Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnmobil kein investitionszulagenfähiges Wirtschaftsgut: keine Bindung an verkehrsrechtliche Einstufung, Ablehnung der Auffassung der Finanzverwaltung
Leitsatz (amtlich)
Wohnmobile zählen als PKW i.S. des § 2 InvZulG 1991 nicht zu den investitionszulagenbegünstigten Wirtschaftsgütern.
Orientierungssatz
1. Ein Kfz ist unabhängig von den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, insbesondere von der Eintragung im Kfz-Brief, grundsätzlich dann als PKW im Sinne des BerlinFG bzw. der InvZV anzusehen, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, bei Privatfahrten Personen zu befördern (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach lediglich Wohnmobile mit einem zulässigem Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t zu den --nicht zulagebegünstigten-- PKW gehören, bei größeren und schwereren Fahrzeugen es sich hingegen um Transportmittel oder ---bei einer Bestellung nach dem 13.4.1992-- um andere Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach nicht dazu bestimmt und geeignet sind, im räumlich abgegrenzten Bereich einer Betriebstätte eingesetzt zu werden, mit der Möglichkeit der Zulagenbegünstigung handeln soll, kann nicht gefolgt werden (vgl. BMF-Schreiben vom 28.8.1991 IV B 3-InvZ 1010-13/91 und Verfügung OFD-Berlin vom 10.11.1993 St 441 a-InvZ 1010-1/91).
Normenkette
InvZulG 1991 § 2 S. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in Berlin, betreibt die gewerbliche Vermietung eines Wohnmobils. Dazu erwarb sie im Juli des Streitjahres 1991 ein neues Wohnmobil zu einem Kaufpreis von 50 877 DM, das sie in der Folgezeit an verschiedene Privatpersonen für Reisezwecke vermietete. Das Fahrzeug wurde von den Mietern jeweils in Berlin übernommen und dort von ihnen auch zurückgegeben.
Die bis August 1992 abgeschlossenen Mietverträge wiesen Mietzeiten von 3 bis 34 Tagen aus und gaben als Reiseziel zum Teil Deutschland oder Dänemark an; zum Teil enthielten sie keine Angaben zum Reiseziel.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die Gewährung einer für die Anschaffung des Wohnmobils beantragten Investitionszulage --auch im Einspruchsverfahren-- ab, da die Voraussetzungen des Verbleibens im Fördergebiet nicht erfüllt bzw. nicht nachgewiesen seien.
Der Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 696 veröffentlichten Urteil stattgegeben und die Investitionszulage auf 6 106 DM festgesetzt. Es war der Auffassung, das jeweils nur kurzfristig für Urlaubszwecke an Private vermietete Wohnmobil sei entgegen der Ansicht des FA gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 in einer Betriebstätte im Fördergebiet verblieben.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 InvZulG 1991.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Die Klägerin hat sich zum Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das von der Klägerin angeschaffte Wohnmobil ist ein PKW i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991. Seine Anschaffung zählt deshalb nicht zu den nach § 2 InvZulG 1991 begünstigten Investitionen.
1. Der erkennende Senat hat bereits mehrmals zu § 19 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) sowie zu § 2 Satz 1 Nr. 4 der Investitionszulagenverordnung (InvZV) entschieden, daß ein Kfz unabhängig von den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, insbesondere von der Eintragung im Kfz-Brief, grundsätzlich dann als PKW im Sinne des BerlinFG bzw. der InvZV anzusehen ist, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, bei Privatfahrten Personen zu befördern (Senatsurteile vom 16. Juli 1993 III R 59/92, BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304, und III R 61/92, BFH/NV 1994, 412; s. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 6. März 1994, BStBl I 1994, 230).
Der Senat orientiert sich bei der Auslegung des Begriffs PKW im investitionszulagenrechtlichen Sinn hauptsächlich an der im Unterschied zu den straßenverkehrsrechtlichen Regelungen anderen Zielrichtung des Zulagenrechts. So beruht der vollständige Ausschluß der PKW von der Zulagenförderung nach dem InvZulG 1991 darauf, daß PKW im allgemeinen nicht ausschließlich betrieblich, sondern regelmäßig auch privat genutzt werden, und daß den Finanzbehörden die zügige Bearbeitung der Investitionszulagenanträge dadurch erleichtert werden soll, daß nicht in jedem Fall der Umfang der privaten Nutzung ermittelt zu werden braucht (vgl. Senatsurteile in BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304, und in BFH/NV 1994, 412).
Der Gesetzgeber des InvZulG 1991 hat PKW ungeachtet ihres Verwendungszwecks --ebenso wie nach der InvZV-- in vollem Umfang ausdrücklich von der Begünstigung ausgenommen; das betrifft --anders als bei der Förderung nach dem BerlinFG (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 c BerlinFG 1990)-- auch solche PKW, die an Selbstfahrer vermietet werden. Eine dem BerlinFG 1990 vergleichbare Regelung ist in das InvZulG 1991 nicht aufgenommen worden. Daraus folgt, daß eine Förderung des Erwerbs von PKW auch zum Zwecke gewerblicher Vermietung nach dem InvZulG 1991 nicht beabsichtigt ist.
