 Anm.28). Es wurde jedoch auch die Auffassung vertreten, daß jeder auf Dauer angelegte Aktienbesitz eine Beteiligung darstelle und ein Erreichen der angegebenen Größenklasse nur die Dauerhaftigkeit der Anlage vermuten lasse (Weber, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Beteiligungen, 1980, S.25, 40; Bieg, Der Betrieb --DB-- 1985, Beilage Nr.24, S.6).
In § 271 Abs.1 Satz 1 HGB n.F. ist nunmehr vorgesehen, daß Anteile an anderen Unternehmen eine Beteiligung darstellen, wenn sie dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenem Unternehmen zu dienen. Auch diese Definition erfährt eine unterschiedliche Auslegung. Teilweise wird angenommen, daß jeder dauerhafte Anteilsbesitz als Beteiligung anzusehen ist und eine dauernde Verbindung zu einem anderen Unternehmen auch durch die Teilhabe am Gewinn hergestellt werden kann (Bieg bei Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 271 HGB Anm.1; Pankow/Gutike in Beck'scher Bilanzkommentar, § 271 HGB Anm.13, 15). Hiergegen läßt sich allerdings einwenden, daß Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber einem Unternehmen, zu dem ein Beteiligungsverhältnis besteht, gesondert ausgewiesen werden müssen (HGB n.F. § 266 Abs.2 A III Nr.4, B II Nr.3, Abs.3 C Nr.7), daß ferner die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach § 290 Abs.1 HGB n.F. von einer Beteiligung abhängig gemacht wird und in beiden Fällen offenbar eine unternehmerische Verbindung vorausgesetzt wird. Dementsprechend wird auch die Auffassung vertreten, die Anteile müßten über Renditegründe hinaus zu unternehmerischen Zwecken, wenn auch nicht unbedingt mit dem Ziel der Einflußnahme auf die Geschäftsführung gehalten werden, so daß eine Kapitalanlage mit dem Ziel einer angemessenen Verzinsung nicht ausreiche (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27.Aufl., § 271 Anm.1 b; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5.Aufl., § 271 HGB Anm.14).
c) Für die Gliederung des Jahresabschlusses von Kreditinstituten bestehen aufgrund einer Ermächtigung im KWG in Form einer Rechtsverordnung ergangene Sondervorschriften, die sich in besonderen Formblättern für die unterschiedlichen Arten von Kreditinstituten niedergeschlagen haben (vgl. für das Streitjahr die Verordnung vom 20.Dezember 1967, BGBl I, 1300). Darin ist für Einzelunternehmen der Ausweis von Beteiligungen (Aktivseite Nr.13), aber auch von Wertpapieren vorgesehen, soweit sie nicht unter anderen Posten auszuweisen sind (Aktivseite Nr.9).
Tatsächlich sollen in den Bankbilanzen als Beteiligungen überwiegend nur Anteile an Kreditinstituten, mit denen Geschäftsbeziehungen bestanden, sowie auch Anteile an Kapitalgesellschaften ausgewiesen worden sein, in die Betriebsfunktionen des bilanzierenden Kreditinstituts ausgegliedert worden waren (vgl. Mertin, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen --ZfgK-- 1976, 550; Köllhofer, Die Bank 1977, 13, 15; Bieg, DB 1985, Beilage 25, S.4 f.). Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat den Kreis der Beteiligungen jedoch weiter ziehen wollen (vgl. Schreiben vom 3.Juli 1975 bei Consbruch/Möller/Bähre/Schneider, Gesetz über das Kreditwesen, Abschn.17.30; vgl. auch Stellungnahme des Bankenfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer 1/77, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 1977, 298). Dem hat sich inzwischen der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Auslegung des § 152 Abs.2 AktG a.F. angeschlossen (Urteil vom 9.Februar 1987 II ZR 119/84, BGHZ 101, 1, 11 ff.).
d) Diese Einteilung hat auch Wirkungen für Sondervorschriften des KWG, die den Geschäftsbetrieb von Kreditinstituten sichern sollen. So war in § 12 KWG in der im Streitjahr geltenden Fassung bestimmt, daß die dauernden Anlagen eines Kreditinstituts in Grundstücken, Gebäuden, Schiffen und Beteiligungen, nach Buchwerten berechnet, zusammen das haftende Eigenkapital nicht übersteigen dürfen.
Hierin ist durch die Neufassung des KWG vom 11.Juli 1985 (BGBl I, 1473) eine Änderung eingetreten. Nach § 12 Abs.1 KWG n.F. dürfen nunmehr die Anlagen in Grundstücken, Gebäuden, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Schiffen, Anteile an Kreditinstituten und sonstigen Unternehmen sowie die Forderungen aus Vermögenseinlagen als stiller Gesellschafter und aus Genußrechten, nach Buchwerten berechnet, zusammen das haftende Eigenkapital nicht übersteigen. Hiervon macht § 12 Abs.2 KWG jedoch Ausnahmen, insbesondere für Anteilsbesitz an sonstigen Unternehmen, wenn er 10 v.H. des Kapitals des Unternehmens nicht übersteigt (Nr.1).
