Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastung: Aufwendungen für die Beerdigung sowie die Teilnahme an der Beerdigung eines nahen Angehörigen, Außergewöhnlichkeit, Zwangsläufigkeit
Leitsatz (amtlich)
Reisekosten für die Teilnahme an der Beerdigung eines nahen Angehörigen sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. von § 33 EStG zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Aufwendungen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen sind regelmäßig als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, sofern sie nicht aus dem Nachlaß bestritten werden können oder durch sonstige dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind und zwangsläufig entstehen, d.h. soweit sie unmittelbar mit der eigentlichen Beerdigung zusammenhängen. Das ist nicht der Fall bei Aufwendungen für Traueressen, Trauerkleidung, aufwendige Grabstätte und Grabmal (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Aufwendungen sind nur dann außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG, wenn sie nicht nur der Höhe nach, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Das ist weder bei Aufwendungen für die Teilnahme an der Beerdigung eines nahen Angehörigen noch für Besuchsfahrten zu erkrankten Angehörigen noch für Reisekosten im Zusammenhang mit der Eheschließung der Fall. Derartige Aufwendungen sind grundsätzlich durch die allgemeinen Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1990 § 33 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist italienischer Staatsbürger. Seine in Süditalien lebenden Eltern verstarben am 20. Oktober (Vater) bzw. am 10. November 1990 (Mutter). In beiden Todesfällen reiste der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau (Klägerin und Revisionsbeklagte --Klägerin--) nach Italien, um jeweils Vorkehrungen für die Beerdigung zu treffen und an der Beisetzung teilzunehmen. Die Eltern hinterließen kein nennenswertes Vermögen; der Kläger trug die Kosten für beide Beerdigungen.
Im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr 1990 machten die Kläger neben den von einem italienischen Beerdigungsinstitut dem Kläger in Rechnung gestellten Beerdigungskosten (im Betrag von --umgerechnet-- 2 261 DM) Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2 884 DM für die Fahrten nach Italien als außergewöhnliche Belastung geltend. Für die Fahrt zum Begräbnis des Vaters benutzten die Kläger den eigenen PKW. Sie ermittelten die angefallenen Fahrtkosten mit 2 200 km x 0,84 DM = 1 848 DM. Zum Begräbnis der Mutter reisten die Kläger mit der Bahn. Dafür fielen Fahrtkosten für zwei Personen im Betrag von 1 036 DM an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für den Kläger lediglich die von dem Beerdigungsinstitut berechneten Bestattungskosten als außergewöhnliche Belastung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt. Es führte aus, die unmittelbar mit der Beerdigung eines nahen Angehörigen zusammenhängenden Kosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Mai 1979 VI R 37/76, BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558; vom 17. September 1987 III R 242/83, BFHE 151, 380, BStBl II 1988, 130, und vom 19. Oktober 1990 III R 93/87, BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140). Dazu gehörten auch die Kosten für die Reise zum Begräbnis. Denn die persönliche Anwesenheit der nächsten Angehörigen am Sterbe- und Bestattungsort sei regelmäßig auch zur Organisation und Durchführung der Bestattungsfeierlichkeiten erforderlich. Sofern nicht besonders weite Reisen erforderlich seien, stelle die Teilnahme an der Beerdigung der Eltern bzw. Schwiegereltern eine sittliche Verpflichtung dar. Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Reisestrecke von ca. 2 200 km sei die Teilnahme an den Begräbnissen sittlich geboten und die dabei entstehenden Kosten dem Grunde nach notwendig und angemessen.
Die Aufwendungen zur Teilnahme am Begräbnis des Vaters des Klägers seien jedoch nur in Höhe des für eine Anreise mit der Bahn erforderlichen Betrags von 1 036 DM notwendig und angemessen.
Mit der Revision trägt das FA vor:
Das FG habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Es habe nicht geprüft, ob andere in Italien lebende Angehörige die Beerdigung vorbereitet und durchgeführt hätten oder dies hätten übernehmen können, so daß die Anwesenheit der Kläger nicht erforderlich gewesen sei. Das FG habe ferner § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend ausgelegt. Nach den vom BFH in dem Urteil in BFHE 151, 380, BStBl II 1988, 130 aufgestellten Grundsätzen seien lediglich die Kosten der eigentlichen Bestattung zwangsläufig. Die Kosten durch die Teilnahme naher Angehöriger an der Beerdigung zählten als Folgekosten nicht zu den unmittelbaren Beerdigungskosten. Das FG habe auch den Begriff der Angemessenheit unzutreffend ausgelegt. Bei der weiten Entfernung sei die Anreise der Schwiegertochter jedenfalls unangemessen gewesen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat die Aufwendungen der Kläger für die Fahrten zu den Beerdigungen der Eltern des Klägers --der Höhe nach begrenzt auf die Kosten für Bahnreisen-- unzutreffend als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt.
1. Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Ausgaben eines Steuerpflichtigen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen regelmäßig als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, sofern --wie hier-- die Aufwendungen nicht aus dem Nachlaß bestritten werden können oder durch sonstige einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140 m.w.N.). Einem nahen Angehörigen erwachsen freilich nur solche Bestattungskosten zwangsläufig i.S. des § 33 Abs.2 EStG, die unmittelbar mit der eigentlichen Beerdigung zusammenhängen. Bei der Beurteilung, welche Bestattungskosten i.S. von § 33 Abs.2 EStG notwendig und angemessen sind, ist zwar eine großzügige Beurteilung geboten. Gleichwohl werden mit einer Bestattung nur mittelbar zusammenhängende Kosten, wie beispielsweise die Aufwendungen für Traueressen, Trauerkleidung, aufwendige Grabstätte und Grabmal, mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt (BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140 m.w.N.).
