Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis des gesonderten Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 GrEStG zum Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitz- oder Grundstückswerts
Leitsatz (NV)
1. Bei der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG (i.d.F. bis 30 Dezember 2001) erfolgt die Feststellung der als Bemessungsgrundlage anzusetzenden Werte nach § 8 Abs.2 Satz 1 GrEStG i.V. mit § 138 Abs. 2 und Abs. 3 BewG in einem verselbständigten Feststellungsverfahren. Innerhalb dieses zweistufigen Feststellungsverfahrens entfaltet der den Grundbesitz- oder Grundstückswert feststellende Bescheid im Umfang des ihm zugewiesenen Regelungsbereichs Bindungswirkung für den Bescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG.
2. § 17 Abs. 3 GrEStG lässt die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Lagefinanzamts für die gesonderte Feststellung des Grundbesitz- oder Grundstückswerts unberührt.
3. Ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitz- oder Grundstückswerts kann nur durch Anfechtung dieses Bescheids und nicht auch durch Anfechtung des Bescheids über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG als Folgebescheid angegriffen werden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3, § 8 Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 2-3, 3a; BewG § 138 Abs. 2-3, 5; AO 1977 § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 1, § 182 Abs. 1, § 351 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde aufgrund eines Anteilskaufs durch Vertrag vom 1. Oktober 1997 Inhaber sämtlicher Anteile der "A-GmbH mit Sitz in X; zum Vermögen der GmbH gehörten Grundstücke in den Bezirken der Finanzämter Y, Z und des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--), in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der GmbH befand.
Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 20. Januar 1998 stellte das FA die Besteuerungsgrundlagen für die durch den Vertrag vom 1. Oktober 1997 verwirklichte Vereinigung aller Anteile an der GmbH gemäß § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der für den Streitfall maßgebenden Fassung gesondert fest. Die der Besteuerung zugrunde zu legenden Grundstückswerte schätzte das FA unter Ansatz von 350 v.H. des jeweiligen Einheitswerts. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. November 1998 änderte das FA aufgrund zwischenzeitlich ergangener gesonderter Feststellungsbescheide der Lagefinanzämter über die Grundstückswerte den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer dahin gehend, dass der Besteuerung nunmehr ein Grundstückswert für das Grundstück in Z von 1 752 000 DM (bisher 92 400 DM) und für das Grundstück in X in Höhe von 315 000 DM (bisher 70 700 DM) zugrunde zu legen war. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Durch Bescheide vom 17. November 1998 und 12. Januar 1999 stellte das Finanzamt Y die Grundstückswerte für die beiden in Y belegenen Grundstücke auf 410 000 DM (bisher 112 000 DM) und 219 000 DM (vorher 79 800 DM) fest. Der gegen den Feststellungsbescheid vom 17. November 1998 gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück; die Revision (II R 27/03) hat der Senat durch Entscheidung vom 20. Oktober 2004 als unbegründet zurückgewiesen.
Durch gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 14. Juni 2000 übernahm das FA die vom Finanzamt Y festgestellten Grundstückswerte. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Durchführung gesonderter Feststellungsverfahren zur Ermittlung der Grundbesitzwerte durch die Lagefinanzämter und ferner den Wertansatz für das Grundstück in Z rügte, hatten keinen Erfolg. Das FG führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1141 veröffentlichten Urteil aus, die vom Finanzamt Y erlassenen Feststellungsbescheide über die Grundbesitzwerte seien als Grundlagenbescheide für den Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 GrEStG bindend. § 17 Abs. 3 GrEStG stehe einer gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte durch die Lagefinanzämter nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe aufgrund der in § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) angeordneten gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte die damit verminderte praktische Bedeutung des § 17 Abs. 3 GrEStG ausdrücklich in Kauf genommen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 17 Abs. 3 GrEStG. Die Vorschrift regele für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen die alleinige Zuständigkeit des Geschäftsleitungsfinanzamts; dies entspreche dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck der Vereinfachung und Vereinheitlichung.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Münster vom 12. Juni 2002 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 14. Juni 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2001 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend dahin erkannt, dass das FA nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 berechtigt war, den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 GrEStG zu ändern.
1. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO 1977), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitz- oder Grundstückswerte (§ 138 Abs. 5 i.V.m. § 138 Abs. 2 oder 3 BewG) sind Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977 für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG.
Das Gesetz sieht insoweit ein zweistufiges Feststellungsverfahren vor. Dies ergibt sich aus den Regelungen über die Feststellung von Grundbesitzwerten in § 138 BewG. Danach sind u.a. für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens Grundstückswerte zu ermitteln (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG) und gesondert festzustellen, wenn sie für die Grunderwerbsteuer erforderlich sind (§ 138 Abs. 5 Satz 1 BewG). Nach § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG gelten für die Feststellung von Grundbesitzwerten die Vorschriften der AO 1977 über die Feststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes sinngemäß. Dieses Gebot sinngemäßer Anwendung gilt auch für die gesetzliche Zuständigkeitsregelung. Diese sieht in § 18 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für die gesonderten Feststellungen nach § 180 AO 1977 bei Grundstücken die Zuständigkeit desjenigen Finanzamts vor, in dessen Bezirk das Grundstück liegt.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG keine Zuständigkeit des Geschäftsleitungsfinanzamts für die gesonderte Feststellung des Grundbesitz- oder Grundstückswerts.
