Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifermäßigung bei Abfindung unter Einbeziehung laufender Tantiemeansprüche
Leitsatz (NV)
Wird ein Anstellungsverhältnis zum Jahresende gekündigt und erfolgt zur Abgeltung künftiger Ansprüche eine Pauschalabfindung, mit der auch ein Tantiemeanspruch für das Jahr der Kündigung abgegolten wird, so ist der - ggf im Wege der Schätzung zu ermittelnde - Teil, der auf die Tantieme entfällt, nicht ermäßigt zu besteuern.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger bezog im Streitjahr als Geschäftsführer der Firma A GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihm standen aufgrund des auf unbestimmte Dauer geschlossenen Anstellungsvertrages neben 13 Monatsgehältern u. a. eine vom Gewinn abhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe von 6 v. H. des Handelsbilanzgewinns der GmbH zu. Des weiteren war eine Altersversorgung vereinbart und eine Regelung für den Fall vorübergehender Verhinderung durch Krankheit oder andere Ursachen getroffen worden. Eine Kündigung des Anstellungsvertrages war nur aus wichtigem Grund vorgesehen. Als wichtig in diesem Sinne sollten insbesondere die in § 38 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) aufgeführten Gründe gelten.
Im Verlaufe des Streitjahres kam es zwischen dem Kläger und dem Hauptgesellschafter der GmbH zu Meinungsverschiedenheiten, die dazu führten, daß der Kläger ab Oktober beurlaubt wurde. Mit Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 18. Dezember wurde der Kläger zum 31. Dezember als Geschäftsführer der GmbH abberufen. Des weiteren wurde am 18. Dezember des Streitjahres zwischen dem Kläger und der GmbH schriftlich vereinbart, (1.) daß der Anstellungsvertrag mit Wirkung zum 31. Dezember auf Veranlassung der GmbH und aufgrund des vorgenannten Gesellschafterbeschlusses aufgehoben und beendigt sei, (2.) daß dem Kläger zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche einschließlich möglicher Ansprüche aus Tantiemen, Urlaub, Urlaubsentgelt, erdienter Versorgungsansprüche sowie sonstiger Ansprüche eine pauschale Abfindung in Höhe von 300 000 DM gewährt werde und (3.), daß diese Abfindung zum 31. Dezember in Höhe von 200 000 DM in bar und im übrigen durch Verrechnung über ein Konto des Klägers bei der GmbH zur Begleichung von Steuerabzügen erfolgen solle. Der Abfindungvertrag wurde vereinbarungsgemäß durchgeführt.
Die Kläger erklärten für das Streitjahr Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 500 000 DM und beantragten, hiervon einen Teilbetrag in Höhe von 300 000 DM gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Dem entsprach der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zunächst. Anläßlich einer Betriebsprüfung bei der GmbH stellte der Prüfer fest, daß mit dem Abfindungsbetrag in Höhe von 300 000 DM auch der Tantiemeanspruch des Klägers für das Streitjahr abgegolten worden sei, der dem Kläger nach seinem Anstellungsvertrag in Höhe von 72 000 DM (6 v. H. aus einem Gewinn von 1 200 000 DM) zugestanden habe. Für diesen Anspruch könne eine Steuerermäßigung nicht gewährt werden. Dem folgend versagte das FA mit Berichtigungsbescheid vom 23. März 19. . den ermäßigten Steuersatz für den auf die Tantieme in Höhe von 72 000 DM entfallenden Teil der Abfindung. Gleichzeitig berücksichtigte es erstmals einen nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfreien Betrag von 24 000 DM.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage lediglich in geringem Umfang statt. Es ging - im Einvernehmen mit den Beteiligten - von einem Handelsbilanzgewinn der GmbH von 1 100 000 DM und dementsprechend nur noch von einem Tantiemeanspruch des Klägers in Höhe von 66 000 DM aus. Von der sich daraus ergebenden betragsmäßigen Einschränkung abgesehen, hielt das FG eine Steuerermäßigung hinsichtlich der Tantieme nicht für gerechtfertigt. Zwar sei die Auflösung des Dienstverhältnisses und die dadurch ausgelöste Abfindung durch den Arbeitgeber veranlaßt gewesen. Die Zahlung der Tantieme beruhe