Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt
Leitsatz (NV)
Verzichtet ein beherrschender Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine GmbH unter der auflösenden Bedingung, dass im Besserungsfall die Forderung wiederaufleben soll, so ist die Erfüllung der Forderung nach Bedingungseintritt keine verdeckte Gewinnausschüttung. Das setzt indes voraus, dass die Besserungsvereinbarung klar und eindeutig ist (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 30. Mai 1990 I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588).
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
FG München (EFG 2002, 1115) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Ihr alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer war in den Streitjahren 1988 und 1989 R. Dieser erklärte in einer ―in einem schriftlichen Vermerk festgehaltenen― Vereinbarung vom 26. Oktober 1986, teilweise― in Höhe von 3 000 DM― auf sein Geschäftsführergehalt von 3 500 DM zu "verzichten". Die Gehälter, auf die verzichtet wurde, sollten "später zum Teil nachgeholt werden, sobald sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder stabilisieren". Das Wort "verzichtet" war in dem Vermerk handschriftlich durch "gestundet" ersetzt worden. Am 19. Oktober 1989 wurde beschlossen, die Gehälter des R, auf welche dieser seit dem 1. November 1986 teilweise "verzichtet" habe, für 1988 "in den nächsten Monaten" nachzubezahlen und sein Gehalt "ab sofort wieder" auf 3 500 DM "festzusetzen und auszubezahlen". Dies wurde ebenfalls in einem Vermerk festgehalten, dem Vermerk vom 20. Oktober 1989. Erneut war darin das Wort "verzichtet" handschriftlich durch "gestundet" ersetzt worden. Die Nachzahlungen wurden für 1988 in Höhe von insgesamt 41 400 DM sodann ―nach diversen Verrechnungen― in 1989 vollzogen. Die Gehälter für die Monate Januar bis September 1989 in Höhe von 27 000 DM wurden tatsächlich nicht nachbezahlt, sondern bereits laufend monatlich in der im Dienstvertrag ursprünglich festgelegten Höhe von 3 500 DM ausbezahlt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah in den Zahlungen verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), weil der Gesellschafter-Geschäftsführer ursprünglich tatsächlich auf sein Gehalt verzichtet habe. Die rückwirkende Zahlung der Gehälter verstoße gegen das dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer gegenüber bestehende steuerliche Nachzahlungsverbot. Das FA erließ entsprechende Änderungsbescheide.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 1115 abgedruckt.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide ohne Ansatz von vGA in Höhe von 41 400 DM (1988) und von 27 000 DM (1989) festzusetzen bzw. festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (ständige Rechtsprechung des Senats).
Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Das kann aber auch der Fall sein, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter eine an sich für sie günstige Vereinbarung trifft, ein gedachter Fremder aber einer solchen Vereinbarung nicht zugestimmt hätte (Senatsurteile vom 17. Mai 1995 I R 147/93, BFHE 178, 203, BStBl II 1996, 204; vom 19. Mai 1998 I R 36/97, BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689). Ist der begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer ein beherrschender, kann die Vermögensminderung auch dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an den Gesellschafter oder eine diesem nahe stehende Person keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteile vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645, m.w.N.; vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761, m.w.N.).
2. Nach diesen Vorgaben sind die Gehaltszahlungen im Streitfall vGA.
a) Verzichtet ein Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine GmbH (vgl. § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass im Besserungsfall die Forderung rückwirkend wiederaufleben soll (§ 159 BGB), so führt die Erfüllung der Forderung nach Bedingungseintritt allerdings nicht ohne weiteres zu einer vGA. Wie der Senat durch Urteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87 (BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588, 593), in dem es um den Verzicht des Gesellschafters auf eine Darlehensforderung mit Besserungsabrede ging, entschieden hat, steht der steuerrechtlichen Berücksichtigung der sich aus § 159 BGB ergebenden Rechtsfolgen nicht entgegen, dass in Höhe des auflösend bedingten Forderungsverzichts auch zivilrechtlich für die Dauer der Krise Eigenkapital bestand und der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Daran ist festzuhalten. Die Rechtsfolge des Bedingungseintritts besteht gerade darin (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Wirkung des Rechtsgeschäftes (hier: des Forderungsverzichts) endigt. Diese Wirkung kann zulässigerweise mit der Vereinbarung verbunden werden, dass der Bedingungseintritt schuldrechtlich gesehen zurückbezogen werden soll (§ 159 BGB).