Zu diesen nicht als Beerdigungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen rechnen auch die den Klägern entstandenen Fahrtkosten. Auch insoweit handelt es sich nur um mittelbar mit den Beerdigungen zusammenhängende Kosten, die nicht als für die eigentliche Bestattung notwendig erscheinen. Der Hinweis des FG, in der Regel sei die persönliche Anwesenheit der nächsten Angehörigen zur Organisation und Durchführung einer Bestattungsfeier erforderlich, geht hier fehl. Der Kläger hatte die Regelung der Todesfälle einem ortsansässigen Beerdigungsinstitut übertragen. Dies hätte er auch von seinem Wohnort aus --ggf. durch Beauftragung einer Vertrauensperson in Italien-- in die Wege leiten können. Die Anreise der Kläger war zur Durchführung der Beerdigungen als solcher nicht erforderlich (vgl. BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558).
2. Die den Klägern entstandenen Reiseaufwendungen sind auch nicht --losgelöst von ihrem Zusammenhang mit der Durchführung der Beerdigung-- unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme an der Bestattung eines nahen Angehörigen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Es kann dahinstehen, ob die Aufwendungen den Klägern insoweit zwangsläufig erwachsen sind, ob sie sich insbesondere in den Grenzen der Angemessenheit halten, denn Kosten für die Teilnahme an einer Beerdigung sind nicht außergewöhnlich i.S. von § 33 Abs.1 EStG. Dies gilt auch dann, wenn es sich um die Beerdigung eines nahen Angehörigen handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und der im Schrifttum überwiegend vertretenen Meinung (vgl. Urteil vom 15. April 1992 III R 11/91, BFHE 168, 137, BStBl II 1992, 821, mit Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur der Höhe nach, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.
Dies ist bei den Kosten für die Teilnahme an einer Beerdigung --auch eines nahen Angehörigen-- nicht der Fall. Der Verlust eines nahen Angehörigen wird von dem einzelnen Steuerpflichtigen zwar als besonders schmerzlich empfunden. Da der Tod Teil eines jeden Lebens ist, kann es aber nicht als ungewöhnlich angesehen werden, daß sich ein Steuerpflichtiger zur Teilnahme an der Beerdigung eines nahen Angehörigen (oder z.B. an der eines guten Bekannten, Geschäftspartners usw.) aufgerufen sieht, ebenso wie es andererseits nicht ungewöhnlich ist, daß freudige Ereignisse wie die Feier einer Geburt, einer Hochzeit usw. im nahen Angehörigenkreis möglicherweise die Anwesenheit des Steuerpflichtigen fordern. Davon ist nicht lediglich eine kleine Minderheit betroffen.
Diese Beurteilung gilt auch für die Kosten, die wegen der Teilnahme an der Beerdigung eines nahen Angehörigen auf den Steuerpflichtigen zukommen. Anders als die Aufwendungen für die Bestattung, von denen die Kosten für die Teilnahme an der Beerdigung zu unterscheiden sind, erscheinen derartige Ausgaben dem Grunde nach nicht ungewöhnlich. Dies gilt auch dann, wenn sie im Einzelfall vergleichsweise hoch sind. Soweit in der Rechtsprechung der FG (z.B. FG Münster, Urteil vom 25. September 1969 VI 1504/68 L, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1970, 123; FG Düsseldorf, Urteil vom 17. Dezember 1979 VIII 262/77 E, EFG 1980, 284; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Januar 1984 3 K 283/83, EFG 1984, 504) sowie im Schrifttum (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20.Aufl., § 33 EStG Anm.300 "Reisekosten"; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.C 40; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 13.Aufl., § 33 Anm.8 "Beerdigung") zum Teil die Berücksichtigung der Fahrtkosten zu einer Beerdigung als außergewöhnliche Belastung bejaht wird, fehlt es an einer hinreichenden Abgrenzung der Merkmale der Außergewöhnlichkeit von der Zwangsläufigkeit bzw. der Angemessenheit i.S. von § 33 EStG.
Diese Beurteilung entspricht der Wertung, wie sie der Senat bei Besuchsfahrten zu erkrankten Angehörigen (vgl. Urteil vom 24. Mai 1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96 m.w.N.) oder auch für die Reisekosten im Zusammenhang mit der Eheschließung (BFHE 168, 137, BStBl II 1992, 821) getroffen hat. Der Senat geht in diesen Fällen ebenfalls davon aus, daß es sich um Vorgänge handelt, die der Art und dem Grunde nach nicht außerhalb des Üblichen liegen. Derartige Aufwendungen sind deshalb grundsätzlich durch die allgemeinen Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten (vgl. auch Urteil des Senats vom 23. Mai 1990 III R 63/85, BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894).
3. Da die Revision bereits aus materiell-rechtlichen Gründen begründet ist, ist auf die vom FA erhobenen Verfahrensrügen nicht einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 64961 |
BFH/NV 1994, 71 |
BStBl II 1994, 754 |
BFHE 174, 547 |
BFHE 1995, 547 |
BB 1994, 1763 |
BB 1994, 1763-1764 (LT) |
DB 1994, 2010 (L) |
DStR 1994, 1531-1532 (KT) |
DStZ 1995, 115-116 (KT) |
HFR 1994, 653-654 (LT) |
StE 1994, 526 (K) |