Leitsatz (amtlich)
Wird ein häusliches Arbeitszimmer von einer verheirateten Lehrerin beruflich genutzt, so stellt das Durchqueren des Raumes, um in das eheliche Schlafzimmer zu gelangen, in der Regel eine private Mitbenutzung von nur untergeordneter Bedeutung dar.
Orientierungssatz
Der Senat hält an den Grundsätzen der Entscheidung vom 18.10.1983 VI R 180/82 fest, wonach Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dann nicht als Werbungskosten abziehbar sind, wenn das Arbeitszimmer durchquert werden muß, um andere privat benutzte Räume der Wohnung zu erreichen.
Normenkette
EStG 1979 § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Für die kinderlos verheirateten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurde ein gemeinsamer Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr 1980 durchgeführt. Die Klägerin war in der Zeit vom 1.Januar bis 30.Oktober 1980 als Lehreranwärterin und ab 1.November 1980 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis tätig. Sie machte bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die anteilig auf das von ihr allein genutzte Arbeitszimmer entfallenden Mietaufwendungen als Werbungskosten geltend. Diese Kosten wurden vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) nicht anerkannt, weil das Arbeitszimmer als Durchgangszimmer zum ehelichen Schlafzimmer dient. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die im Durchgang zum Schlafzimmer liegende private Mitbenutzung des Arbeitszimmers sei nicht schädlich, da sie von unwesentlicher Bedeutung sei. Bei einem kinderlosen Ehepaar falle die Durchquerung des Arbeitszimmers zwecks Erreichung des Schlafzimmers nicht ins Gewicht.
Das FA legte gegen das Urteil Revision ein. Es rügt die Verletzung des Einkommensteuergesetzes (EStG) und führt aus, nach dem Urteil vom 18.Oktober 1983 VI R 180/82 (BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110) liege eine schädliche private Mitbenutzung vor, wenn es sich beim Arbeitszimmer um ein Durchgangszimmer, also um einen Raum handele, der durchquert werden müsse, um andere privat genutzte Räume der Wohnung zu erreichen. Die private Mitbenutzung sei dann von nicht untergeordneter Bedeutung. Das treffe auch auf den Streitfall zu; denn das Schlafzimmer der Kläger könne nur durch das Arbeitszimmer der Klägerin erreicht werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Denn das FG hat ohne Rechtsverstoß die Aufwendungen für das von der Klägerin beruflich genutzte Arbeitszimmer als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer werden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt, wenn dieses Zimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird.
Nach dem Urteil des IV.Senats des BFH vom 28.Oktober 1964 IV 168/63 S (BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16) kommt es bei der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellung, ob ein Raum der Wohnung beruflich oder privat genutzt wird, auf alle Umstände des Einzelfalles an. Da der Umfang der in der Vergangenheit liegenden Nutzung eines Raums meistens nicht mehr unmittelbar feststellbar ist, müssen in der Regel aus den objektiven Gegebenheiten des Falls auf die Art der Benutzung in der Vergangenheit entsprechende Schlüsse gezogen werden. Dabei ist eine gewisse Typisierung nicht zu vermeiden. Ausreichende tatsächliche Feststellungen zu dieser Frage müssen nach dieser Entscheidung im allgemeinen fünf, dort näher bezeichnete Gesichtspunkte berücksichtigen.
Diesen Erwägungen des IV.Senats des BFH hat sich der erkennende Senat angeschlossen. Wie er insbesondere im Urteil in BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110 hervorgehoben hat, ist die Frage, ob ein Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird, entsprechend dem vorgenannten Urteil auch nach dem Beweisanzeichen zu entscheiden, ob das Arbeitszimmer von den Privaträumen getrennt liegt. So hat der Senat in seinem dort zitierten, nicht zur Veröffentlichung bestimmten Teil des Urteils vom 28.Oktober 1977 VI R 194/74 die Anerkennung eines Arbeitszimmers abgelehnt, weil es nicht durch eine Tür abgeschlossen und dadurch nicht gewährleistet war, daß das Arbeitszimmer getrennt vom Wohnzimmer genutzt werden kann.
Der Senat führte in seiner Entscheidung in BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110 ferner aus, daß ähnliche Erwägungen dazu führten, bei einem Arbeitszimmer eine schädliche private Mitbenutzung grundsätzlich dann anzunehmen, wenn es sich bei dem Zimmer um ein Durchgangszimmer, also um ein Zimmer handele, das durchquert werden müsse, um andere private benutzte Räume der Wohnung zu erreichen, weil es die einzige Verbindung zu diesen Räumen herstelle. Die Entscheidung betraf einen Fall, in dem der Kläger nur durch das Arbeitszimmer die übrigen Räume seiner Wohnung, nämlich Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad, erreichen konnte. Bei solchen Umständen könne man --wie der Senat betonte-- nicht davon ausgehen, daß eine private Mitbenutzung von nur untergeordneter Bedeutung vorliege. Eine andere Auffassung sei schon deshalb nicht vertretbar, weil sie dazu führen würde, auch einen Flur als häusliches Arbeitszimmer anzuerkennen, wenn er zugleich als "Arbeitszimmer" benutzt würde. An den Grundsätzen dieser Entscheidung hält der Senat fest.
Entgegen der Ansicht des FA ist dieses Urteil jedoch für die Entscheidung des Streitfalls nicht einschlägig, da es sich hier um einen anderen Sachverhalt handelt. Im Streitfall wurde nämlich das Arbeitszimmer der Klägerin nur als Durchgang zu einem Raum, nämlich zum Schlafzimmer, benutzt. In einem solchen Fall ist entsprechend den Grundsätzen des Senats in der Entscheidung vom 26.April 1985 VI R 68/82 (BFHE 144, 31, BStBl II 1985, 467) nach den Umständen des Einzelfalls zu gewichten, ob der Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird.
Das FG ist im Streitfall davon ausgegangen, daß der Durchgang durch das Arbeitszimmer ins Schlafzimmer eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers von nur untergeordneter Bedeutung darstellt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist in der Regel anzunehmen, daß im Lehrberuf tätige Personen je nach Fachgebiet zur Vorbereitung auf den Unterricht und zum Durchsehen von Klassenarbeiten der Schüler im besonderen Maße darauf angewiesen sind, zu Hause zu arbeiten. Das FG konnte daher ohne Rechtsverstoß das Durchqueren des Arbeitszimmers durch die Eheleute, um das Schlafzimmer aufzusuchen, im Verhältnis zur intensiven beruflichen Nutzung des Arbeitszimmers durch die Klägerin als einen Umstand von untergeordneter Bedeutung würdigen. Da das Arbeitszimmer mithin steuerlich anzuerkennen war, hat das FG die anteiligen Kosten dieses Raums zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 62433 |
BFH/NV 1988, 2 |
BStBl II 1988, 1000 |
BFHE 154, 128 |
BFHE 1989, 128 |
BB 1988, 2158-2158 (LT1) |
DB 1988, 2338-2339 (LT) |
DStZ 1989, 74 (KT) |
HFR 1989, 81 (LT) |