Betriebsaufspaltung bei mittelbarer Beteiligung

Auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, ist bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen (Änderung der Rechtsprechung).

Hintergrund: Vorliegen einer Betriebsaufspaltung und damit Ausschluss der erweiterten Kürzung?

Die X-GmbH & Co. KG (X-KG) vermietete Räumlichkeiten an die mit ihr über die H-GmbH verbundene M-GmbH & Co. KG (M-KG). Diese nutzte die vermietete Immobilie neben weiteren Grundstücken betrieblich. Das Mietverhältnis mit der M-KG bestand auch in den Streitjahren (2010 bis 2012) fort.

Die X-KG beantragte die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (sog erweiterte Kürzung). Das FA lehnte dies unter Hinweis auf den BFH-Beschluss v. 17.2.2002, I R 24/01 (BStBl II 2003, 355) ab. Das FA ging davon aus, wegen der im Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten der X-KG gehaltenen Beteiligungen an der H-GmbH liege keine ausschließliche Verwaltung eigenen Grundbesitzes vor. Aus den Beteiligungen würden (dem Grunde nach) gewerbliche Einkünfte erzielt, die nicht ausschließlich auf die Grundstücksverwaltung entfielen. Darüber hinaus sei die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG zu versagen, weil das Grundstück der X-KG aufgrund der Unternehmensstruktur zumindest zeitweise oder teilweise einem Gewerbebetrieb diene, an dem die Gesellschafter der X-KG beteiligt seien.

Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt. Es liege keine der erweiternden Kürzung entgegen stehende mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vor. Für eine Betriebsaufspaltung fehle es an der personellen Verflechtung. Denn die Kommanditisten der X-KG seien zwar mit entsprechenden Mehrheitsverhältnissen an der H-GmbH beteiligt. Diese wiederum sei jedoch lediglich als Kommanditistin an der M-KG beteiligt und damit von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 164 HGB). Die 100 %-ige Beteiligung der H-GmbH an der Komplementär-GmbH der M-KG genüge nicht, weil ein "Durchgriff" durch die Kapitalgesellschaft nicht zulässig sei. Dieses Durchgriffsverbot stehe auch einem einheitlichen Betätigungswillens entgegen, soweit die an der H-GmbH und der M-KG beteiligten Personen zugleich an der X-KG als (potentieller) Besitzgesellschaft (unmittelbar als Kommanditisten und mittelbar über deren Komplementär-GmbH) beteiligt seien. Denn bei der X-KG könne der geschäftliche Betätigungswille nur von der Komplementär-GmbH ausgeübt werden.

Entscheidung: Betriebsaufspaltung auch bei mittelbarer Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an der Besitz-Personengesellschaft

Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Der erweiterten Kürzung steht entgegen, dass zwischen der X-KG und der M-KG eine Betriebsaufspaltung vorgelegen hat. Das hat zur Folge, dass die X-KG als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt hat. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird als gewerbliche Tätigkeit beurteilt und schließt die erweiterte Kürzung aus (BFH v. 22.6.2016, X R 54/14, BStBl II 2017, 529).

Sachliche Verflechtung

Die sachliche Verflechtung liegt darin, dass die X-KG der M-KG mit dem vermieteten Grundstücks eine wesentliche Betriebsgrundlage überlassen hat.

Personelle Verflechtung über eine Kapitalgesellschaft

Bis zu seinem Tod war A (in der Folgezeit die aus B, C und D bestehende Personengruppe), sowohl unmittelbar als Kommanditist(en) als auch mittelbar über eine jeweils mehrheitliche Beteiligung an der Komplementär-GmbH an der X-KG als Besitzgesellschaft beteiligt. Zugleich waren die gleichen Personen auch mittelbar über eine jeweils mehrheitliche Beteiligung an der alleinigen Kommanditistin (H-GmbH) der M-KG als Betriebsgesellschaft beteiligt. Die H-GmbH wiederum war auch alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der M-KG. Für die Beurteilung einer personellen Verflechtung zwischen der X-KG und der M-KG sind bei den Gesellschaftern A (bzw. nach dessen Tod B, C und D) auch deren mittelbare Beteiligungen über Kapitalgesellschaften (BV-GmbH bzw. H-GmbH) sowohl an der Betriebsgesellschaft (M-KG) als auch – in Änderung der bisherigen Rechtsprechung – an der X-KG als Besitz-Personengesellschaft zu berücksichtigen.

Bisherige Rechtsprechung

Nach bisheriger Rechtsprechung kann eine Beteiligung der Betriebsgesellschafter an der Besitzgesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, mangels Mitunternehmerstellung dieser Gesellschafter in der Besitzgesellschaft nicht zu einer personellen Verflechtung führen. Wegen des sog. Durchgriffsverbots könne der Besitzgesellschaft weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden (z.B. BFH v. 27.8.1992, BStBl II 1993, 134). Andererseits kann jedoch (schon nach bisheriger Rechtsprechung) die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden (z.B. BFH v. 29.11.2017, X R 8/16, BStBl II 2018, 426). Diese unterschiedliche Rechtsprechung ist auf Kritik gestoßen. Die Frage des Durchgriffs durch eine juristische Person auf Seiten des Besitz- und des Betriebsunternehmens könne nur einheitlich beantwortet werden (z.B. Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 835).  

Geänderte Auffassung des BFH bei einer Besitz-Personengesellschaft

Nach jetziger Auffassung des BFH sind (jedenfalls wenn, wie hier die X-KG, die Besitzgesellschaft eine Personengesellschaft ist) für diese Unterscheidung keine sachlichen Gründe ersichtlich. Wenn die Herrschaft über das Betriebsunternehmen nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen muss, sondern auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft als Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden kann, muss dies auch für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an dem Besitzunternehmen jedenfalls insoweit gelten, als dieses eine Personengesellschaft ist.

Personelle Verflechtung im Streitfall

Hiervon ausgehend haben die Beteiligungsverhältnisse zur Beherrschungsidentität hinsichtlich der X-KG und der M-KG geführt. Die beteiligten Personen konnten über ihre Beteiligungen an der H-GmbH, die ihrerseits an der M-KG und deren Komplementär-GmbH beteiligt war, maßgeblichen Einfluss auf die M-KG (Betriebsgesellschaft) nehmen. Außerdem konnten sie aufgrund ihrer Kommanditbeteiligungen an der X-KG und ihrer Beteiligungen an deren Komplementär-GmbH die X-KG (Besitzgesellschaft) entscheidend beeinflussen.

Hinweis: Offene Frage zur Besitz-Kapitalgesellschaft

Der vom IV. BFH-Senat vollzogenen Rechtsprechungsänderung haben der I. und III. Senat zugestimmt. Der I. Senat geht allerdings davon aus, dass diese Überlegungen nur für den Fall gelten, dass die Besitzgesellschaft eine Personengesellschaft ist (im Streitfall die X-KG). Bei einer Besitz-Kapitalgesellschaft könnten wegen des Trennungsprinzips ("Durchgriffsverbot") weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebs-GmbH noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion der Besitz-Kapitalgesellschaft "zugerechnet" werden. Dazu ergänzt der IV. Senat, dass – selbst wenn man die Auffassung des I. Senats teilen würde – in der unterschiedlichen Behandlung kein Gleichheitsverstoß gesehen werden könnte.

BFH Urteil vom 16.09.2021 - IV R 7/18 (veröffentlicht am 03.02.2022)

Alle am 03.02.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.


Schlagworte zum Thema:  Gewerbesteuer, Betriebsaufspaltung