Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Leistungsempfängers nach zivilrechtlicher Vereinbarung, nicht nach "wirtschaftlicher" Zuordnung
Leitsatz (NV)
1. Leistungsempfänger, der nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrundeliegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist.
2. Auftraggeber und damit Leistungsempfänger der Prüfung des Jahresabschlusses eines kommunalen Eigenbetriebs gemäß § 103 a GemO NW ist nicht die Gemeinde, sondern das dieser gegenüber rechtlich selbständige Gemeindeprüfungsamt des Regierungspräsidenten. Das BMF-Schreiben vom 22. April 1988 (UR 1988, 198) enthält insoweit eine zutreffende Gesetzesauslegung.
3. Grundsätze zur "wirtschaftlichen Zuordnung" von Umsätzen oder zu einem "wirtschaftlichen Stellvertreter im Umsatzgeschäft" betreffen nicht die Bestimmung des Leistungsempfängers.
Normenkette
UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 14, 10 Abs. 1; GemO NW § 103a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) -- eine Gemeinde -- unterhielt ein Wasserwerk als Eigenbetrieb. Für die Streit jahre (1982, 1984 und 1985) führte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag des Gemeindeprüfungsamts des zuständigen Regierungspräsidenten die Prüfung des Jahresabschlusses für das Wasserwerk durch. Die Rechnung über die Prüfung stellte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf die Klägerin aus. Die darin gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuern wurden von der Klägerin bei ihren Umsatzsteuererklärungen als Vorsteuerbeträge abgezogen.
Nach einer Außenprüfung lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den geltend gemachten Vorsteuerabzug mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht Empfängerin der Prüfungsleistungen gewesen.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage gegen die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre in diesem Punkt statt. Das FG vertrat die Auffassung, daß Leistungsempfänger i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 zwar grundsätzlich derjenige sei, den das der Leistung zugrundeliegende Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigte und verpflichtete. Allein auf die zivilrechtliche Zurechnung könne es aber nicht immer ankommen. Vielmehr werde § 15 UStG 1980/1967 von dem Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung beherrscht (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das bedeute, daß anstelle des zivilrechtlichen Anspruchsberechtigten derjenige Leistungsempfänger i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sei, dem die Leistung wirtschaftlich zugeordnet werden müsse. Das gelte um so mehr, wenn man die Einschaltung eines "wirtschaftlichen Stellvertreters im Umsatzgeschäft" zulasse und damit einen Vorsteuerabzug verneine, falls der Unternehmer eine in Anspruch genommene Leistung in der Weise einsetze, daß nicht er selbst, sondern ein von ihm eingeschalteter Dritter die Verwendungsumsätze zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung des Unternehmers bewirke (BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Für die wirtschaftliche Zuordnung einer Leistung sei es erforderlich, daß der zivilrechtlich Anspruchsberechtigte kein unmittelbares Interesse an der Erlangung der Leistung habe. Nur so könne eine eindeutige Bestimmung des Lei stungsempfängers erfolgen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 15 UStG 1980. Es stützt sich auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 1988 IV A 2 -- S 7100 -- 41/88 Umsatzsteuer-Rundschau -- UR -- 1988, 198, 296) und den damit übereinstimmenden Erlaß des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen S 7300 -- 91 -- V C 4 (Steuererlasse in Karteiform -- StEK --, Umsatzsteuergesetz 1980, § 15 Abs. 1, Nr. 162).
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage im vollem Umfang abzuweisen.
Der Klägerin steht ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die vom Gemeindeprüfungsamt in Auftrag gegebenen Jahresabschlußprüfungen nicht zu.
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann ein Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Der Leistungsempfänger ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrundeliegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteil vom 26. November 1987 V R 85/83, BFHE 151, 479, BStBl II 1988, 158; vgl. auch Urteil vom 27. Januar 1994 V R 31/91, BFHE 173, 463, BStBl II 1994, 488); dies gilt jedenfalls soweit die tatsächliche Durchführung vom zugrundeliegenden Schuldverhältnis nicht abweicht.
Im Streitfall war Auftraggeber der Prüfung des Jahresabschlusses der Klägerin durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht die Klägerin, sondern das dieser gegenüber rechtlich selbständige Gemeindeprüfungsamt des Regierungspräsidenten.
Diese Auftragsvergabe entspricht den Bestimmungen des § 103 a der Gemeindeordnung (GemO) für das Land Nordrhein- Westfalen (in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1979 und vom 13. August 1984, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen -- GVBl NW -- 1979, 594, und 1984, 475). Nach Absatz 2 dieser Bestimmung obliegt die Jahresabschlußprüfung (bei Eigenbetrieben) dem Gemeindeprüfungsamt des Regierungspräsidenten, das sich zur Durchführung eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bedient. Einzelheiten über die "Beauftragung des Wirtschaftsprüfers" regelt die Verordnung über die Durchführung der Jahresabschlußprüfung bei Eigenbetrieben und prüfungspflichtigen Einrichtungen vom 9. März 1981 (GVBl NW 1981, 147). Daß nach § 103 a Abs. 1 Satz 7 GemO der Betrieb die Kosten der Jahresabschlußprüfung trägt und daß nach Absatz 2 Satz 3 und 4 der Bestimmung die Gemeinde einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorschlagen kann und das Gemeindeprüfungsamt dem Vorschlag der Gemeinde folgen soll, führt zu keiner anderen Beurteilung in der Frage, wer Auftraggeber ist.
