Aufwärtsabfärbung bei lediglich verrechenbaren Verlusten

Eine ansonsten vermögensverwaltende Gesellschaft erzielt insgesamt gewerbliche Einkünfte, sofern sie – wenn auch nur geringfügige – gewerbliche Beteiligungseinkünfte erzielt. Eine Bagatellgrenze existiert nicht; die Abfärbung tritt selbst dann ein, wenn die Beteiligungsgesellschaft Verluste erzielt und diese nach § 15a EStG im Verlustentstehungsjahr nicht verrechenbar sind. Trotz der eindeutigen BFH-Entscheidung sollten vergleichbare Sachverhalte wegen eines beim BVerfG anhängigen Verfahrens offen gehalten werden.

Blick in die aktuelle Rechtslage

Wer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, ergibt sich im Grundsatz aus § 15 Abs. 2 EStG. Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist danach ein Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

Durch § 15 Abs. 3 EStG werden gewerbliche Einkünfte in zwei Fällen fingiert:

Gewerbliche Infektion

  • Alt. 1: Eine Mitunternehmerschaft erzielt auch gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Seitwärtsinfektion)
  • Alt. 2: Eine Gesellschaft erzielt auch gewerbliche Beteiligungseinkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Aufwärtsinfektion)

Gewerbliche Prägung

  • Eine Gesellschaft erzielt gewerbliche Einkünfte, wenn eine gewerblich geprägte Personengesellschaft vorliegt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG)

Offene Frage

Der BFH musste sich mit der Frage befassen, ob eine gewerbliche Infektion selbst bei Erzielung von Beteiligungsverlusten eintritt, wenn diese Verluste nach § 15a EStG sich im Verlustentstehungsjahr nicht auswirken.

Sachverhalt: GbR erzielt neben Vermietungseinkünften auch gewerblichen Beteiligungseinkünften

Der der BFH-Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt verhielt sich im Streitjahr 2017 folgendermaßen:

  • Die Klägerin ist eine GbR, die Einkünfte aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses mit Ladenlokal erzielt.
  • Die Klägerin ist ferner seit dem 1.12.2003 mit 50.000 EUR (entspricht seit 2015 einer Quote von 4,24 %) an einer GmbH & Co KG beteiligt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
  • Die in dem Gewinnfeststellungsbescheid der KG 2017 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden der Klägerin in Höhe von rd. – 5.500 EUR zugerechnet.
  • Ausweislich des mit dem Gewinnfeststellungsbescheid 2017 verbundenen Verlustverrechnungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG handelt es sich hierbei um einen künftig verrechenbaren Verlust. In 2017 wurden bei der GbR Einkünfte von 0 EUR erfasst.
  • Aufgrund der von der KG bezogenen Beteiligungseinkünfte qualifizierte das Finanzamt die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung seit 2006 in Einkünfte aus Gewerbebetrieb um. Auch die positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus 2017 in Höhe von rd. 61.000 EUR wurden umqualifiziert.
  • Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Argument, dass bei der Umqualifizierung eine Bagatellgrenze anzuwenden sei und es ohnehin fraglich wäre, ob eine Gewinnerzielungsabsicht auf die Beteiligung bestehe.

FG Münster: Umqualifizierung der Einkünfte erfolgte zu Recht

Das FG Münster bestätigte mit Urteil v. 13.5.2022 (15 K 26/20 E,F) die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung.

Entscheidung: Beteiligungseinkünfte lösen Umqualifizierung der Einkünfte aus

Der BFH hat die von der GbR erzielten Einkünfte vollumfänglich den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet.

Verfahrensrechtliche Aspekte: Liegt überhaupt eine Beschwer bei vermeintlich unzutreffender Einkunftsart vor?

Ein Feststellungsbescheid beinhaltet eine Vielzahl von selbständig anfechtbaren Feststellungen. Hierzu zählt auch die Qualifizierung der Einkunftsart. Durch die Feststellung einer (vermeintlich) unzutreffenden Einkunftsart liegt eine Beschwer vor (Rz. 12). Allerdings war in der Rezensionsentscheidung die Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb aus nachfolgenden Gründen nicht zu beanstanden.

Aufwärtsabfärbung liegt vor

Eine mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft ist u. a. dann in vollem Umfang gewerblich, wenn gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen werden. Hierunter fallen die erzielten Beteiligungseinkünfte aus einer Mitunternehmerschaft. Ob die Beteiligungseinkünfte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden, muss im Rahmen der Feststellung dieser Mitunternehmerschaft beurteilt werde und nicht in einem Folgebescheid.

