Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachliche Verflechtung bei Betriebsaufspaltung
Leitsatz (NV)
Eine sachliche Verflechtung im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung liegt bei Nutzung eines Gebäudes bereits dann vor, wenn der Betrieb der Betriebsgesellschaft ein Gebäude dieser Art benötigt, das Gebäude für den Betriebszweck geeignet ist und es die räumliche und funktionale Grundlage des Betriebs bildet. Mietet der Geschäftsführer einer GmbH ein Gebäude zu diesem Zweck an, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass es für den Betrieb erforderlich ist.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―Eheleute― erwarben im Mai 1992 ein Zweifamilienhaus mit Nebengebäude, einem weiteren Gebäude sowie Garagen und Lagerräumen. Sie überließen dieses Grundstück zur Nutzung an eine Heizungsbau-GmbH, an der sie mit 90 v.H. bzw. 10 v.H. des Stammkapitals beteiligt waren.
Die GmbH richtete in dem Nebengebäude eine Werkstatt ein. Die Lagerräume dienten dazu, die für den Betrieb der GmbH benötigten Heizungsanlagen unterzustellen, bevor sie zu den jeweiligen Baustellen verbracht wurden. Diese Räume und die vorhandenen Büro- und Sanitärräume nutzte die GmbH teilweise bereits ab April 1992 und zunächst unentgeltlich, ab 1993 bis Mitte 1994 gegen Zahlung eines Mietentgelts. Umbaumaßnahmen wurden auf dem Grundstück weder vor noch nach der Nutzung durch die GmbH durchgeführt.
Die Kläger erklärten zunächst ab 1993 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; nach einer Außenprüfung vertraten sie jedoch im Einspruchsverfahren gegen die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) erlassenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide die Ansicht, es habe von 1992 bis 1994 eine Betriebsaufspaltung vorgelegen. Dementsprechend hätten sie für die Streitjahre 1992 und 1993 Anspruch auf eine Sonderabschreibung nach § 3 des Fördergebietsgesetzes (FöGbG) und eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Besitzgesellschaft.
Das FA lehnte den Antrag auf Erlass eines Bescheids über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte mit negativem Feststellungsbescheid vom 24. September 1997 ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Kläger keinerlei Umbaumaßnahmen am Grundstück vorgenommen oder dieses anderweitig für die Zwecke des Betriebs der GmbH hergerichtet hätten. Die Räume seien für den Betrieb der GmbH auch nicht unabdingbar gewesen; denn die wesentlichen Arbeiten eines Installateurbetriebs würden an den jeweiligen Baustellen ausgeführt. Im Übrigen hätten die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erst ab dem Jahr 1993 erzielt.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―; § 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung ―AO 1977―).
Sie beantragen, das Urteil des FG sowie die negativen Feststellungsbescheide für 1992 und 1993 vom 24. September 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. September 1998 aufzuheben und das FA zu verpflichten, unter Berücksichtigung weiterer Abschreibungsbeträge nach dem FöGbG in Höhe von 110 000 DM (1992) und 357 DM (1993) eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb durchzuführen und die Einkünfte den Klägern je zur Hälfte zuzurechnen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FA ist verpflichtet, die Einkünfte der Kläger einheitlich und gesondert festzustellen (§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977). Die Kläger erzielen als Gesellschafter einer Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu der von ihnen beherrschten GmbH gemeinschaftlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG).
1. Der Streitfall entspricht im Wesentlichen dem Sachverhalt, über den der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 26. Mai 1993 X R 78/91 (BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718) zu entscheiden hatte. Der BFH hat dort für ein Bedachungsgeschäft und eine Bauklempnerei ausgeführt (unter 3. der Gründe), dass die GmbH Betriebsgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sei, weil sie auf das von ihr angemietete Grundstück mit Gebäuden (Büro-, Werkstatt- und Lagergebäude) angewiesen gewesen sei. Es genüge, dass für die Geräte und Materialien eine einfache Unterstell- und Lagermöglichkeit vorhanden sei, mögen sie auch hauptsächlich auf Baustellen eingesetzt und verwendet werden; auch auf die Büro-, Sozial- und Werkstatträume habe nicht verzichtet werden können, selbst wenn ihr tatsächlicher Nutzungsgrad nicht erheblich gewesen sein sollte.
Die in diesem Urteil entwickelten Rechtsgrundsätze liegen auch der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats zugrunde (vgl. dazu die Urteile vom 19. Juli 1995 VIII R 75/93, BFH/NV 1995, 597; vom 23. Mai 2000 VIII R 11/99, BFHE 192, 474, BStBl II 2000, 621; vom 23. Januar 2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 96/96, BFH/NV 1999, 758, und BFH-Beschluss vom 2. März 2000 IV B 34/99, BFH/NV 2000, 1084). Danach ist ein Gebäude bereits dann von wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung, wenn der Betrieb ein Gebäude dieser Art benötigt, das Gebäude für den Betriebszweck geeignet ist und die räumliche und funktionale Grundlage des Betriebes bildet. Mietet der Geschäftführer einer GmbH zu diesem Zweck ein Grundstück an, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass dies für den Betrieb der GmbH erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 758). Das gilt auch für eine unentgeltliche Nutzung des Grundstücks durch die GmbH (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 68/96, BFHE 191, 505, BFH/NV 2000, 1278).
2. Die Frage, ob die GmbH alle Gebäude oder alle Räume in diesen Gebäuden für ihren Gewerbebetrieb benötigte, ist nicht im vorliegenden Verfahren zu klären. Die Qualifikation einer Gesellschaft als Besitzgesellschaft im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung und deren Mieteinkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist unabhängig davon vorzunehmen, in welchem Umfang die GmbH das Grundstück nutzt. Sollte sie sich ―wie das FA annimmt― mit der Anmietung in einem finanziellen Rahmen engagiert haben, der für die Betriebsführung des Unternehmens nicht erforderlich war, und sollte dieser Aufwand durch das zu den Ehegatten bestehende Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein, so gehören die nichtbetrieblich genutzten Räume nicht zum Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft (vgl. dazu etwa Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 4 Rz. 155 f., 175 f., m.w.N.), und sind Mietzahlungen der GmbH für solche Räume bei den Ehegatten als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu erfassen (zur vGA bei Vermietung und Verpachtung vgl. u.a. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 6. Aufl., § 8 Rz. 150).
3. Diese Prüfung wird das FA im Rahmen des nunmehr zu erlassenden positiven Gewinnfeststellungsbescheides und im Rahmen der für die Kläger durchzuführenden Einkommensteuerveranlagung vornehmen. Soweit die Kläger begehren, das FA zum Erlass von Gewinnfeststellungsbescheiden unter Berücksichtigung von Abschreibungsbeträgen nach dem FöGbG zu verpflichten, kann der Senat diesem Antrag nicht entsprechen. Es ist nicht Aufgabe der FG, über die Verpflichtung zum Erlass der Bescheide hinaus (§ 101 FGO) die Spruchreife auch hinsichtlich der Höhe und der Verteilung des Gewinns herbeizuführen (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1983 IV R 170/81, BFHE 139, 553, BStBl II 1984, 200, und vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, unter 2. der Gründe; weiter gehend Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 101 Rz. 4, mit Streitstand).
Fundstellen
Haufe-Index 1178751 |
BFH/NV 2004, 1253 |
DStR 2004, 1476 |
DStRE 2004, 1119 |