Umgekehrte Betriebsaufspaltung und erweiterte Gewerbeertragskürzung
Hintergrund: Gesetzliche Regelungen
Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (einfache Kürzung). Anstelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (erweiterte Kürzung).
Sachverhalt: GmbH erbringt Leistungen fast ausschließlich für verbundene Unternehmen
Die Klägerin ist eine Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH. An ihrem Stammkapital waren im Streitjahr 2015 bis zum 4.11.2015 zu 47,62 % F und zu 52,38 % die Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in X (EB GmbH) beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der EB GmbH ist die F GmbH & Co. KG mit Sitz in X (F KG), deren Kommanditkapital vollständig von der F Holding GmbH mit Sitz in X (FH GmbH) gehalten wird. Alleingesellschafter der FH GmbH war bis zum 4.11.2015 F. Komplementär der F KG war die F Beteiligungsgesellschaft mbH. Die F KG hält außerdem 100 % der Anteile an der A GmbH. Mit Wirkung zum 5.11.2015 übertrug F seine Anteile an der Klägerin sowie an der FH GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf A.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der F KG mietweise Teilflächen (1.740 qm) des Grundstücks in X. Dieser Gebäudebereich wird von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der F KG genutzt. Ab 2015 wurden die beschriebenen Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A GmbH an die F KG überlassen.
Die Klägerin wendete auf ihren Gewerbeertrag im Streitjahr die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG an. Nach einer Außenprüfung für die Erhebungszeiträume 2013 bis 2015 vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der F KG vorläge und daher die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung nicht gegeben seien. Das Finanzamt (FA) folgte diesen Feststellungen und setzte mit Bescheid vom 23.1.2019 den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 – ohne Berücksichtigung der erweiterten Kürzung – auf 257.215 EUR fest. Dagegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Sprungklage, der das FA zugestimmt hat.
Das FG gab der Klage statt. Es änderte den Bescheid vom 23.1.2019 dahingehend, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2015 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG festgesetzt wird.
Entscheidung: BFH weist Revision des FA zurück
Der BFH hat entschieden, dass das FG hat zu Recht geurteilt hat, dass die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht wegen des Bestehens einer Betriebsaufspaltung ausgeschlossen ist.
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG will den nur kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielenden Unternehmen die erweiterte Kürzung gewähren, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, ihre Tätigkeit insoweit also nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht. Zweck ist damit die Gleichbehandlung dieser Unternehmen mit Steuerpflichtigen, die als Einzelunternehmer oder in der Rechtsform einer Personengesellschaft Grundstücksverwaltung betreiben.
Bei einer Betriebsaufspaltung ist der Zweck der sog. Besitzgesellschaft von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird deshalb als gewerbliche Tätigkeit beurteilt, die eine erweiterte Kürzung ausschließt.
Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung
Eine Betriebsaufspaltung setzt voraus, dass Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen sachlich und personell miteinander verflochten sind. Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen. Bei einem nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisierten Besitzunternehmen ist ein solcher anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Ist eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen, kommt es darauf an, ob diese selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Ein Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner ist nicht zulässig.
Klägerin nicht zu mehr als 50% an Betriebsgesellschaft beteiligt
Im Streitfall verwaltet die Klägerin Immobilien und übt damit keine originär gewerbliche Tätigkeit aus. Die Tätigkeit der Klägerin ist insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung als originär gewerblich anzusehen, da die erforderliche personelle Verflechtung nicht gegeben ist.
Eine Betriebsaufspaltung zwischen einer Kapitalgesellschaft als Besitzgesellschaft und einem anderen Unternehmen als Betriebsgesellschaft liegt nicht vor, wenn die Kapitalgesellschaft nicht zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar an dem anderen Unternehmen beteiligt ist. Der Besitzkapitalgesellschaft können weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebsgesellschaft noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion zugerechnet werden. Eine derartige Zurechnung wäre ein unzulässiger Durchgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Personen.
Das Durchgriffsverbot auf von dem oder den Gesellschafter(n) verwirklichte Tatbestände folgt aus dem Prinzip der Trennung (Verselbständigung) der Kapitalgesellschaft von der Person oder dem Kreis ihrer Gesellschafter, welches es nicht zulässt, im Rahmen der Besteuerung der Besitzkapitalgesellschaft für die Frage, ob ein einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille hinsichtlich der Tätigkeit der Betriebsgesellschaft besteht, auf die Anteilsinhaberschaft beziehungsweise Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft abzustellen. Dieses Prinzip unterscheidet die Kapitalgesellschaften von den Personengesellschaften, so dass eine Gleichbehandlung von Besitzkapitalgesellschaften und Besitzpersonengesellschaften nicht geboten ist.
Im Streitfall war die Klägerin (Besitz-GmbH) weder unmittelbar noch mittelbar zu mehr als 50 % an der F KG als Betriebsunternehmen beteiligt.
Voraussetzungen einer sog. umgekehrte Betriebsaufspaltung ebenfalls nicht erfüllt
Eine originär gewerbliche Tätigkeit der Klägerin ergibt sich im Streitfall auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung.
Bei einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung wird nicht die Betriebsgesellschaft durch die Besitzkapitalgesellschaft, sondern die Besitzkapitalgesellschaft durch die Betriebsgesellschaft beherrscht. Die Rechtsprechung hat das Vorliegen einer umgekehrten Betriebsaufspaltung herangezogen, um im Zusammenhang mit Steuervergünstigungen und Investitionszulagen zu entscheiden, ob die Zugehörigkeits-, Verbleibens- und Nutzungsvoraussetzungen in einer Betriebsstätte erfüllt sind. Die von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung bislang zugelassene Übertragung von durch das Betriebsunternehmen verwirklichten Merkmalen auf das Besitzunternehmen diente dabei dazu, einen Ausschluss der Steuervergünstigung oder Investitionszulage in den Fällen zu vermeiden, in denen die Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebes auf zwei Rechtsträger und damit zwei Betriebe aufgeteilt sind. Nicht dagegen wurde die umgekehrte Betriebsaufspaltung herangezogen, um zu begründen, dass eine ausschließlich vermögensverwaltend tätige Besitzkapitalgesellschaft originär gewerblich tätig ist.
Aus einer sog. umgekehrten Betriebsaufspaltung kann wegen des Durchgriffsverbots eine originär gewerbliche Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft nicht abgeleitet werden. Es schließt aus, bei der Besteuerung der Besitzkapitalgesellschaft (hier der Klägerin) auf die Verhältnisse ihres Gesellschafters oder ihrer Gesellschafter (zunächst F, dann A zu 47,62 % und die EB GmbH zu 52,38 %) abzustellen.
Erst recht lässt sich aus der mittelbaren Beteiligung einer Betriebspersonengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzkapitalgesellschaft eine personelle Verflechtung nicht ableiten. Denn auch insoweit läge ein Durchgriff auf die unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter der Besitzkapitalgesellschaft vor.
Hinweis: Keine Abweichung von der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH
Damit weicht der Senat nicht von dem BFH-Urteil vom 16.09.2021, IV R 7/18, BStBl 2022 II S. 767, ab, in dem dieser Senat unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr davon ausgeht, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist. Anders als in dem der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt steht im Streitfall die Besteuerung einer Besitzkapitalgesellschaft in Rede
BFH, Urteil v. 22.2.2024, III R 13/23; veröffentlicht am 2.5.2024
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