Auch Beteiligungsverluste lösen eine Abfärbung aus

Liegen dem Grunde nach gewerbliche Beteiligungseinkünfte vor, kommt es auf deren Höhe nicht an. Unerheblich ist es nach Auffassung des BFH, ob diese positiv oder negativ sind oder gar 0 EUR betragen. Auch die bei der Seitwärtsinfektion zur Anwendung kommende Bagatellgrenze gilt bei der Aufwärtsinfektion nicht; dies sei verfassungsgemäß.

… selbst wenn der Verlust nach § 15a EStG nicht verrechenbar ist

Der BFH betont, dass die Aufwärtsinfektion selbst dann ausgelöst wird, wenn negative Einkünfte im Verlustentstehungsjahr den verrechenbaren Verlusten nach § 15a EStG zugerechnet werden.

Praxisfolgen

Die Rezensionsentscheidung führt die bisherige Auffassung der Rechtsprechung fort und konkretisiert diese dadurch, dass eine Aufwärtsinfektion selbst dann ausgelöst wird, wenn die gewerblichen Verluste einer Verlustabzugsbeschränkung nach § 15a EStG unterliegen.

Bei Anwendung der Seitwärtsinfektion wird von der Rechtsprechung eine Bagatellgrenze zugelassen (Rz. 22 m.w.N.). Danach erfolgt keine Umqualifizierung, wenn der Nettoumsatzerlös aus der gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamterlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im VZ nicht übersteigt (BFH, Urteil v. 27.8.2014, VIII R 41/11, BStBl II 2015, 999 m.w.N.).

Bei Anwendung der Aufwärtsinfektion komme es nur darauf an, dass dem Grunde nach auch gewerbliche Beteiligungseinkünfte erzielt werden. Auf die Höhe komme es nicht an; unerheblich ist ferner, ob die Beteiligungseinkünfte positiv oder negativ sind oder 0 EUR betragen. Die Bagatellgrenze gilt nicht; dies sei verfassungsgemäß.

Trotz der vermeintlich eindeutigen BFH-Entscheidung sollten vergleichbare Verfahren zumindest mit negativen Beteiligungsverlusten wegen einem anhängigen Verfahren vor dem BVerfG offen gehalten werden (Az. des BVerfG: 2 BvR 2113/22). Die Auslösung der Abfärbung im Verlustfall hat der Gesetzgeber nämlich erst in 2019 mit steuerlicher Rückwirkung als Reaktion auf anderslautende BFH-Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 12.8.2018, VI R 5/15, BStBl II 2020, 118) im EStG aufgenommen (§ 52 Abs. 23 Satz 1 EStG). Ob dies verfassungsgemäß ist, bleibt dem BVerfG vorbehalten.

Die steuerlichen Folgewirkungen aus einer Abfärbung sind vielfältig: So kommt § 23 EStG nicht zur Anwendung und es liegt steuerverstricktes Betriebsvermögen (insbesondere das Gebäude) vor. Andererseits eröffnet die Umqualifizierung die Möglichkeit der Bildung und Übertragung von Rücklagen nach § 6b EStG und eventuell die Anwendung des Betriebsvermögensprivilegs nach §§ 13a und 13b ErbStG.

Besonderheiten sind bei der Beteiligung einer ansonsten vermögensverwaltenden GbR an einer PV-Anlagenbetreibergesellschaft seit 2022 zu beachten. Sofern die Betreibergesellschaft steuerfreie Einkünfte nach § 3 Nr. 72 Satz 1 und 2 EStG erzielt, löst dies seit 2022 keine gewerbliche Abfärbung aus. Allerdings kommt die Steuerfreiheit mit der Folge, dass keine Aufwärtsabfärbung eintritt, dann nicht zur Anwendung, wenn die Beteiligungsgesellschaft die Anlage nicht selbst betreibt, sondern vermietet.

Bei Bezug von gewerblichen Beteiligungseinkünften geht die Rechtsprechung – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (Gleich lautende Erlasse der Länder v. 1.10.2020, BStBl I 2020, 1032) – von gewerblichen Einkünften ohne Gewerbesteuerpflicht aus (BFH, Urteil v. 6.6.2019, IV R 30/16, BStBl II 2020, 649 und Urteil v. 5.9.2023, IV R 24/20, BFH/NV 2024, 88). Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung als Reaktion gerade auch auf die jüngere BFH-Rechtsprechung ihre bisherige restriktive Auffassung ändern wird.

Gestalterisch gilt Folgendes: Um die gewerbliche Infektion zu verhindern, sollte eine zweite personenidentische Gesellschaft gegründet werden (BFH, Urteil v. 30.6.2022, IV R 42/19, BStBl II 2023, 118 Rz. 19).

BFH, Urteil v. 11.7.2024, IV R 18/22; veröffentlicht am 22.8.2024

Alle am 22.8.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



Schlagworte zum Thema:  Gewerbliche Einkünfte, Beteiligung, Verlust