2. Hiervon ausgehend wird auch die Anschaffung eines Wohnmobils nicht vom Förderzweck der InvZulG 1991 umfaßt. Wohnmobile stehen ihrem Verwendungszweck nach PKW weitaus näher als etwa LKW oder Omnibussen. Mit Wohnmobilen sollen in der Regel nicht Gegenstände oder eine über die übliche private Nutzung hinausgehende Vielzahl von Personen befördert werden. Sie dienen vielmehr in erster Linie der Freizeitbeschäftigung und unterscheiden sich von üblichen PKW in ihrem Verwendungszweck nur dadurch, daß sie ein --zeitweiliges-- Wohnen ermöglichen. Die mögliche und regelmäßig auch gegebene Verwendung im privaten Bereich gebietet die Wertung als PKW im Sinne des Investitionszulagenrechts. Die Anschaffung von Wohnmobilen erfüllt zudem weit weniger den hauptsächlichen Zweck des InvZulG 1991, nämlich (mehr) Arbeitsplätze zu schaffen und die allgemeine Wirtschaftstätigkeit im Fördergebiet anzuregen, als etwa die Anschaffung von LKW oder Omnibussen. Die Anschaffung von LKW oder Omnibussen zieht in aller Regel die Einstellung von Fachpersonal nach sich; sie dient daneben auch der Verbesserung der Infrastruktur. Ein Wohnmobil wird dagegen in der Regel an Selbstfahrer vermietet und überwiegend für private Zwecke eingesetzt. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb ein gewerblicher Vermieter von Wohnmobilen eine Investitionszulage nach dem InvZulG 1991 erhalten sollte, während sie ein vergleichbarer Vermieter von üblichen PKW nicht erhalten kann.
Der erkennende Senat vermag sich auch nicht der Auffassung der Finanzverwaltung anzuschließen (vgl. BMF-Schreiben vom 28. August 1991, BStBl I 1991, 768 Tz. 37), wonach lediglich Wohnmobile mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t zu den --nicht zulagenbegünstigten-- PKW gehören sollen, bei größeren und schwereren Fahrzeugen es sich hingegen um Transportmittel oder --bei einer Bestellung nach dem 13. April 1992-- um andere Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach nicht dazu bestimmt und geeignet sind, im räumlich abgegrenzten Bereich einer Betriebstätte eingesetzt zu werden, mit der Möglichkeit der Zulagenbegünstigung handeln soll (s. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion Berlin vom 10. November 1993, Finanz-Rundschau 1994, 169). Es ist zum einen nicht erkennbar, weshalb ein Unterschied nach dem zulässigen Gesamtgewicht sollte gemacht werden können. Denn der bei Wohnmobilen im Vordergrund stehende Nutzungszweck der privaten Personenbeförderung bzw. der Verwendung im Freizeitbereich besteht unabhängig von der Höhe des zulässigen Gesamtgewichts. Eine Bindung an verkehrsrechtliche Begriffsdefinitionen, aus denen der Bundesfinanzhof für das Kraftfahrzeugsteuerrecht entnommen hat, daß ein Wohnmobil mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2,8 t --unter weiteren hier nicht interessierenden Voraussetzungen-- ein PKW sei (vgl. Urteil vom 28. Juli 1992 VII R 118/91, BFHE 169, 468, BStBl II 1993, 250), bei Überschreitung dieser Gewichtsgrenze hingegen ein "Kombinationskraftwagen" nicht mehr als PKW einzustufen sei (Urteil vom 26. August 1997 VII R 60/97, BFHE 183, 276, BStBl II 1997, 744), besteht für das Investitionszulagenrecht nicht. Es wäre auch nicht einsichtig, weshalb die größeren und schwereren Fahrzeuge ab einem bestimmten Zeitpunkt (bei einer Bestellung nach dem 13. April 1992; s. oben) nicht mehr als Transportmittel, sondern als "andere Wirtschaftsgüter" im obigen Sinn eingeordnet werden sollten, mit der Folge unterschiedlicher Anforderungen an die Verbleibensvoraussetzungen (s. insoweit Tz. 48 und Tz. 50 des BMF-Schreibens in BStBl I 1991, 768).
Fundstellen
Haufe-Index 67015 |
BFH/NV 1998, 1183 |
BFH/NV 1998, 1183-1184 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1999, 498 |
BFHE 185, 335 |
BFHE 1998, 335 |
BB 1998, 1354 |
BB 1998, 1354 (Leitsatz) |
BB 1998, 1675 |
BB 1998, 1675-1676 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1998, 1384 |
DB 1998, 1384 (Leitsatz) |
DStRE 1998, 520 |
DStRE 1998, 520-521 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 757 |
StE 1998, 407 |