Abfärbung gewerblicher Beteiligungseinkünfte einer originär vermögensverwaltenden GbR
§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt (Bestätigung des BFH-Urteils v. 6.6.2019, IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649).
Hintergrund: Streitige Rechtsfrage
Die Beteiligten streiten darüber, ob die rückwirkende Anwendung der mit dem JStG 2007 eingeführten Abfärbung bei Bezug gewerblicher Beteiligungseinkünfte (sog. Aufwärtsabfärbung) in Veranlagungszeiträumen vor 2006 verfassungswidrig ist, und ob die Klägerin – die W-GbR – aufgrund des Bezugs von gewerblichen Einkünften aus der Beteiligung an der A-GmbH & Co. KG (A-KG) in vollem Umfang sowohl einkommensteuerrechtlich als auch gewerbesteuerrechtlich als Gewerbebetrieb gilt.
Sachverhalt: Einkünfte aus einer Beteiligung an der gewerblich tätigen KG
Eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung, die die Streitjahre 2003 bis 2006 betraf, gelangte zu der Auffassung, dass die Einkünfte der Klägerin in rückwirkender Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 32a EStG i.d.F. des JStG 2007 insgesamt als gewerblich zu qualifizieren seien, da die Klägerin neben ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch Einkünfte aus ihrer Beteiligung an der gewerblich tätigen A-KG erzielt habe. Obwohl die Anteile an der KG laut Handelsregisterauszug von den einzelnen Gesellschaftern gehalten würden, handele es sich bei dem KG-Anteil um Betriebsvermögen der Klägerin, da eine Eintragung unter der Firmierung als Grundstücks-GbR bis 2001 nicht möglich gewesen sei. Indessen werde das Halten des KG-Anteils durch die Klägerin selbst eindeutig durch deren Auftreten als Kommanditistin der KG im Außen- und Innenverhältnis belegt. Die Einkünfte der Klägerin seien daher auch der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
Das FG hat die Klage als teilweise begründet angesehen. Es hat die gegenüber der Klägerin erfolgten Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen 2003 bis 2005 aufgehoben und die die Klägerin betreffenden Gewinnfeststellungsbescheide 2003 bis 2005 entsprechend geändert, das heißt die gesonderten und einheitlichen Feststellungen des Gewerbesteuermessbetrags der Gesellschaft und der auf die einzelnen Mitunternehmer entfallenden Anteile am Gewerbesteuermessbetrag der Gesellschaft aufgehoben. Im Übrigen hat es die Klage jedoch abgewiesen. Hiergegen wenden sich sowohl die Klägerin als auch das FA mit ihren Revisionen.
Entscheidung: BFH weist die Revisionen als unbegründet zurück
Der BFH hat die Revisionen als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat ohne Rechtsfehler die gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2003 bis 2006 der Klägerin gerichtete Klage als unbegründet angesehen, weil die Klägerin als Mitunternehmerin der A-KG gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG bezogen hat. Die Revision des FA ist ebenfalls unbegründet, denn das FG hat § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zutreffend verfassungskonform dahin ausgelegt, dass die Klägerin als gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.
Hierzu führten die Richter u.a. aus:
- Das FG hat zur Beantwortung der Frage, ob die Klägerin Mitunternehmerin der A-KG war, ohne Rechtsfehler maßgeblich auf den Gesellschaftsvertrag der A-KG abgestellt, der vorsieht, dass den Gesellschaftern der Klägerin "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung (W-GbR)" ein Kommanditanteil in Höhe von 120.000 DM (12 %) zusteht. Entstehungstatbestand und Grundlage der KG ist der Abschluss des Gesellschaftsvertrags. Die Beschlussfassung der Gesellschafter entscheidet darüber, wer Kommanditist der Gesellschaft wird. Daher musste das FG aufgrund des Umstands, dass im Handelsregister nicht die Klägerin, sondern deren Gesellschafter als Kommanditisten der A-KG eingetragen wurden, nicht zu dem Ergebnis gelangen, die Gesellschafter der Klägerin seien Mitunternehmer der A-KG gewesen.
- Dass die Klägerin als GbR nach der bis 2001 geltenden Rechtsprechung zivilrechtlich nicht Kommanditistin einer KG sein konnte (vgl. zur Rechtsprechungsänderung u.a.: Beschluss des BGH v. 16.7.2001, II ZB 23/00, BGHZ 148, 291, m.w.N.) und auch nicht als solche in das Handelsregister eingetragen werden konnte, steht der Annahme einer Mitunternehmerstellung der Klägerin bei der A-KG nicht entgegen. Wie das FG ebenfalls zutreffend erkannt hat, bleibt ein unwirksames Rechtsgeschäft gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO jedenfalls für die Besteuerung erheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies steht im Einklang mit dem Beschluss des Großen Senats des BFH v. 25.2.1991, GrS 7/89 (BStBl II 1991, 691), der – in Kenntnis der zivilrechtlichen Rechtsprechung – festgestellt hat, eine GbR könne Obergesellschaft im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sein.
- § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG ist in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen (Beteiligungs-)Einkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte der Gesellschaft abfärben, verfassungsgemäß. Der Senat hält an seinen Ausführungen im Urteil v. 6.6.2019, IV R 30/16 (BStBl II 2020, 649, Rz 30 ff., zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG 2009) fest.
- Die einkommensteuerrechtliche Abfärbung von Beteiligungseinkünften gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG dient der umfassenden Verstrickung des Gesellschaftsvermögens und damit einem legitimen Gesetzeszweck. Darüber hinaus verfolgt der Gesetzgeber auch mit der Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG die Erleichterung der Einkünfteermittlung durch die Konzentration auf nur eine Einkunftsart.
- Zudem ist zu beachten, dass die mit der Abfärbewirkung verbundene Gewerblichkeit ‑ insbesondere bei der Umqualifizierung von Einkünften aus der Vermögensverwaltung ‑ auch zu steuerlichen Vorteilen führen kann und für den Steuerpflichtigen die zumutbare Möglichkeit besteht, den mit der Abfärbung verbundenen Belastungen durch eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Gestaltung, insbesondere die Gründung einer zweiten, personenidentischen Gesellschaft, zu entgehen.
- Eine sogenannte Bagatellgrenze – wie diese von der Rechtsprechung für gemischt tätige freiberufliche Personengesellschaften entwickelt wurde und die auch im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG (sogenannte Seitwärtsabfärbung) zu beachten ist – gilt im Zusammenhang mit der Aufwärtsabfärbung nicht. Die Regelung ist auch ohne eine entsprechende Bagatellgrenze verfassungsgemäß.
- Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Als Gewerbebetrieb definiert § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 EStG gilt hingegen nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb (BFH, Urteil v. 6.6.2019, IV R 30/16, BStBl II 2020, 649, Rz 19, 40). An diesem Verständnis des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG hält der BFH aus den im Urteil v. 6.6.2019, IV R 30/16 (BStBl II 2020, 649) dargelegten Gründen fest.
BFH, Urteil v. 5.9.2023, IV R 24/20; veröffentlicht am 9.11.2023
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