Das angefochtene Urteil stützt seine von der zivilrechtlichen Auftragsvergabe abweichende Behandlung der Klägerin als Leistungsempfängerin zu Unrecht auf ein Prinzip der wirtschaftlichen Zuordnung bzw. der wirtschaftlichen Stellvertretung im Umsatzsteuergeschäft, wie sie durch die BFH-Rechtsprechung zur Zwischenvermietung herangezogen wurde.
Das FA weist mit der Revision zutreffend darauf hin, daß ein Grundsatz der "wirtschaftlichen Zuordnung" von Umsätzen nur die Frage betrifft, welche Leistungen zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, die zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führen (§ 15 Abs. 4 UStG 1980; vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 16. September 1993 V R 82/91, BFHE 173, 236, BStBl II 1994, 271), bzw. die Abgrenzung zwischen unternehmerischem und nichtunternehmerischem Bereich des Leistungsempfängers (BFH-Urteil vom 11. November 1993 V R 52/91, BFHE 173, 239, BStBl II 1994, 335). Eine solche wirtschaftliche Zuordnung von Leistungsbezügen (Eingangsumsätzen) zu sog. Verwendungsumsätzen bzw. Ausgangsumsätzen setzt die vorherige Bestimmung des Leistungsempfängers voraus. Diese richtet sich aber nach den verwirklichten Vereinbarungen der Beteiligten.
Im übrigen findet sich für das "unmittelbare Interesse" bzw. Eigeninteresse der Klägerin als Gemeinde an der Durchführung der Prüfung in den erwähnten Rechtsgrundlagen, wie sie im vorliegenden Fall für die Streitjahre galten, kein Anhaltspunkt. Die Ausgestaltung der sog. überörtlichen Prüfung bzw. Aufsichtsprüfung für kommunale Eigenbetriebe ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Die Prüfungen werden zum Teil durch staatliche Prüfungsämter bei den Kommunalaufsichtsbehörden, durch Landesrechnungshöfe oder durch besondere staatlich-kommunale oder kommunale Institutionen (wie Gemeindeprüfungsanstalten oder kommunale Prüfungsverbände) vorgenommen (vgl. Grupp in Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, Lehrbuch Bd. 2 1992, S. 225, Rz. 137; auch Zeiß, Das Recht der gemeindlichen Eigenbetriebe, 4. Aufl. 1993, W Rz. 514). Die jeweils maßgebenden Rechtsgrundlagen sind bei der umsatzsteuerrechtlichen Prüfung des Leistungsaustausches zu beachten. Daß ein eigenes Interesse der geprüften Gemeinde bzw. ihres Eigenbetriebs vorhanden ist, macht die Gemeinde nicht abweichend von der jeweiligen Rechtsgrundlage zum Auftraggeber bzw. Empfänger der Prüfungsleistung.
Die Bestimmung der Beteiligten am Lei stungsaustausch nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen und nicht nach etwa verdeckten wirtschaftlichen Interessen bestätigt das UStG 1980 in § 10 Abs. 1 Satz 3 und 4. Weder machen Entgeltszahlungen eines Dritten diesen zum Leistungsempfänger noch werden Geschäfte für Rechnung eines Dritten diesem zugeordnet, wenn sie nicht in seinem Namen erfolgen.
Soweit im Schrifttum die Einbeziehung Dritter in den Leistungsaustausch etwa nach dem Grundsatz des Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) geprüft wurde, um Leistungsempfängern, die nicht unmittelbar Vertragschließende hinsichtlich der Leistung sind, den Vorsteuerabzug zu eröffnen (vgl. etwa Widmann, UR 1993, 304; auch Münch, UR 1987, 313), läßt sich daraus im Streitfall nichts für die Auffassung des FG herleiten. Denn nach § 103 a GemO bleibt das Gemeindeprüfungsamt Berechtigter und Verpflichteter aus der Auftragsvergabe an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Übertragung der Kostenlast durch die erwähnte Bestimmung auf den Eigenbetrieb der Gemeinde besagt nichts darüber, daß die Gemeinde zum Leistungsempfänger der Prüfungsleistung würde.
Das FA stützt sich daher zutreffend auf das BMF-Schreiben vom 22. April 1988 (UR 1988, 198, 296), das die Bestimmung des Leistungsempfängers nach Maßgabe des Prüfungsauftrags vorsieht. Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob aufgrund der Erweiterung des § 103 a Abs. 2 GemO um einen Satz 5 durch das Rechtsbereinigungsgesetz 1987 vom 6. Oktober 1987 (GVBl NW 1987, 342 -- Art. 9 --) eine "Bereinigung" der Vorsteuerabzugsfragen erreicht worden ist (vgl. dazu BMF-Schreiben vom 22. April 1988, und Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 1990, § 103 a, Erläuterungen, III.).
2. Das Urteil des FG war mithin wegen Verletzung von § 15 Abs. 1 UStG 1980 aufzuheben. Der Senat kann durcherkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 420331 |
BFH/NV 1995, 459 |