3. Aus alledem ergibt sich, daß sich die Frage, ob Aktien eine dauernde Beteiligung des Anlagevermögens i.S. von § 19 GewStDV bilden, nach früherem und geltendem Bilanzrecht nicht eindeutig beantworten läßt. Bei einer nur am Wortlaut orientierten Auslegung läßt sich auch eine einzelne Aktie als Beteiligung am Unternehmen der Aktiengesellschaft verstehen, da sie nicht anders als der Geschäftsanteil an einer GmbH und die Beteiligung an einer Personenhandelsgesellschaft die Teilhabe an das Unternehmen betreffenden Mitgliedschaftsrechten gewährt. Wie dargestellt, wird diese Auffassung auch zum AktG 1965 und zu § 271 HGB n.F. vertreten. Sie führt im Falle des § 19 GewStDV zu einem eindeutigen Ergebnis, während eine Beschränkung auf Anteile, die aus besonderen unternehmerischen Gründen gehalten werden, zu vielfältigen Ungewißheiten führen muß.
Für diese weite Auslegung sprechen im Falle des § 19 GewStDV auch besondere steuerliche Erwägungen. Die Einschränkung der Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr.1 und § 12 Abs.2 Nr.1 GewStG ist nämlich mit dem Ziel gewährt worden, das Kreditgeschäft der Banken von zusätzlichen gewerbesteuerlichen Belastungen freizuhalten, die zu einer Erhöhung der Zinsniveaus hätten führen müssen. Banken finanzieren sich in großem Umfang durch Kredite, die eine nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals i.S. von § 8 Nr.1 GewStG darstellen würden. Eine gewerbesteuerliche Belastung dieser Kreditaufnahme würde zu einer Behinderung der wirtschaftlichen Aufgabe der Banken führen, Kredite zu sammeln und weiterzureichen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Juli 1969 I R 80/66, BFHE 96, 409, BStBl II 1969, 667). Soweit sich die Verbindlichkeiten aber nicht auf das Kreditgeschäft beziehen, fehlt es an einer Rechtfertigung für die Steuervergünstigung. Das gilt insbesondere hinsichtlich einer Vermögensanlage in Aktien, wie sie auch jedem anderen Unternehmen offensteht.
Würde man dagegen für eine Beteiligung i.S. von § 19 GewStDV weitere Anforderungen stellen, müßte dabei auf den Beteiligungsbegriff abgestellt werden, wie er in den Formblättern für den Jahresabschluß der Kreditinstitute und in § 12 KWG a.F. zum Ausdruck kommt. Dies aber würde bedeuten, daß die Hinzurechnungsvorschrift der §§ 8 Nr.1 und 12 Abs.2 Nr.1 GewStG im Bankenbereich durchweg nicht zur Anwendung kommt. Da nach § 12 KWG a.F. Grundstücke, Gebäude und Beteiligungen vom Eigenkapital gedeckt sein müssen und das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen diese Deckung erzwingen kann (§ 45 KWG), hätte der in § 19 GewStDV vorgesehene Fall, daß der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Betriebsgrundstücke und der dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet, praktisch keine Bedeutung. In diesem Fall hätten Kreditinstitute durchweg keine Dauerschulden; dann aber hätte es nahegelegen, Kreditinstitute ganz von der Hinzurechnung von Dauerschulden freizustellen.
Für die weitere Auslegung des Beteiligungsbegriffs spricht schließlich auch die Entwicklung, die § 19 GewStDV inzwischen genommen hat. In § 12 Abs.1 KWG n.F. ist, wie hervorgehoben, die Zahl der vom Eigenkapital zu deckenden Vermögensgegenstände erweitert worden. Diese Regelung hat Art.4 des Steuerreformgesetzes 1990 (BGBl I 1988, 1093, 1117) für das Gewerbesteuerrecht ab 1990 in § 19 GewStDV übernommen. Dabei sind aber die wesentlichen Einschränkungen, die § 12 Abs.2 KWG hinsichtlich der durch Eigenkapital zu deckenden Vermögensgegenstände macht, unberücksichtigt geblieben. Die steuerliche Bemessungsgrundlage ist danach weiter als das durch Eigenkapital abzudeckende Vermögen. Dadurch wurde vermieden, daß die Hinzurechnungsvorschrift des GewStG praktisch bedeutungslos wird. Ein derartiger Willen des Verordnungsgebers ist auch für den früheren Rechtszustand anzunehmen.
Für den Streitfall ergibt sich hieraus, daß das FA die Anteile des Klägers an zehn Aktiengesellschaften gewerbesteuerlich zu Recht als dauernde Beteiligungen des Anlagevermögens behandelt hat. Da sie seit geraumer Zeit zum Betrieb des Klägers gehörten und auch in späteren Jahren noch vorhanden waren, hat das FA zutreffend angenommen, daß sie dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen bestimmt waren und damit Anlagevermögen bildeten (vgl. § 152 Abs.1 Satz 1 AktG 1965, § 247 Abs.2 HGB n.F.). Wenn in § 19 GewStDV von zum Anlagevermögen gehörenden dauernden Beteiligungen die Rede ist, hat der Hinweis auf die Dauer nur erklärende Bedeutung für die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen; ein weitergehender Sinn kann dem Hinweis entgegen der Auffassung des FG nicht entnommen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 62835 |
BFH/NV 1989, 34 |
BStBl II 1989, 737 |
BFHE 157, 206 |
BFHE 1990, 206 |
BB 1989, 1676-1678 (LT1) |
DB 1989, 2152-2153 (LT) |
HFR 1989, 556 (LT) |