Grunderwerbsteuer: Grundstücke einer Untergesellschaft

Ein inländisches Grundstück "gehört" einer Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines zuvor unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Hintergrund: Frage der Zuordnung der Grundstücke der Untergesellschaft

Streitig war, ob die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung des Grundbesitzes einer Untergesellschaft an die Obergesellschaft den vorherigen Erwerb durch die Obergesellschaft voraussetzt.

In 2011 trat A die von ihm allein gehaltenen Anteile an einer GmbH & Co. KG (A-KG) und deren Komplementärin (A-GmbH) an eine luxemburgische Personengesellschaft (A-S.e.c.s.) ab. Deren Gesellschaftsvermögen wiederum hielt allein A. Weiterer Gesellschafter der A-S.e.c.s. war eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, deren Anteile ebenfalls von A gehalten wurden.

Die A-KG war zu 100 % an der K-KG beteiligt. Die K-KG war Alleingesellschafterin einer Holding (X-AG). Die X-AG erwarb nach der Bargründung die streitigen Grundstücke. Im Zuge einer Umstrukturierung des Konzerns war zu entscheiden, ob die im Vermögen der X-AG befindlichen Grundstücke zum Vermögen der K-KG gehörten und die Einbringung zwar nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar, aber nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG steuerbefreit ist.

Das FA ging von der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke aus und verneinte die Steuerbefreiung.

Das FG gab der Klage statt. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG sei nicht erfüllt Die Grundstücke der X-AG seien der K-KG mangels vorherigen Erwerbs grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen.

Entscheidung: Keine grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung

Der BFH bestätigt die Auffassung des FG. Die Grundstücke gehörten nicht zum Vermögen der K-KG.

Grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung

Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO, sondern nach der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung. Danach "gehört" ein Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der GrESt unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist (BFH, Urteil v. 11.12.2014, II R 26/12, BStBl II 2015 S. 402, Rz. 18).

Ein Grundstück "gehört" nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Übergang der Anteile am Gesellschaftsvermögen Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war (BFH, Urteil v. 11.12.2014, II R 26/12, BStBl II 2015 S. 402, Rz. 18). Umgekehrt "gehört" ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile am Gesellschaftsvermögen nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Mehrstöckige Beteiligungen

Diese Grundsätze gelten auch bei mehrstöckigen Beteiligungen, bei denen eine Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Ein Grundstück der Untergesellschaft ist der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft (bzw. bei mehrstöckigen Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften). Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.

Gesetzeszweck

Diese Sichtweise ist durch den Regelungszweck des § 1 Abs. 2a GrEStG gedeckt. Daraus und aus § 1 Abs. 2b bis 3a GrEStG folgt, dass Grundstücke einer Gesellschaft dem Gesellschafter nicht automatisch, sondern nur dann zuzurechnen sind, wenn die jeweiligen Erwerbstatbestände erfüllt sind. Deshalb kann einer Obergesellschaft auch nicht allein wegen der Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstück nach § 1 Abs. 2 GrEStG zugerechnet werden. Denn einem Gesellschafter steht die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück der Gesellschaft nicht zu. Die Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf Gesellschaftsebene reichen für eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG nicht aus.

Keine Besteuerungslücke

Da die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG jeweils auch den mittelbaren Übergang von Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften erfassen, besteht keine Notwendigkeit, einer Obergesellschaft allein aufgrund ihrer Beteiligung an einer Untergesellschaft deren Grundstücke zuzurechnen. Eine Besteuerungslücke entsteht dadurch nicht.

Unbegründete Revision des FA

§ 1 Abs. 2a GrEStG ist im Streitfall nicht erfüllt, da im Zeitpunkt der wirksamen Übertragung der Anteile in 2011 der K-KG kein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG "gehörte". Die Grundstücke, die die X-AG 1994 erworben hatte, waren der K-KG grunderwerbsteuerrechtlich nicht zuzurechnen. Sie hatte in Bezug auf diese Grundstücke zuvor keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG verwirklicht. Die Mehrheitsbeteiligung an der X-AG allein führte nicht dazu, der K-KG die Grundstücke beim Erwerb durch die X-AG zuzurechnen. Auf die Frage, ob durch die späteren Einbringungen und Umwandlungen der Tatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verwirklicht wurde, kommt es daher nicht mehr an.

Hinweis: Zulässige Revision

Der BFH gibt einen wichtigen Hinweis für die Revisionsbegründung. Betrifft das Urteil einen einheitlichen Streitgegenstand, bei dem über mehrere Rechtsfragen gestritten wird, die kumulativ zur Rechtfertigung des Klageantrags beantwortet werden müssen, erfordert die Revisionsbegründung die Darlegung, weshalb alle Rechtsfragen i.S.d. Revisionsklägers beantwortet werden müssen. Das gilt auch dann, wenn das FG sein Urteil nur auf die Verneinung einer Rechtsfrage gestützt hat. Da in einem solchen Fall eine Auseinandersetzung mit dem FG-Urteil hinsichtlich der nicht erörterten Streitfragen allerdings nicht in Betracht kommt, können insoweit Bezugnahmen auf früheres Vorbringen ausreichen, wenn dieses schlüssige Ausführungen zu den betreffenden Rechtsfragen beinhaltet (BFH, Urteil v. 7.6.2018, IV R 11/14, BFH/NV 2018 S. 963).

BFH Urteil vom 01.12.2021 - II R 44/18 (veröffentlicht am 07.07.2022)

Alle am 07.07.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


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