Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnfeststellung bei voll beendeter KG
Leitsatz (NV)
1. Eine GmbH & Co. KG ist voll beendet, wenn die einzige Kommanditistin ihr der KG dienendes Vermögen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die Komplementär-GmbH einbringt und diese das Handelsgeschäft übernimmt.
2. Die ehemalige Gesellschafterin einer voll beendeten KG ist zur Anfechtung des Gewinnfeststellungsbescheids klagebefugt, der einen Zeitraum ihrer Gesellschaftszugehörigkeit betrifft.
3. Der an die ehemaligen Gesellschafter einer voll beendeten KG gerichtete Gewinnfeststellungsbescheid ist ausreichend adressiert, wenn die Adressaten (Feststellungsbeteiligten) aus dem Gesamtinhalt des Bescheids hervorgehen; die Nennung der nicht mehr existierenden Gesellschaft ist unschädlich und bringt nur zum Ausdruck, welche Gewinnanteile festgestellt werden.
4. Ein einheitlicher Feststellungsbescheid wird mit seiner Bekanntgabe an einen der notwendigen Bekanntgabeempfänger diesem gegenüber wirksam; die - bei voll beendeter Gesellschaft - fehlende Bekanntgabe an die ehemalige Mitgesellschafterin kann nachgeholt werden.
5. Das FG muß nötigenfalls das Klageverfahren aussetzen, um dem FA Gelegenheit zur Nachholung der Bekanntgabe zu geben; der Bekanntgabemangel gegenüber der Mitgesellschafterin wird nicht durch deren Beiladung geheilt.
Normenkette
AO 1977 § 33 Abs. 1, § 122 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1 S. 1, § 179 Abs. 2 S. 1, § 183 Abs. 1-3; AO § 219 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3, § 74
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war einzige Kommandistin einer GmbH & Co. KG (KG). Alleinige persönlich haftende Gesellschafterin war die beigeladene GmbH (Beigeladene). Die Klägerin war Inhaberin der Geschäftsanteile und Geschäftsführerin der Beigeladenen.
Gemäß notarieller Vereinbarung vom 25. März 1970 verpflichtete sich die Klägerin, ihr der KG dienendes Vermögen in die Beigeladene per 31. Januar 1970 gegen Gewährung von Geschäftsanteilen einzubringen und anschließend alle Anteile an der Beigeladenen zu ihrem am 1. Februar 1970 vorhandenen Wert an fünf Firmen einer auswärtigen Unternehmensgruppe zu verkaufen. Die Einbringung hatte aufgrund dieser vertraglichen Abmachung zum Teilwert zu erfolgen.
Die Erklärung der KG zur Gewinnfeststellung 1970 wurde 1972 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) abgegeben, der im vorläufigen Bescheid vom 10. Mai 1972 einen Teilwertabschlag von . . . DM berücksichtigte.
Aufgrund einer Betriebsprüfung ließ das FA in einem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1970 vom 12. Januar 1978 den Teilwertabschlag auf den Warenbestand zum 31. Januar 1970 nicht mehr zu und erhöhte den laufenden Gewinn der KG zu Lasten des Veräußerungsgewinns der Klägerin um . . . DM. Der Bescheid wurde an Firma . . . (KG), z. Hd. Frau . . . (Klägerin) adressiert und versandt; in der Anlage führte er die beiden Gesellschafter namentlich mit ihren Gewinnanteilen auf.
Auf den von der Klägerin eingelegten Einspruch wurde die Beigeladene vom FA im Einspruchsverfahren nicht hinzugezogen; die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 2. November 1978 wurde nur der Klägerin zugestellt.
Die Beiladung durch das Finanzgericht (FG) wurde nicht mit einer nachträglichen Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an die im Einspruchsverfahren nicht hinzugezogene Beigeladene verbunden.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab.
Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung vom 2. November 1978 den Gewinnfeststellungsbescheid 1970 vom 12. Januar 1978 dahingehend abzuändern, daß der laufende Gewinn von insgesamt . . . DM um . . . DM auf . . . DM gekürzt und der Veräußerungsgewinn der Klägerin von . . . DM entsprechend auf . . . DM erhöht wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat versäumt, das Verfahren entsprechend § 74 FGO auszusetzen, um dem FA Gelegenheit zu geben, den streitigen Gewinnfeststellungsbescheid 1970 der Beigeladenen bekanntzugeben.
Die Klägerin ist als ehemalige Gesellschafterin der voll beendeten KG klagebefugt (§ 40 Abs. 2 FGO; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH- vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520).
