Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschmelzung einer Organträgerin auf eine neue Organträgerin unter Fortsetzung des Organschaftsverhältnisses; keine Übertragung oder Vereinigung aller Anteile an grundstücksbesitzenden Gesellschaften
Leitsatz (amtlich)
Die Verschmelzung einer Organträgerin, die 87,5 v.H. der Anteile an einer Organgesellschaft hält, die wiederum zu 100 v.H. Anteilseignerin an grundstücksbesitzenden Gesellschaften ist, auf eine ―bislang― außerhalb des Organkreises stehende neue Organträgerin unter Fortsetzung des Organschaftsverhältnisses führt weder zu einer Vereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) noch zur Übertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) aller Anteile an den grundstücksbesitzenden Gesellschaften.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3-4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Mit Vertrag vom 13. Juni 1996 wurde die K-Holding-AG (Holding-AG) auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verschmolzen. Die Holding-AG war zu 87,5 v.H. an der K-Warenhaus-AG (Warenhaus-AG) beteiligt. Einzige weitere Aktionärin mit einer Beteiligung von 12,5 v.H. war eine Bank. Die Warenhaus-AG hielt 100 v.H. der Anteile an verschiedenen grundstücksbesitzenden GmbHs. Die Warenhaus-AG war finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in die Holding-AG eingegliedert. Die Verschmelzung auf die Klägerin erfolgte unter Fortsetzung des Organschaftsverhältnisses zur Warenhaus-AG, die mit der Verschmelzung zu einem von der Klägerin "abhängigen Unternehmen" wurde.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah in der Verschmelzung einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang und stellte mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gesondert fest. Das FA ging hierbei davon aus, dass mit der Klägerin als neuer Organträgerin ein neuer Organkreis entstanden sei und alle Anteile an den grundstücksbesitzenden GmbHs sich grunderwerbsteuerrechtlich zurechenbar in der Hand der Klägerin vereinigt hätten (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ―GrEStG―) bzw. auf sie übergegangen seien (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). Die betroffenen einzelnen Grundstücke und ihre der Steuer zu Grunde zu legenden Werte waren in der Anlage zum Steuerbescheid im Einzelnen aufgeführt.
Der Einspruch mit der Begründung, ein grunderwerbsteuerrechtlicher Tatbestand sei nicht verwirklicht worden, blieb erfolglos. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht als erfüllt an.
Das FA macht mit der Revision weiter seine Rechtsauffassung geltend und beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht darauf erkannt, dass die Verschmelzung der Holding-AG auf die ―bislang― außerhalb des Organkreises stehende Klägerin unter Fortbestand des Organschaftsverhältnisses weder als Vereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) noch als Übergang (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) aller Anteile der jeweils grundstücksbesitzenden GmbHs der Grunderwerbsteuer unterliegt.
1. Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft u.a. in der Hand des Erwerbers allein vereinigt würden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG), oder den Anspruch auf Übertragung aller Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Ist der Vereinigung der Anteile bzw. der Übertragung aller Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen, so unterliegt die Vereinigung (§ 1 Abs.3 Nr. 2 GrEStG) bzw. die Übertragung aller Anteile an ihr (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) der Grunderwerbsteuer.
Diese Tatbestände knüpfen zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfassen aber die infolge der Vereinigung der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken (vgl. m.w.N. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. Januar 1994 II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408; vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121). Bei den in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Ersatztatbeständen fingiert das Gesetz ―zivilrechtlich nicht vorhandene― grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt oder erwirbt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Es geht nicht um die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (vgl. m.w.N. BFH-Beschluss vom 23. August 2004 II B 122/03, juris STRE200451141). § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt den Inhaber aller Anteile so, als gehörten ihm die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücke.
Aus dieser Fiktion folgt, dass eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand i.S. von § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG auch dann vorliegt, wenn der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz teils selbst (unmittelbar), teils (mittelbar) über eine andere Gesellschaft hält, an der er zu 100 v.H. beteiligt ist (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 5. November 2002 II R 23/00, BFH/NV 2003, 505, sowie BFH-Urteil in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121) oder die i.S. von § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b GrEStG abhängig ist. Die Vereinigung der Anteile in der Hand von herrschendem und abhängigem Unternehmen ist ein besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung, bei welcher das Gesetz das genannte Abhängigkeitsverhältnis genügen lässt und auf eine 100%-ige Beteiligung des herrschenden an dem abhängigen Unternehmen verzichtet (BFH-Urteil vom 16. Januar 1980 II R 52/76, BFHE 130, 72, BStBl II 1980, 360). Diese Elemente der Mittelbarkeit sind gleichwertig (BFH-Urteil vom 8. August 2001 II R 66/98, BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156).
