Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Nießbrauchs an einer mit öffentlichen Mitteln errichteten Wohnung
Leitsatz (NV)
Zur Beurteilung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über die Errichtung von mit öffentlichen Mitteln errichteten Wohnungen, an denen gegen Entgelt ein Nießbrauch bestellt wird, sind die Grundsätze über die Zwischenvermietung von Wohnungen heranzuziehen.
Normenkette
AO 1977 § 42; UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a, § 15 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete 1981 bis 1984 mit öffentlichen Mitteln ... Gebäude mit Wohneinheiten. Er machte Vorsteuerbeträge aus der Errichtung der Gebäude von über ... DM, davon im Streitjahr 1984 rd. ... DM geltend. Er bestellte seiner bis dahin als Verwalterin im Angestelltenverhältnis tätigen Schwester im September 1981 und wiederum im August 1983 dingliche Nießbrauchsrechte an den Grundstücken. Die Nießbraucherin war 1981 ... Jahre alt. Sie erlitt im Dezember 1981 einen ... " der ihre vollständige Erwerbsunfähigkeit verursachte und es ihr nicht mehr ermöglichte, die Verwaltungsarbeiten selbst auszuführen. Sie stellte zur Erledigung der Hausverwalteraufgaben mehrere Angestellte des Klägers ein. Im Jahr 1987 verstarb sie. Die Schwester verpflichtete sich gegenüber dem Kläger, je Wohneinheit einen festen Jahresbetrag von 1 750 DM (in vierteljährlichen Raten) zu zahlen. Sie hatte die Grundstückskosten einschließlich Zinsen für Darlehen, nicht aber deren Tilgung zu tragen. Zugunsten der Gläubiger der öffentlichen Mittel erklärte sie den Rangrücktritt und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Privatvermögen. Der Kläger verpflichtete sich ihr gegenüber, sie im Innenverhältnis von allen Verbindlichkeiten freizustellen. Die Nießbrauchsbestellung erfolgte, wie in dem Vertragswerk ausgeführt wird, um die bisherigen Verdienste der Nießbraucherin zu honorieren und ihr Alter zu sichern.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erkannte die Nießbrauchseinräumung nach einer Außenprüfung wegen Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) nicht mehr an und berücksichtigte die Vorsteuerbeträge aus Rechnungen für auf die Wohneinheiten entfallende Leistungsbezüge nicht mehr. Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 1984 entsprach das FA nur teilweise und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 21. August 1992 im übrigen ab. Das Beschwerdeverfahren blieb insoweit erfolglos. Über die Klage gegen die bezeichnete Umsatzsteuerfestsetzung hat das Finanzgericht (FG) bisher nicht entschieden.
Das FG verpflichtete das FA durch das angefochtene Urteil vom 18. Dezember 1992, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 1984 im Umfang von ... DM bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Entscheidung des Gerichts im Klageverfahren auszusetzen. Im übrigen wies es die Klage ab.
Das FG führte zur Begründung der Aussetzungsentscheidung u. a. aus: Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheids 1984 sei ernstlich zweifelhaft. Die Voraussetzungen für den Abzug der streitbefangenen Vorsteuerbeträge seien mit der im Aussetzungsverfahren geforderten Sicherheit vorhanden, weil der Kläger die bezogenen Leistungen für steuerpflichtige Umsätze durch Einräumung eines entgeltlichen Nießbrauchs verwendet habe. Das FG fand keine Anhaltspunkte dafür, daß der eingeräumte Nießbrauch eine andere Verwendung des Klägers verdecken sollte und wegen Gestaltungsmißbrauchs nicht hätte berücksichtigt werden können.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung sachlichen Rechts. Das FG habe, so führt es zur Begründung u. a. aus, § 42 AO 1977 und § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 falsch angewendet.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat nicht beachtet, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung für 1984 nicht bestehen.
1) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen über die Herstellung von mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen bei dem Eigentümer, der in den Wohnungsvermietungsvorgang eine Mittelsperson einschaltet, danach zu beurteilen, ob die im eigenen Namen auftretende Mittelsperson steuerpflichtige oder (zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führende) steuerfreie Umsätze bewirkt. Wenn der Eigentümer die Wohnungen unter Inanspruchnahme von Aufwendungsbeihilfen i. S. von § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes errichtet, ist wegen der ihn treffenden persönlichen Verpflichtung, die Wohnungen an wohnberechtigte Personen zur Kostenmiete zu überlassen, die Einschaltung einer selbständigen Mittelsperson in die Vermietung von Wohnungen umsatzsteuerrechtlich als Geschäftsbesorgungsverhältnis zu beurteilen, das den Ausschluß vom Vorsteuerabzug zur Folge hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 24. Juni 1992 V R 10/89, BFH/NV 1993, 629; vom 13. April 1988 X R 45/81, BFH/NV 1988, 670; vom 11. Dezember 1986 V R 167/81, BFHE 148, 551, BStBl II 1987, 313 m. w. N.).
2. Dies ist umsatzsteuerrechtlich auch bei der Bestellung eines Nießbrauchs an mit öffentlichen Mitteln errichteten Wohnungen zu beachten. Den Nießbraucher treffen die gleichen Bindungen des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts wie den Zwischenmieter bei der Nutzung von mit öffentlichen Mitteln errichteten Wohnungen. Der Nießbraucher tritt, wie sich aus § 577 i. V. m. § 571 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt, in die Rechtsstellung des Eigentümers hinsichtlich der Nutzung der Mietwohnräume ein. Er kann sie nur unter den gleichen Bindungen wie der Eigentümer nutzen. Auch der Kläger konnte seine Schwester umsatzsteuerrechtlich nur als Geschäftsbesorgerin bei der Wohnungsüberlassung an Endmieter einschalten und dadurch nicht die Voraussetzungen für den nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 ausgeschlossenen Vorsteuerabzug schaffen.
3. Das FG hat diese Grundsätze nicht beachtet. Eine Verpflichtung der Finanzbehörden, die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids für 1984 auszusetzen, bestand nicht. Über den Ausschluß des Vorsteuerabzugs bei Einschaltung einer Zwischenperson (Nießbraucher) in die Vermietung von mit öffentlichen Mitteln errichteten Wohnungen können rechtliche Zweifel nicht ernstlich bestehen. Unter diesen Umständen ist allein die in den angefochtenen finanzbehördlichen Bescheiden angegriffene Entscheidung rechtmäßig, die Aussetzung abzulehnen.
Fundstellen
Haufe-Index 420515 |
BFH/NV 1996, 442 |