Der Gewinnfeststellungsbescheid ist ausreichend adressiert. Er richtet sich an die Klägerin und die Beigeladene als Steuerpflichtige (§ 179 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Es genügt, daß die Adressaten aus dem Gesamtinhalt des Bescheids hervorgehen. Es ist nicht schädlich, wenn die nicht mehr existierende Gesellschaft genannt ist; dadurch wird zum Ausdruck gebracht, welche Gewinnanteile festgestellt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 1976 IV R 105/75, BFHE 120, 129, 133, BStBl II 1977, 221).
Mit der Zustellung des Gewinnfeststellungsbescheids an die Klägerin ist dieser ihr gegenüber auch wirksam geworden.
Der für die Klägerin und die Beigeladene bestimmte Gewinnfeststellungsbescheid hätte jedoch gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 beiden bekanntgegeben werden müssen. Das ist im Streitfall gegenüber der Beigeladenen nicht geschehen. Deshalb ist er dieser gegenüber nicht wirksam geworden.
Die Möglichkeit der Bekanntgabe des Bescheids an nur einen Empfangsbevollmächtigten der Gesellschaft (§ 183 Abs. 1 AO 1977; § 219 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -) bestand im Streitfalle nicht mehr, weil die Gesellschaft voll beendet war (§ 183 Abs. 2 AO 1977). § 183 Abs. 3 AO 1977 war am 13. Januar 1978 (Zustellung des Bescheids an die Klägerin) noch nicht in Kraft. Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob die Klägerin seitens der Beigeladenen zur Entgegennahme des streitigen Bescheids bevollmächtigt worden ist. Dazu hätte es einer Erklärung der Beigeladenen bedurft. Das FA sieht diese Erklärung offensichtlich in den Unterschriften unter die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung. Diese Erklärung ist aber für die KG abgegeben worden. Es ist zwar möglich, aber nicht hinreichend sicher, ob die Personen, die für die KG die Feststellungserklärung unterzeichnet haben, damit auch für die Beigeladene eine besondere Erklärung abgeben wollten. Der Senat kann diese Feststellung als Revisionsgericht nicht nachholen (§ 118 Abs. 2 FGO).
Der Mangel der Bekanntgabe ist im Streitfall nicht im Einspruchsverfahren geheilt worden. Die Beigeladene wurde weder zum Einspruchsverfahren hinzugezogen noch wurde ihr die Einspruchsentscheidung bekanntgegeben (vgl. BFH-Urteile vom 18. März 1986 II R 214/83, BFHE 147, 99, BStBl II 1986, 778, und vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, 257, BStBl II 1982, 700).
Die Bekanntgabe kann nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 25. November 1987 II R 227/84, BFHE 152, 10, BStBl II 1988, 410). Das FG hätte das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 74 FGO aussetzen müssen, um dem FA Gelegenheit zur Nachholung der Bekanntgabe zu geben (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1986 IV R 23/86, BFH / NV 1987, 686, und vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503). Nach der Aussetzung des Verfahrens und der Nachholung der Bekanntgabe ist abzuwarten, ob die Beigeladene den Bescheid anficht, was an Stelle der Beiladung (§ 60 FGO) zu einer Verfahrensverbindung gemäß § 73 FGO führen würde (vgl. BFH-Urteile vom 18. Oktober 1963 III 250/61 U, BFHE 77, 711, BStBl III 1963, 581, und in BFHE 152, 10, BStBl II 1988, 410).
Die Nachholung der Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheids erübrigt sich im Streitfall nicht durch die Beiladung im finanzgerichtlichen Verfahren (BFH-Urteile vom 25. November 1987 II R 36/86, BFH / NV 1989, 208; vom 8. Oktober 1982 III R 32/80, nicht veröffentlicht; vom 24. Juni 1966 III 47/63, BFHE 86, 394, BStBl III 1966, 520).
Den Mangel der Bekanntgabe des Bescheids hat der Senat als Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten. Er kann das Klageverfahren nicht selbst entsprechend § 74 FGO aussetzen, sondern hat die Sache hierzu an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zurückzuverweisen (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 50, m. w. N.).
Aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit weist der Senat für die Beteiligten ohne Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO in Ergänzung der bisherigen finanzgerichtlichen Erwägungen zur materiellen Rechtslage auf folgendes hin:
Die Hemmung des Verjährungsablaufs gemäß § 146 a Abs. 3 AO könnte durch die Betriebsprüfung eingetreten sein, obwohl die KG nicht mehr existierte. Die Verhältnisse der KG konnten wohl auch nach ihrem Erlöschen noch Gegenstand einer Betriebsprüfung sein. Die Prüfungsanordnung ist nicht angefochten worden.
Die Auflösung des Teilwertabschlags auf den Warenbestand könnte sich auf den laufenden Gewinn auswirken. Möglicherweise war der Wert des Warenlagers bereits bei der Einbringung in die Beigeladene zum 31. Januar 1970 genauso hoch wie bei der Veräußerung der Anteile an der Beigeladenen.
Fundstellen