Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erweiterte Kürzung für zum Deckungsstockvermögen des Gesellschafters gehörenden Grundbesitz einer Personengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Grundbesitz einer gewerblich geprägten Personengesellschaft dient i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG dem Gewerbebetrieb des an der Gesellschaft beteiligten Lebensversicherungsunternehmens, wenn er zugunsten des Deckungsstock-Treuhänders im Grundbuch gesperrt ist und die Anteile an der Personengesellschaft in das Deckungsstockverzeichnis aufgenommen worden sind.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 Sätze 2, 5
Verfahrensgang
FG Hamburg (EFG 1999, 1148) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter die L-Lebensversicherung AG (L) und eine Bau- und Grundstücksverwaltungs-GmbH sind. Beide Gesellschafter sind 100-prozentige Töchter der A-Holding AG. Die Klägerin verfügt über zahlreiche Grundstücke, die von den Gesellschaftern gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht worden sind.
Die Einbringung der Grundstücke war vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) widerruflich unter Auflagen gestattet worden. Alle eingebrachten und noch einzubringenden Grundstücke mussten deckungsstockfähig sein und im Grundbuch zugunsten des Deckungsstock-Treuhänders gesperrt werden. Auch die Anteile der L an der Klägerin waren zugunsten des Deckungsstock-Treuhänders zu sperren. Die L musste über die Grundstücke so zügig verfügen können wie über eigenes Vermögen.
Auch der Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Klägerin war mit dem BAV abgestimmt. Wesentliche Entscheidungen der Gesellschafterversammlung sollten danach der Abstimmung mit dem BAV bedürfen. Grundstücke durften nur mit Zustimmung der L erworben oder veräußert werden, die ihrerseits die Grundsätze des BAV zu beachten hatte. Über ihre Gesellschaftsanteile durfte die L nur mit Zustimmung des Deckungsstock-Treuhänders verfügen.
Die Beteiligung an der Klägerin wurde unter dem Posten "Anteile an verbundenen Unternehmen" in der Bilanz der L ausgewiesen. Außerdem nahm die L die Beteiligung in das nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) aufzustellende Deckungsstockverzeichnis auf. Dazu erteilte das BAV die nach § 54a Abs. 5 VAG erforderliche Genehmigung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte zunächst der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr (1988) und stellte den Steuermessbetrag auf 0 DM fest. Dabei wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb in voller Höhe durch die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ausgeglichen. Nach einer Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, der Klägerin stehe diese erweiterte Kürzung nicht zu. Es erließ deshalb einen entsprechend geänderten Gewerbesteuermessbescheid und setzte den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag auf 125 355 DM fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1148 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 5 GewStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Klägerin kann die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen.
1. Zwar sind die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt.
a) Nach dieser Vorschrift wird bei bestimmten Unternehmen die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen ―anstelle der Kürzung um einen Hundertsatz vom Einheitswert― auf Antrag um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Diese erweiterte Kürzung gilt u.a. für ein Unternehmen, das ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Mit der erweiterten Kürzung sollen vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegen, den vermögensverwaltenden Einzel- und Personenunternehmen gleichgestellt werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 26. Oktober 1995 IV R 35/94, BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76, und vom 15. April 1999 IV R 11/98, BFHE 188, 412, BStBl II 1999, 532, m.w.N.).
b) Die Klägerin unterhält als gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen Gewerbebetrieb, denn ihre beiden Gesellschafter sind Kapitalgesellschaften. Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt dieser Betrieb der Gewerbesteuer. Den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG zufolge verwaltete die Klägerin im Erhebungszeitraum ausschließlich eigenen Grundbesitz, der ihr von ihren Gesellschaftern zu Eigentum übertragen worden war. Dass bis zum Jahresende die Eintragung im Grundbuch noch nicht vollzogen war, ist insoweit ohne Bedeutung, weil die Klägerin unstreitig wirtschaftliche Eigentümerin der Grundstücke geworden war. Als schädliche Tätigkeit ist auch nicht etwa anzusehen, dass die Grundstücke mit dem Sperrvermerk zugunsten des Treuhänders des Deckungsstocks belastet sind. Es kann dahinstehen, ob die Bestellung von Kreditsicherheiten an den verwalteten Grundstücken gegen Entgelt als eine nicht von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zugelassene Nebentätigkeit anzusehen ist (so FG Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 1989 II 192/87, EFG 1990, 439, rkr.). Erwirbt das Grundstücksverwaltungsunternehmen die Grundstücke bereits mit einer Belastung und erhält für die Kreditsicherung später kein Entgelt, kann darin keine schädliche Betätigung gesehen werden.
2. Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist aber nach § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ausgeschlossen.
a) Die erweiterte Kürzung wird nach dieser Norm nicht gewährt, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden (vgl. Senatsurteile in BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76, und in BFHE 188, 412, BStBl II 1999, 532, m.w.N.).
b) So verhält es sich hier; auch wenn die Klägerin ihre Grundstücke nicht an einen Gesellschafter vermietet. Die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sind deshalb erfüllt und führen zu einem Ausschluss der erweiterten Kürzung, weil der Umstand, dass die Grundstücke der Klägerin im Grundbuch zugunsten des Deckungsstock-Treuhänders der Gesellschafterin L gesperrt sind und die L ihre Beteiligung an der Klägerin in ihr Deckungsstockverzeichnis aufgenommen hat, den Begriff des "Dienens" gegenüber der L erfüllt.