a) Bei einer Vereinigung aller Anteile in einer Hand (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen durch das Geschäftsleitungsfinanzamt gesondert festgestellt, wenn --wie im Streitfall-- ein außerhalb des Bezirks des Geschäftsleitungsfinanzamts belegenes Grundstück betroffen ist. Gegenstand der gesonderten Feststellung nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG sind die Besteuerungsgrundlagen. Zu diesen gehört in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden Personen, über die nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG (in seiner nach dem 31. Dezember 1996 anzuwendenden Fassung) als Bemessungsgrundlage anzusetzenden Werte nach § 138 Abs. 2 oder 3 BewG sowie über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. März 2004 II R 54/01, BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658).
b) § 17 Abs. 3 GrEStG lässt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Lagefinanzämter für die gesonderte Feststellung des Grundbesitz- oder Grundstückswerts unberührt. Die Feststellung der als Bemessungsgrundlage anzusetzenden Werte nach § 138 Abs. 2 und 3 BewG erfolgt gemäß Abs. 5 der Vorschrift in einem gegenüber der gesonderten Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG verselbständigten Feststellungsverfahren. Dem § 17 Abs. 3 GrEStG kommt gegenüber § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 2 und 3 --und damit auch Abs. 5-- BewG nicht die Bedeutung einer Spezialvorschrift zu. Vielmehr verhält es sich umgekehrt.
Die für dieses weitere Feststellungsverfahren von § 179 Abs. 1 AO 1977 geforderte gesetzliche Grundlage (dazu BFH-Urteil vom 13. Oktober 1993 X R 49/92, BFHE 172, 315, BStBl II 1994, 86; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 179 AO 1977 Rz. 12) ergibt sich aus § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. §§ 138 Abs. 5 Satz 1 BewG. § 8 Abs. 2 GrEStG bestimmt diejenigen Fälle, in denen die Grunderwerbsteuer nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 und 3 BewG zu bemessen und somit deren gesonderte Feststellung i.S. des § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG "erforderlich" ist. Damit enthalten § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG nach Wortlaut und gesetzlicher Regelungssystematik eine gegenüber § 17 Abs. 3 GrEStG spezielle gesetzliche Grundlage zur gesonderten Feststellung dieser Besteuerungsgrundlage. Der den Grundbesitz- bzw. Grundstückswert feststellende Bescheid entfaltet im Umfang des ihm zugewiesenen Regelungsbereichs Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 AO 1977) für den Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl., § 8 Rn. 51 und § 17 Rn. 5). Deswegen ist das Geschäftsleitungsfinanzamt an die Feststellungen des Lagefinanzamts gebunden und hat die vom Lagefinanzamt getroffenen Feststellungen ungeachtet der Bindungswirkungen hinsichtlich der nachfolgenden Steuerfestsetzungen lediglich zu übernehmen.
c) Der mit § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG verfolgte Vereinfachungszweck steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Zwar lässt § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG insgesamt eine Tendenz zur Konzentration bei einem Finanzamt und in einem Verfahren erkennen (BFH-Urteil vom 15. Juni 1994 II R 120/91, BFHE 174, 465, BStBl II 1994, 819). Der Gesetzgeber hat aber diese Zwecksetzung zugunsten einer Bindungswirkung des vom Lagefinanzamt zu erlassenden Feststellungsbescheids über den Grundbesitz- bzw. Grundstückswert eingeschränkt. Der damit verminderten Bedeutung des mit § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG verfolgten Vereinfachungszwecks hat der Gesetzgeber auch, "um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden" (BTDrucks 14/6877, S. 32), mit dem durch das Steueränderungsgesetz 2001 (BGBl I 2001, 3794) eingefügten § 17 Abs. 3 a GrEStG Rechnung getragen. Nach dieser --am 31. Dezember 2001 in Kraft getretenen und daher im Streitfall noch nicht anzuwendenden-- Bestimmung sind nunmehr in den Fällen der Steuerbemessung nach § 8 Abs. 2 GrEStG die Werte des § 138 Abs. 2 und 3 BewG nicht in die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG aufzunehmen.
3. Das FG hat die vorstehenden Rechtsgrundsätze beachtet. Die Änderungsvoraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 waren im Hinblick auf die vom Finanzamt Y erlassenen Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundstückswerte gegeben. Entscheidungen in diesen Feststellungsbescheiden konnten nur durch Anfechtung dieser Bescheide und nicht auch durch Anfechtung des Bescheids über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG als Folgebescheid angegriffen werden (§ 351 Abs. 2 AO 1977, § 42 FGO). Im Übrigen ist auf der Grundlage des vom Kläger behaupteten Verfahrensmangels nicht ersichtlich, dass eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. § 127 AO 1977).
Fundstellen
BFH/NV 2005, 574 |
HFR 2005, 339 |