2. a) Die Rechtsauffassung des FG, dass im Streitfall eine mittelbare Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) an den Anteilen der grundstücksbesitzenden GmbHs nicht vorliegt, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn weder die Klägerin noch ein Dritter hielten neben der Warenhaus-AG unmittelbar oder mittelbar Anteile an den grundstücksbesitzenden GmbHs, so dass sich bei der Klägerin deren Anteile nicht vereinigen konnten. Sind alle Anteile bereits vereinigt ―wie im Streitfall bei der Warenhaus-AG―, kommt allenfalls ein Übergang dieser Anteile in Betracht (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG).
b) Der Übergang der Anteile an der Warenhaus-AG in Höhe von 87,5 v.H. erfüllt auch nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, da der Holding-AG bei einer Beteiligung von lediglich 87,5 v.H. an der Warenhaus-AG die Anteile an den grundstücksbesitzenden GmbHs grunderwerbsteuerrechtlich nicht zugerechnet werden können.
c) Der Übergang der Beteiligung von 87,5 v.H. ist auch nicht deswegen tatbestandsmäßig im Sinne der vorgenannten Vorschrift, weil zwischen der Klägerin und der Warenhaus-AG ein Organschaftsverhältnis bestand (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 lit. b GrEStG). Liegt eine Organschaft vor, werden für die Frage einer (mittelbaren) grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Anteile an grundstücksbesitzenden Gesellschaften auch Beteiligungen mit einer geringeren Quote als 100 v.H. berücksichtigt. Die Tatbestandserfüllung im Übrigen ―dass alle Anteile unmittelbar oder mittelbar übergehen müssen― bleibt hiervon aber unberührt. Die organschaftliche Zurechnung ersetzt nicht die Voraussetzung, dass alle Anteile übergehen müssen. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Warenhaus-AG ist grunderwerbsteuerrechtlich demnach ohne Bedeutung, weil die unveränderte Beteiligung der nicht zum Organkreis gehörenden Bank (12,5 v.H.) dem Erwerb "aller" Anteile an der die grundstückshaltenden GmbHs zu 100 v.H. beherrschenden Hand, nämlich der Warenhaus-AG, durch die Klägerin entgegensteht. Die Beteiligung der Bank an der Warenhaus-AG verhindert, dass eine ununterbrochene Beteiligungskette von der Klägerin bis zu den grundbesitzenden Gesellschaften im quantitativ erheblichen Ausmaß (bis 31. Dezember 1999: 100 v.H.; ab 1. Januar 2000: mindestens 95 v.H.) besteht (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Anm. 169).
Die Grundstücke der grundstücksbesitzenden GmbHs sind somit grunderwerbsteuerrechtlich nur der Warenhaus-AG, nicht aber dem Organkreis zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, dass die Klägerin der Holding-AG nach deren Verschmelzung als neuer Organträger gefolgt ist; denn auch in diesem neuen Organkreis sind die Anteile an den grundbesitzenden GmbHs nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern der Warenhaus-AG als Organgesellschaft (ebenso Hofmann/Hofmann, a.a.O., § 1 Rn. 170a). Auch zu einer erstmaligen Zuordnung dieser Anteile und damit der grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnenden Grundstücke zum Vermögen der Klägerin kann es daher ―entgegen der Rechtsauffassung des FA― nicht kommen.
Fundstellen
Haufe-Index 1442206 |
BFH/NV 2005, 2318 |
BStBl II 2005, 839 |
BFHE 2006, 375 |
BFHE 210, 375 |
BB 2005, 2452 |
BB 2005, 2621 |
DB 2005, 2562 |
DStR 2005, 1898 |
DStRE 2005, 1496 |
DStZ 2005, 810 |
HFR 2005, 1185 |