Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestehenbleiben des Vorbehalts der Nachprüfung; Unterhaltung und Zurverfügungstellung von Gleisanlagen kein Verkehrsbetrieb
Leitsatz (NV)
1. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt bestehen, auch wenn er in einem Berichtigungsbescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird.
2. Die Unterhaltung und Zurverfügungstellung von Gleisanlagen, auf denen Dritte Bahntransporte durchführen, ist kein Verkehrsbetrieb i.S. v. § 117 BewG.
Normenkette
AO 1977 §§ 129, 164; BewG § 117
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat in ihren, in der Form eines Eigenbetriebs geführten Stadtwerken verschiedene städtische Versorgungsbetriebe zusammengefaßt.
Aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses wurden den Stadtwerken die sog. Bahnbetriebe der Stadt angegliedert. Dabei handelt es sich um eine Hafenbahn und eine ca. 7 km Gleislänge umfassende Industriebahn. Ausgehend von Anschlußstellen der Deutschen Bundesbahn (DB) führen die stadteigenen Gleisanlagen zu einzelnen Industrie- und Hafenbetrieben, wo sie in Übergabestellen an firmeneigenen Gleisen der angeschlossenen Betriebe enden. Zugmaschinen irgendwelcher Art, Güterwagen oder Loren gehören der Klägerin nicht. Güterbewegungen auf den städtischen Gleiskörpern werden vielmehr von der Bundesbahn über deren Anschlußstellen zu den angeschlossenen Abnehmerbetrieben mit bundesbahneigenem Fahrzeugpark und Personal durchgeführt. Daneben werden die einzelnen Rangier- und Transportbewegungen von einem städtischen Gleiswärter begleitet, der zu überwachen hat, daß die jeweils zu befahrenden Gleisstrecken frei sind. Ihm obliegt hierfür die Verantwortung. Von seiner ,,Gleisfreimeldung" hängt der Beginn und die Durchführung jeder Fahrt auf den stadteigenen Gleisen ab.
Für ihre Rangier- und Transportleistungen erhebt die Bundesbahn sog. örtliche Gebühren nach Maßgabe ihrer Tarife von den an die Gleisanlagen der Klägerin angeschlossenen Versender- oder Empfängerbetrieben. Daneben fordert auch die Klägerin aufgrund einer Tarifsatzung für jede Zuführung oder Abholung eines beladenen Wagens oder eines Spezialschienenfahrzeugs ein Gleisbenutzungsentgelt von den angeschlossenen Unternehmen. Mit der DB hat die Klägerin zur Regelung des Verkehrs mehrere Verträge geschlossen, die die Herstellung und Unterhaltung der städtischen Gleisanlagen sowie die die Stadt treffenden Verkehrssicherungspflichten und die Kostentragung betreffen. Hinsichtlich der Rangier- und Güterbeförderungsbewegungen auf den städtischen Gleisstrecken ist in den Verträgen geregelt, daß die Bundesbahn den Fahrzeugbetrieb von und bis zu den festgelegten Übergabestellen führt; in allen anderen Fällen führt die Stadt als Anschließerin den Betrieb von der Anschlußgrenze bis zu den Enden der städtischen Gleisanlagen. Die Verträge enthalten auch die Bestimmung, daß die DB ihre Bediensteten und Betriebsmittel der Anschließerin (Klägerin) für die Zustellung und Abholung der Wagen . . . zur Verfügung stellt und insoweit innerhalb der städtischen Strecken im Auftrag der Stadt den Betrieb führt.
In den diesen Vertragswerken gemeinsam zugrunde liegenden ,,Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse" (PAB) vom 1. Januar 1955 ist festgelegt, daß jede Vertragspartei jederzeit unter Einhaltung angemessener Fristen verlangen kann, daß die Betriebsführung ganz oder teilweise vom anderen Vertragspartner übernommen werden muß. Die vertraglich als Auftragsverhältnis ausgestaltete Betriebsführung der DB findet ihre Ergänzung in entsprechenden Haftungsregelungen in § 26 PAB, in denen die Haftung für Schäden aus den Verkehrsvorgängen der Anschließerin auferlegt und insoweit Personal der DB, soweit es auf den Strecken der Anschließerin tätig wird, als deren eigenes zu gelten habe. Deshalb unterhält die Klägerin auch eine eigene Haftpflichtversicherung.