jedoch nicht auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage, sondern sei in Erfüllung eines durch den Anstellungsvertrag begründeten Anspruchs erfolgt. Die Vertragsparteien hätten das Arbeitsverhältnis des Klägers arbeitsrechtlich wirksam erst zum 31. Dezember beendet, weshalb noch bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Anstellungsvertrages Ansprüche des Klägers hätten entstehen können. Zu diesen zähle auch der Anspruch auf gewinnabhängige Vergütung. Er sei dem Grunde nach mit Ablauf des Kalenderjahres entstanden. Daß die Höhe im Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung noch nicht festgestanden habe, ändere hieran nichts. Die Beurlaubung des Klägers habe auf den Tantiemeanspruch ebenfalls keine Auswirkung gehabt, zumal dem Kläger nach § 5 des Anstellungsvertrages seine Bezüge trotz vorübergehender Verhinderung unverändert verbleiben sollten. Auch die Beteiligten der Vereinbarung vom 18. Dezember seien von einem bestehenden Tantiemeanspruch des Klägers ausgegangen, was durch die ausdrückliche Aufnahme der Tantieme in den Vertragstext belegt werde. Einzuräumen sei lediglich, daß die Abfindungsvereinbarung die Behebung von Unsicherheiten über den Fortbestand von Vertragsansprüchen bezweckt habe. In Höhe der strittigen Tantieme habe sie jedoch nicht dem Ausgleich eines in Gestalt entgehender Einnahmen entstehenden Schadens gedient, sondern der Abgeltung bereits entstandener Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen vor, der Tantiemeanspruch habe - seiner Natur entsprechend - erst mit Feststellung des Handelsbilanzgewinnes entstehen können. Es habe sich nicht um einen am Ende des Streitjahres bereits erdienten Anspruch gehandelt, bei dem lediglich die Zahlungsmodalitäten ungewiß gewesen seien. Bei Zugrundelegung einer bestimmten Tantieme zum Jahresende hätte für den Fall eines geringeren Gewinns oder eines Verlustes ein Rückforderungsanspruch der GmbH bestanden. Ein solcher sei aber ausgeschlossen gewesen, da die gegenseitigen Ansprüche zwischen den Beteiligten des Dienstverhältnisses in der Abfindungsvereinbarung abschließend geregelt worden seien. Dementsprechend sei die Tantieme im Rahmen der Abfindungsvereinbarung auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt worden, in der sowohl Ungewißheiten hinsichtlich der Höhe des Gewinns als auch der Umstand Beachtung gefunden habe, daß er, der Kläger, wegen seiner Beurlaubung ab Oktober an der Ergebniserzielung der GmbH nicht mehr beteiligt gewesen sei. Der diesbezügliche Hinweis des FG auf die Gehaltsfortzahlungsklausel in § 5 des Anstellungsvertrages gehe fehl, da dort keine Regelung für den Fall der Aufhebung des Anstellungsvertrages getroffen worden sei. Wenn aber von einem bereits zum Ende des Streitjahres verdienten Anspruch auszugehen sein sollte, müßte der Tatsache, daß die Tantieme für dieses Jahr erst Mitte des folgenden Jahres fällig geworden wäre, durch Abzinsung Rechnung getragen werden. Im übrigen müsse die Tantieme schon deshalb das rechtliche Schicksal der restlichen Abfindung teilen, weil ein Pauschalbetrag vereinbart worden sei, während eine Aufteilung eine Bewertung sämtlicher Einzelansprüche voraussetze. Schließlich sei die Entscheidung des FG nicht konsequent: Mit der Abfindung seien nämlich andere bereits verdiente Ansprüche abgegolten worden, wie z. B. auf Versorgungsleistungen und weitere Tantiemen, auf die zwar grundsätzlich ein Rechtsanspruch, aber noch kein Zahlungsanspruch bestanden habe. Sofern Abfindungen für bereits entstandene, aber noch nicht fällige Gehaltsansprüche nicht als Entschädigung anzusehen sein sollten, könne dies, wie die Rechtsprechung zu den Pensionsansprüchen zeige, nur für laufende, nicht unter einer Bedingung stehende Ansprüche gelten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG werden außergewöhnliche Einkünfte auf Antrag einem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Als außergewöhnliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind (§ 24 Nr. 1a EStG).
