Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht mit Gründen versehene Vorentscheidung
Leitsatz (NV)
Die Vorentscheidung ist "nicht mit Gründen versehen", wenn sie die streitige und entscheidungserhebliche Frage der Höhe der Abgaben nicht vollständig behandelt.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6
Tatbestand
Das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) setzte gegen den Kläger und Revisionskläger (Kläger) Eingangsabgaben in Höhe von zuletzt ... DM fest (Bescheide vom 18. Dezember 1990 und 14. April 1993; Einspruchsentscheidung vom 20. November 1992), weil es davon ausging, daß der Kläger von Januar 1988 bis Oktober 1990 bei einer Tätigkeit als Kurierfahrer Zigaretten in einem entsprechenden Umfang aus Polen eingeschmuggelt habe. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es führte aus, die der Besteuerung zugrunde gelegte Zigarettenmenge und die Zahl der Einreisen des Klägers seien zutreffend ermittelt worden; die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers griffen nicht durch.
Mit der -- nicht zugelassenen -- Revision rügt der Kläger u. a., die Vorentscheidung sei nicht mit Gründen versehen. Das gelte in erster Linie in Hinblick darauf, daß das Urteil keinerlei Ausführungen zu der Frage enthalte, ob der Abgabenbetrag pro Zigarette vom HZA zutreffend berechnet worden sei. Eine entsprechende Würdigung sei jedoch veranlaßt gewesen, denn in der Klagebegründung sei dargetan worden, daß die Berechnung nicht zutreffen könne.
Das HZA macht Ausführungen zu der Frage, wie es den Zollwert der eingeführten Zigaretten ermittelt hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulassungsfrei statthaft. Der Kläger hat mit seinem vorstehend wiedergegebenen Vorbringen schlüssig gerügt, daß die Vorentscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Dem Vortrag des Klägers zufolge fehlen in der Vorentscheidung Ausführungen zur Höhe der Steuer insoweit, als es um den Abgabenbetrag pro Zigarette geht. Damit mangelt es an einer (vollständigen) Auseinandersetzung mit der streitigen Frage der Höhe der Abgaben, auf die es für die Entscheidung ankam. Dieser Mangel erfüllt den Tat bestand von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 116 Anm. 2, § 119 Anm. 25; Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 492).
Die (auch im übrigen zulässige) Revision ist begründet.
Die Urteilsgründe enthalten tatsächlich keine entsprechenden Ausführungen. In Hinblick hierauf ist ohne weiteres anzunehmen, daß das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 119 Nr. 6 FGO). Anders könnte es sich nur verhalten, wenn die Frage der Abgabenhöhe je Zigarette (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig gewesen wäre, nachdem das HZA sich dazu geäußert hatte (Schriftsatz vom 15. April 1993). Von einer unstreitig gewordenen und damit ggf. nicht mehr begründungsbedürftigen Bewertung durfte jedoch nicht ausgegangen werden, nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls erklärt hatte, es könne nicht als nachgewiesen angesehen werden, was das HZA der Steuerberechnung zugrunde gelegt habe. Zu diesem Punkt enthält die Vorentscheidung keine auch nur ansatzweise Begründung. Die Folgerung, die Besteuerung sei "zu Recht in der fraglichen Höhe" erfolgt, leitet sich allein aus der für festgestellt erachteten Anzahl der Einreisen und damit der Menge an eingeführten Zigaretten ab. Einwendungen gegen die Höhe der Steuer sind damit nicht erledigt. Die Ausführungen des HZA vermögen die fehlende gerichtliche Würdigung nicht zu ersetzen.
Da das übergangene Angriffsmittel auch nicht als ungeeignet anzusehen ist, kann die Vorentscheidung hiernach keinen Bestand haben. Sie ist, unter Zurückverweisung der nicht entscheidungsreifen Sache an die Vorinstanz, aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Mit der Aufhebung der Vorentscheidung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger neben der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ...
Fundstellen