In seinem erstmaligen, gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Vermögensteuerbescheid für 1976 vom 8. September 1978 ließ der Beklagte undRevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) das auf die Industrie- und Hafenbahn anteilig entfallende erklärte Betriebsvermögen in Höhe von . . .DM bei der Ermittlung des Gesamtvermögens gemäß § 117 des Bewertungsgesetzes (BewG) außer Ansatz.
Dieser Bescheid wurde gemäß § 129 AO 1977 mit Bescheid vom 30. Oktober 1978 berichtigt. Dieser Bescheid enthält den Nachprüfungsvorbehalt nicht ausdrücklich; in den Erläuterungen ist lediglich ausgeführt, daß er an die Stelle des Bescheids vom 8. September 1978 trete.
In der Folgezeit änderte die Klägerin auf entsprechenden Hinweis des FA ihre Vermögensaufstellung ab; das auf die Industrie- und Hafenbahn entfallende anteilige Betriebsvermögen wurde darin noch mit . . . DM ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1980 betr. die Vermögensteuer 1974, 1975 und 1976 kürzte das FA die bisher (aus verschiedenen Rechtsgründen) steuerfrei belassenen Anteile des Betriebsvermögens und hielt den Vorbehalt der Nachprüfung nur noch beschränkt auf die Jahre 1974 und 1975 aufrecht.
Einspruch und Klage blieben im wesentlichen erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, der angefochtene Steuerbescheid sei gerechtfertigt, da die Klägerin keinen ,,Verkehrsbetrieb" i.S. des § 117 Abs. 1 Nr. 2 BewG, in der im Streitjahr geltenden Fassung (a.F.), betreibe. Es fehle eine Tätigkeit, die der Raumüberwindung von Personen und/oder Gütern diene.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, vom Gesamtvermögen weitere . . . DM außer Ansatz zu lassen und die Vermögensteuer entsprechend herabzusetzen.
Ihrer Ansicht nach ist die Zurverfügungstellung von technischen Einrichtungen, die das ,,Rollen des Gutes" ermöglichen, eine der Raumüberwindung dienende Tätigkeit und damit ein ,,Verkehrsbetrieb" i.S. des § 117 BewG a.F.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG den angefochtenen Vermögensteueränderungsbescheid zum 1. Januar 1976 vom 13. Oktober 1980 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung bestätigt.
1. Eine Änderung des Steuerbescheids war zulässig, obwohl der Berichtigungsbescheid vom 30. Oktober 1978 den Vorbehalt der Nachprüfung nicht ausdrücklich wiederholte. Ein nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ausgesprochener Vorbehalt der Nachprüfung bleibt - vorbehaltlich des Ablaufs der Festsetzungsfrist - solange wirksam, bis der Vorbehalt ausdrücklich aufgehoben wird. Der Vorbehalt bleibt auch dann bestehen, wenn er im Fall einer Änderung des ursprünglichen Bescheids durch einen weiteren Bescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Mai 1990 VIII R 20/86, BFH/NV 1991, 219; vom 16. Oktober 1984 VIII R 162/80, BFHE 143, 299, BStBl II 1985, 448). Erst recht gilt dies für einen Berichtigungsbescheid nach § 129 AO 1977, der den materiellen Bestand des zu berichtigenden Verwaltungsakts unberührt läßt (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293).
2. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß der Klägerin die Steuervergünstigung nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 BewG a.F. zu versagen ist, da die von ihr unterhaltenen Gleisanlagen keinen Verkehrsbetrieb im Sinne dieser Vorschrift darstellen.