1. Entschädigungen im obigen Sinne sind nur solche Zahlungen, die als Ersatz für Einnahmen geleistet werden, die entweder entgangen sind oder noch entgehen, und die nunmehr an deren Stelle treten. Zahlungen, die nicht für weggefallene Einnahmen erbracht werden, sondern bürgerlich-rechtliche Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, zählen nicht zu den Entschädigungen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, BStBl II 1981, 6). Das gilt auch, wenn aus einem derartigen Rechtsverhältnis abgeleitete Erfüllungsansprüche streitig sind und die Vertragsparteien den Streit im Wege des Vergleichs beilegen (BFH-Urteil vom 25. März 1975 VIII R 183/73, BFHE 115, 472, BStBl II 1975, 634). Mithin muß für die Annahme einer Entschädigung die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen, während es nicht ausreicht, wenn die bisherige vertragliche Basis bestehengeblieben ist und sich nur Zahlungsmodalitäten geändert haben (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 16. April 1980 VI R 86/77, BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393). Dabei ist für die Frage, ab wann vertragliche Ansprüche nicht mehr auf der alten Rechtsgrundlage entstehen können, von dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Dienstverhältnis wirksam beendet haben (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1981 III R 133/78, BFHE 135, 66, BStBl II 1982, 305 m. w. N.) Werden in einer Abfindungsvereinbarung neben Entschädigungen für künftig entgehende Einnahmen auch Zahlungen einbezogen, die bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zustanden, so sind diese, selbst wenn sie noch nicht fällig sein sollten, als nicht tarifermäßigte Einnahmen von den Entschädigungen zu trennen (Schmidt / Seeger, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 24 Anm. 4a; v. Bornhaupt, Betriebs-Berater - BB - Beilage 7/1980 unter III. 2. b, aa und bb).
2. Im Streitfall ist die Würdigung des FG, daß im Abfindungsbetrag ein noch auf dem Dienstverhältnis beruhender und deshalb nicht begünstigter Tantiemeanspruch in Höhe von 66 000 DM enthalten gewesen sei, nicht zu beanstanden.
a) Der streitige Anspruch beruhte dem Grunde nach nicht auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage.
Dem Kläger stand nach dem Anstellungsvertrag für das Streitjahr eine Tantieme in Höhe von 6 v. H. des am Jahresende bereits erwirtschafteten, wenn auch noch nicht betragsmäßig bekannten Bilanzgewinns der GmbH zu. Es kann dahinstehen, ob dieser Anspruch schon am 31. Dezember des Streitjahres oder erst mit seiner Fälligkeit (vgl. hierzu Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 3. Juni 1958 2 AZR 406/55, BAGE 5, 317) entstanden ist. Denn jedenfalls beruhte die Zahlung der Tantieme für das Streitjahr - anders als die Entschädigungen für entgangene Tantiemen der Folgejahre oder für andere durch die Aufhebung des Anstellungsvertrages weggefallene Einnahmen - noch auf dem Anstellungsvertrag.
Daß der Anspruch auf Beteiligung am Jahresgewinn, ungeachtet seiner Fälligkeit, bei einem bis zum 31. Dezember bestehenden Anstellungsvertrag bereits durch diesen wirtschaftlich verdient ist, wird insbesondere dann deutlich, wenn der Anstellungsvertrag - etwa aufgrund einer Befristung oder seiner ordnungsgemäßen Kündigung zum Jahresende - ausläuft und zusätzliche Vereinbarungen nicht getroffen werden. Der Tantiemeanspruch wird durch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht berührt. Es fallen dadurch keine Einnahmen weg, die einer Regelung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage bedürften. Werden gleichwohl deshalb Absprachen getroffen, weil im Vergleichswege ein Streit über die Bemessungsgrundlage der Tantieme beigelegt oder wegen der Vorverlegung der Fälligkeit eine Abzinsung vereinbart wird (vgl. dazu unter 2b), so werden nur die Zahlungsmodalitäten eines auf der bisherigen Rechtsgrundlage zu erfüllenden Anspruchs geregelt. Eine tarifbegünstigte Entschädigung über weggefallene Einnahmen liegt deshalb nicht vor.
b) Auch die gegen die Höhe des nichtbegünstigten Betrags erhobenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.
