Leitsatz (amtlich)
Erhebt eine GmbH wegen der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an ihr Klage, so sind alle i. S. von § 7 Nr. 1 AntBewVO klagebefugten Gesellschafter der GmbH gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen, soweit das Klagebegehren den Wert der Gesellschaftsanteile in gleicher weise berührt.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3; BewG § 11 Abs. 2; AntBewV § 4 Abs. 1 Nr. 2; AntBewV § 5 Abs. 1; AntBewV § 7
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Unternehmen. Gesellschafter der GmbH waren an dem hier streitigen Stichtag X und sein Sohn Y, letzterer zugleich als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) hat den gemeinen Wert der Anteile an der GmbH zum 31. Dezember 1976 nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 f. der Vermögensteuer-Richtlinien 1977 - VStR 1977 -) geschätzt. Bei der Ermittlung der Ertragsaussichten hat das FA den nach Abschn. 78 Abs. 1 und 2 VStR 1977 ermittelten Jahresertrag um 127 v. H. erhöht (Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977) und nach Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 einen Abschlag in Höhe von 30 v. H. gewährt. Das Begehren der Klägerin, wegen der Thesaurierung der Gewinne den Zuschlag von 127 v. H. außer Ansatz zu lassen bzw. statt des gewährten Abschlags (Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977) ihr einen höheren zuzubilligen, hatte keinen Erfolg. Das FA stellte den gemeinen Wert für sämtliche GmbH-Anteile durch Bescheid vom 11. Mai 1978 auf ... DM je 100 DM Stammkapital fest. Der Feststellungsbescheid wurde der GmbH und deren Gesellschaftern bekanntgegeben.
Auf den Einspruch der Klägerin ermäßigte das FA den gemeinen Wert der Anteile durch Einspruchsentscheidung vom 3. Oktober 1978 auf ... DM je 100 DM Stammkapital. Auch diese Entscheidung wurde der Klägerin und deren Gesellschaftern zugestellt.
Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin erneut gegen die Höhe des Ertragshundertsatzes.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Oktober 1978 in der Weise zu ändern, daß der Ertragswert unter Außerachtlassen des Zuschlags in Höhe von 127 v. H. (Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977) ermittelt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Erhebt eine GmbH wegen der gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an ihr Klage, so sind alle i. S. von § 7 Nr. 1 der Verordnung zur gesonderten Feststellung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften - Ant-BewVO - vom 19. Januar 1977 (BGBl I 1977, 171, BStBl I 1977, 37) klagebefugten Gesellschafter der GmbH gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig beizuladen, jedenfalls soweit das Klagebegehren den Wert der Gesellschaftsanteile in gleicher Weise berührt.
a) Nach § 5 Abs. 1 AntBewVO sind am Verfahren wegen gesonderter Feststellungen des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften unter anderem die Kapitalgesellschaft selbst, deren Anteile zu bewerten sind, sowie die Anteilsinhaber, die dem Betriebs-FA nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AntBewVO von der Kapitalgesellschaft namhaft gemacht worden sind, beteiligt. Im Streitfall hat die GmbH dem FA die Gesellschafter X und Y i. S. von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AntBewVO benannt.
b) Gemäß § 5 Abs. 2 AntBewVO ist der Feststellungsbescheid allen am Verfahren Beteiligten bekanntzugeben. Im Streitfall wurde der Feststellungsbescheid außer der GmbH auch den beiden Gesellschaftern X und Y bekanntgemacht. Diese waren gemäß § 7 Ant-BewVO neben der Klägerin zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Feststellungsbescheid befugt.
c) Klage hat Y als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter für die GmbH erhoben. Gegenstand des Klageverfahrens war die Frage, ob von der Vornahme eines Zuschlags von 127 v. H. nach Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1977 abzusehen oder ein erhöhter Abschlag nach Abschn. 78 Abs. 5 VStR 1977 zu gewähren war. Die Entscheidung des FG über diese Frage durfte nur einheitlich gegen die GmbH und ihre beiden Gesellschafter ergehen, da die Gesellschafter wegen der gleichen Streitfrage ebenfalls hätten Rechtsbehelf einlegen können. Die Voraussetzungen der notwendigen Beiladung waren mithin nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen im Verhältnis zu beiden Gesellschaftern der GmbH erfüllt.
d) Eine Beiladung des Gesellschafters Y käme indes nicht in Betracht, wenn davon ausgegangen werden könnte, daß Y als Vertreter der Klägerin die Klage wegen Herabsetzung des gemeinen Wertes sämtlicher GmbH-Anteile zugleich im eigenen Namen erheben wollte. Mit Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74 (BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209) hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, daß bei der im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren umstrittenen Frage, welche Personen als Mitunternehmer einer OHG anzusehen sind, im Regelfall davon auszugehen sei, daß der zur Geschäftsführung berufene und als Vertreter der klagenden OHG auftretende Gesellschafter die Klage im eigenen Namen erheben und neben der OHG als Kläger auftreten wolle. Dies hat zur Folge, daß in einem solchen Fall die gerichtliche Entscheidung gegen die Gesellschaft auch gegenüber dem geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter persönlich wirkt und eine notwendige Beiladung nicht in Betracht kommt. Diese Grundsätze, die der I. Senat des BFH zur Beiladung eines geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafters im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren einer OHG entwickelt hat, hält der Senat für entsprechend anwendbar, wenn der Geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter für die von ihm vertretene Kapitalgesellschaft die Herabsetzung des gemeinen Werts sämtlicher Anteile zugleich im eigenen Namen erstrebt. Soweit sich aus der Senatsentscheidung vom 21. März 1969 III R 100/66 (BFHE 95, 523, BStBl II 1969, 493) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat daran aus prozeßökonomischen Gründen nicht mehr fest.
e) Im Streitfall durfte das FG jedoch nicht davon absehen, den Gesellschafter X zu dem Verfahren beizuladen. Dieser Gesellschafter ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als Beteiligter des finanzgerichtlichen Verfahrens anzusehen, die gerichtliche Entscheidung könnte im Verhältnis zu ihm nicht wirken (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit wäre das mit der notwendigen Beiladung erstrebte Ziel, widersprüchliche Entscheidungen in einem Klageverfahren, das den Wert der Gesellschaftsanteile mehrerer klagebefugter Gesellschafter in gleicher Weise berührt, auszuschließen, nicht erreicht.
2. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist nach der Rechtsprechung des Senats ein Verstoß gegen die Grundordnung des finanzgerichtlichen Verfahrens (BFHE 95, 523, BStBl II 1969, 493). Als Revisionsgericht darf der BFH die Beiladung nicht nachholen (§ 123 FGO). Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache wird gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Dieses wird nunmehr die Beiladung des Gesellschafters X nachzuholen und zu prüfen haben, ob der Gesellschafter Y die Klage auch im eigenen Namen erhoben hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1980 I R 87/79, BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586).
Fundstellen
BStBl II 1984, 670 |
BFHE 1985, 209 |