Verkehrsbetriebe sind Unternehmen, die gewerbsmäßig Personen oder Güter befördern. Die vom Betreiber erbrachten Leistungen müssen dabei selbst als Beförderungsleistungen zu qualifizieren sein. Die bloße Unterstützung oder auch Ermöglichung von dritter Seite erbrachter Beförderungen erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Verkehrsbetriebs. Die Abgrenzung zwischen eigentlichen Beförderungsleistungen und Leistungen, die diese nur unterstützen bzw. ermöglichen, mag im Grenzbereich schwierig sein. Die Zurverfügungstellung von Verkehrswegen (z.B. Straßen, Wasserstraßen, Schienen) stellt jedenfalls für sich gesehen keine Beförderungsleistung dar und begründet damit keinen Verkehrsbetrieb, wenngleich dies nicht ausschließt, daß derartige Anlagen als solche dem öffentlichen Verkehr dienen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 187/85, BFHE 159, 52, BStBl II 1990, 242). Die Unterhaltung und Zurverfügungstellung von Gleisanlagen, auf denen - wie im Streitfall - Dritte Bahntransporte durchführen, ist daher selbst kein Verkehrsbetrieb. An diesem Ergebnis ändert es nichts, wenn - wie im Streitfall - der Unterhalter der Gleisanlagen in Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflicht für auf seinen Gleisanlagen durchgeführte Bahnverkehre eigenes Personal besitzt, das mit dem eigentlichen Zugpersonal zusammenarbeitet. Auch der Haftung des Gleisanlagenbetreibers für auf seinen Anlagen durchgeführte Transporte kommt insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Beförderungsleistungen können allerdings grundsätzlich auch dadurch erbracht werden - und damit ein Verkehrsbetrieb vorliegen -, daß der Betreiber sich dazu (teilweise) selbständiger anderer Unternehmen bedient, die insoweit in seinem Auftrag tätig werden. Voraussetzung ist jedoch notwendigerweise, daß der Betreiber nach außen als der eigentliche Anbieter der Beförderungsleistungen auftritt und intern die Organisationsgewalt (z.B. für Art, Umfang, Zeitablauf der Transporte) für deren Durchführung behält. Diese Voraussetzung wird von der Klägerin nach den - mit keiner Verfahrensrüge angegriffenen und für den Senat bindenden - Sachverhaltsfeststellungen des FG nicht erfüllt. Die Güterverkehrsverträge mit den Auftraggebern werden nach außen von der DB abgeschlossen. Diese erhebt dafür im eigenen Namen von den Auftraggebern ein nach ihren Tarifen berechnetes Entgelt. Die Klägerin erhebt dagegen von den Auftraggebern nur ein Entgelt für die Benutzung der Gleisanlagen, nicht aber für die eigentliche Transportleistung selbst. Das Entgelt wird somit nicht gewährt für Beförderungsleistungen, wie sie für einen Verkehrsbetrieb charakteristisch sind. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, ob dieses Entgelt auf privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Grundlage (Gebühr) erhoben wird. Die vertraglichen Abreden zwischen der Klägerin und der Bundesbahn führen insgesamt nicht dazu, daß die Bundesbahn als in einen der Güterbeförderung dienenden Betrieb der Klägerin eingegliedert angesehen werden kann.
Danach unterhält die Klägerin zwar insoweit keinen Verkehrsbetrieb, ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Bahnanlagen gehen jedoch über eine bloße Vermögensverwaltung hinaus. Dies folgt bereits daraus, daß jede Benutzung der Gleisanlagen einzeln abgerechnet wird und die Klägerin - wenn auch nur mittelbar und unterstützend - auch bei der Durchführung der Transporte mitwirkt.
Der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Reichsgerichts in Zivilsachen vom 17. März 1879 Rep I 23/80 (RGZ 1, 247) in einer Haftpflichtsache und das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. November 1962 2 RU 248/58 (SozR Nr. 3 zu RAM-Fr. Allgem. vom 16. März 1942) in einer sozialversicherungsrechtlichen Sache führt zu keinem anderen Ergebnis, da die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht vergleichbar sind.
Fundstellen