Einer Aufteilung des in der Vereinbarung vom 18. Dezember enthaltenen Abfindungsbetrages von 300 000 DM in einen tarifbegünstigten und einen regelbesteuerten Betrag stand nicht entgegen, daß - wie die Kläger behaupten - ein einheitlicher Pauschbetrag festgesetzt worden sei. In der Abfindungsvereinbarung sind verschiedene Ansprüche, nämlich aus ,,Tantiemen, Urlaub, Urlaubsentgelt, erdiente Versorgungsansprüche, sowie sonstige Ansprüche - gleich welcher Art - aus dem Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis" geregelt worden. Weil zu diesen Ansprüchen unstreitig der noch auf dem Anstellungsvertrag beruhende und, wie oben ausgeführt wurde, deshalb nicht tarifermäßigte Anspruch auf Tantieme gehörte, war dieser auszuscheiden. Da der Kläger der ausdrücklichen Aufforderung des Berichterstatters des FG nicht nachgekommen ist, die Ermittlung des Gesamtbetrages von 300 000 DM durch die Parteien des Dienstvertrages darzulegen, mußte das FG den auf die Tantieme für das Streitjahr entfallenden Teil schätzen. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, daß die Vertragsparteien als Bemessungsgrundlage den Jahresgewinn der GmbH und jedenfalls keinen geringeren Bilanzgewinn als den später ausgewiesenen zugrunde gelegt haben.
Dem Kläger stand die Tantieme ungeachtet seiner Beurlaubung ab Oktober nach dem Dienstvertrag für das ganze Streitjahr zu. Zwar wird, insbesondere bei Ergebnisbeteiligung der gesamten Belegschaft, sofern ein Arbeitnehmer nur in einem Teil des Berechnungszeitraums tätig war, die Annahme einer auch nur zeitanteiligen Gewinnbeteiligung naheliegen (vgl. § 9 Abs. 3c des Vierten Vermögensbildungsgesetzes - 4. VermBG -). Im Streitfall gaben indessen weder der Dienstvertrag noch die Abfindungsvereinbarung zu einer derartigen Auslegung Anlaß. Vielmehr sollten nach § 5 des Anstellungsvertrages dem Kläger für den Fall, daß er an der Ausübung seiner Tätigkeit vorübergehend verhindert ist, alle in § 4 dieses Vertrages genannten Bezüge, also neben laufendem Gehalt und Weihnachtsgratifikation auch die gewinnabhängigen Vergütungen bis zur Dauer von zwei Jahren verbleiben. Hiervon sind auch die Beteiligten in der Abfindungsvereinbarung ausgegangen, was dem Umstand entnommen werden kann, daß der Anstellungsvertrag trotz der ausdrücklich angesprochenen Beurlaubung erst zum 31. Dezember aufgehoben und für die Zeit der Beurlaubung nicht zwischen einzelnen Ansprüchen aus dem Anstellungsvertrag differenziert worden ist.
Die erstmals im Revisionsverfahren aufgestellte Behauptung, die GmbH habe den Einwand erhoben, der Tantiemeanspruch für das Streitjahr habe dem Kläger wegen seiner Beurlaubung nicht oder zumindest nicht in voller Höhe zugestanden, ist neu. Insofern unterbliebene Feststellungen können nicht berücksichtigt werden, weil zulässige und begründete Revisionsrügen hierzu nicht vorgebracht wurden. Ebensowenig war aus Rechtsgründen von einem, wegen der Vorverlegung der Fälligkeit abgezinsten Betrag auszugehen. Etwas anderes würde gelten, wenn die Vertragsbeteiligten tatsächlich eine derartige Abzinsung vereinbart hätten. Das ist jedoch nie behauptet worden. Für das FG bestand deshalb für eine solche Annahme auch kein Anlaß.
Fundstellen