b) Von dieser Möglichkeit haben im Streitfall R und die Klägerin Gebrauch gemacht. Nach den tatrichterlichen Feststellungen des FG, die den Senat binden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), hatte R auf das ihm monatlich zustehende Geschäftsführergehalt aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Klägerin zunächst teilweise ―in Höhe von 3 000 DM― verzichtet. Dem Umstand, dass der damalige Steuerberater das Wort "verzichtet" in dem Vermerk über die Vereinbarung vom 26. Oktober 1986 nachträglich mit "gestundet" überschrieben hat, hat das FG nach Vernehmung des Steuerberaters als Zeugen keine Bedeutung beigemessen. Tatsächlich seien die Beteiligten seinerzeit von einem bedingten Gehaltsverzicht ausgegangen und hätten einen solchen gewollt. Davon ist deshalb auszugehen. Der hiernach vorliegende Gehaltsverzicht stand nach den getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen unter dem Vorbehalt einer späteren Nachholung und Wiederaufnahme der Zahlungen bei Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin.
c) Auch das FG hat diesen Vorbehalt als Besserungsvorbehalt verstanden. Es hielt die Abrede indes für nicht hinreichend klar und eindeutig. Der Senat teilt diese Auffassung im Ergebnis.
Nach dem festgestellten Sachverhalt waren die Gehälter nachzuzahlen, "sobald sich die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder stabilisieren", m.a.W., sobald die Ertragslage der Klägerin die Zahlung der Gehälter wieder ermöglichte. Dass der Eintritt einer solchen Besserung bestimmte kaufmännische Einschätzungsfreiräume belässt, liegt in der Natur der Sache und lässt sich nicht von vornherein abschließend verhindern. Gleichwohl kann die Besserungsabrede dem Erfordernis der klaren und eindeutigen Abmachung zwischen der Kapitalgesellschaft und beherrschendem Gesellschafter genügen, solange nur die Abrede ihrerseits klar und eindeutig vorbehalten wurde (vgl. Senatsurteil in BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588, 593 für den Verzicht auf eine Darlehensforderung).
Das setzt aber voraus, dass die Besserungsvereinbarung zwischen den Beteiligten ernsthaft vereinbart wurde und dass kein Zweifel daran besteht, dass bei Wiederaufnahme der Zahlungen der Besserungsfall tatsächlich eingetreten ist. So lagen die Dinge hier aber nicht. Sichtbar wird dies nicht zuletzt an dem Umstand, dass die Klägerin die Monatsgehälter für 1989 bereits vom 1. Januar an und damit vor Beendigung der Jahrsabschlussarbeiten für 1988, die Aufschluss über die "wirtschaftliche Stabilisierung" geben konnten, wieder regelmäßig an R auszahlte, ohne dass hierfür ein ausdrücklicher Gesellschafterbeschluss vorlag. Ein solcher Beschluss wurde erst durch den Vermerk vom 20. Oktober 1989 dokumentiert, wonach die Wiederaufnahme der regulären Gehaltszahlungen aber erst "ab sofort" erfolgen sollte. Die bereits zuvor erfolgte Aufnahme der Zahlungen widerspricht dem. Daran erweist sich, dass die Wiederaufnahme der Zahlungen letztlich in das Belieben der Klägerin gestellt war. Ein fremder Geschäftsführer hätte sich auf eine Besserungsvereinbarung mit derartigen Ungewissheiten und Unwägbarkeiten nicht eingelassen. Ein solcher hätte zumindest die vorherige Festlegung kontinuierlicher Prüfungsintervalle (z.B. durch die Vorlage eines Zwischenstatus) verlangt, um sich Klarheit über die wirtschaftliche Situation seines Arbeitgebers zu verschaffen. Er wäre, worauf das FG zutreffend hinweist, auch nicht mit einem unbegrenzten bedingten Gehaltsverzicht einverstanden und deshalb nicht bereit gewesen, ohne entsprechende zeitliche Festlegungen seinerseits seine Arbeitskraft kontinuierlich zur Verfügung zu stellen.
Auf dieser Grundlage stellen sich sowohl die Gehaltsnachzahlungen für 1988 als auch die wieder aufgenommenen Zahlungen der Gehälter ab Januar 1989 dem Grunde nach und damit in ihrer Gesamtheit als vGA dar.
Fundstellen
Haufe-Index 923913 |
BFH/NV 2003, 824 |
DStRE 2003, 666 |
HFR 2003, 698 |