Grundbesitz "dient" dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters nicht nur dann, wenn er von diesem aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages genutzt wird. Es genügt vielmehr, dass der Grundbesitz den betrieblichen Zwecken des Gesellschafters "dient" (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 18. Dezember 1974 I R 10/73, BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268, unter 2.) bzw. ihm "von Nutzen" ist (BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 I R 35/92, I R 36/92, BFHE 172, 110, BStBl II 1994, 46, unter II. 1. a). Daraus hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76 gefolgert, dass Grundbesitz (Miteigentumsanteile), der zum Deckungsstock eines die Lebensversicherung betreibenden Unternehmens gehört, dessen Gewerbebetrieb i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG dient, wenn er im Rahmen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft mit den Miteigentumsanteilen anderer Versicherungsunternehmen gemeinschaftlich verwaltet wird. Denn ungeachtet der Beschränkungen, die sich für das zum Deckungsstock gehörende Vermögen aus den §§ 65 bis 78 VAG ergeben, gehören die Bestände des Deckungsstocks grundsätzlich zum Betriebsvermögen der Versicherungsunternehmen. Sie dienen den Zwecken der Versicherungsunternehmen in besonderer Weise, weil sie ihnen die Aufrechterhaltung des Versicherungsbetriebs ermöglichen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1972 I 115/65, BFHE 104, 464, BStBl II 1972, 390).
c) An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Sie gilt in gleicher Weise im hier zu beurteilenden Fall, in dem zum Bestand des Deckungsstocks nicht die Grundstücke selbst, sondern nur die Gesellschaftsanteile an der Grundstücksgesellschaft gehören (ebenso FG Köln, Urteil vom 11. März 1998 6 K 5903/93, EFG 1998, 969, rkr.; Oberfinanzdirektion Frankfurt/M., Verfügung vom 11. Juni 1991, Der Betrieb 1991, 2262; Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9 GewStG Rz. 113; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl. 1999, § 9 Nr. 1 Anm. 33; Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Anm. 197).
Zweck der Regelung in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ist es, solche Erträge bei der Grundstücksgesellschaft nicht von der Gewerbesteuer auszunehmen, die in der Person des Gesellschafters der Gewerbesteuer unterliegen würden, wenn er den Grundbesitz ohne Zwischenschaltung der Gesellschaft in gleicher Weise nutzte (BFH-Urteil in BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268). So verhält es sich bei den Grundstücken, die dem Deckungsstock des Gesellschafters verhaftet sind. Zwar ist die Gesellschaft ―worauf die Klägerin hinweist― nicht in dem Sinne zwischengeschaltet, dass sie die Grundstücke dem Gesellschafter zur Nutzung überlässt. Die Zwischenschaltung erstreckt sich nur auf die Zugehörigkeit zum Deckungsstock. Dies ist aber einer Überlassung zur Nutzung vergleichbar, weil das Deckungsstock-Vermögen dem Gesellschafter den Versicherungsbetrieb erst ermöglicht. Würden die Grundstücke dem Gesellschafter selbst gehören, wären sie unmittelbar Bestandteil des Deckungsstocks und als solche ungeachtet der konkreten Art der Nutzung Betriebsvermögen des Gesellschafters. Die Erträge der Grundstücke unterlägen dann auf der Ebene des Gesellschafters der Gewerbesteuer.
3. Der Klägerin steht auch die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist der Gewerbeertrag um 1,2 v.H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem Ende des Erhebungszeitraums lautet, zu kürzen.
Zweck der Vorschrift ist es, eine doppelte Erfassung des Grundbesitzes mit Grundsteuer einerseits und Gewerbesteuer andererseits zu verhindern (BFH-Urteil vom 11. Februar 1966 VI 269/64, BFHE 85, 293, BStBl III 1966, 316). Da die Klägerin sämtlichen Grundbesitz erst im Laufe des Streitjahres erworben hat, war im Wege der Zurechnungsfortschreibung für die Klägerin ein Einheitswert erst auf den 1. Januar des Folgejahres und damit nach Ablauf des Erhebungszeitraums festzustellen. Einen für die Kürzung maßgeblichen Einheitswert gibt es dementsprechend nicht, so dass die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG nicht vorliegen. Für diese Kürzung besteht auch kein Bedürfnis, denn mangels Zurechnung auf die Klägerin schuldete sie in diesem Erhebungszeitraum keine Grundsteuer und war dementsprechend nicht mit Realsteuern doppelt belastet.
Auf die bislang von der Rechtsprechung nicht entschiedene Frage, wie die Kürzung nach § 9 Nr. 1 GewStG bei einem im Laufe des Erhebungszeitraums gegründeten Unternehmen unter Berücksichtigung der Stichtagsbetrachtung des § 20 Abs. 1 Satz 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsversordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung vom 24. November 1986 (BGBl I 1986, 2073) vorzunehmen ist, kommt es im Streitfall nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 732370 |
BFH/NV 2002, 871 |
BStBl II 2002, 873 |
BFHE 198, 120 |
BFHE 2003, 120 |
BB 2002, 1132 |
DB 2002, 1088 |
DStRE 2002, 836 |
HFR 2002, 628 |