Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Umfangs der Revision erst in der Revisionsbegründungsschrift
Leitsatz (NV)
1. Die rechtzeitige Einlegung der Revision hemmt grundsätzlich den Eintritt der Rechtskraft für das gesamte Urteil und nicht nur für denjenigen Teil, der in der Rechtsmittelschrift als Gegenstand der Anfechtung bezeichnet ist.
2. Die Erklärung über den Umfang der Anfechtung muß erst in der fristgerechten Revisionsbegründungsschrift abgegeben werden.
3. Im Verfahren betreffend ESt und USt kann die Revision gegen ein mehrere VZ betreffendes FG-Urteil auf einen oder mehrere VZ beschränkt werden.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; FGO §§ 115, 120, 155; ZPO § 705
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat gegen das die Einkommensteuer 1976 bis 1978 und die Umsatzsteuer 1976 bis 1978 betreffende Urteil des Finanzgerichts (FG) Revision eingelegt. Ausweislich der Revisionsschrift betrifft das Rechtsmittel die Einkommensteuer 1976 und 1977 sowie die Umsatzsteuer 1976 und 1977. Erst in den nach Ablauf der Revisionsfrist, aber innerhalb der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Revisionsanträgen und in der Revisionsbegründung wird die Vorentscheidung auch bezüglich des Streitjahres 1978 angegriffen. Der Wert des Streitgegenstandes liegt für die Jahre 1976 und 1977 unter 10 000 DM, bei Einbeziehung des Jahres 1978 dagegen über 10 000 DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist statthaft und in zulässiger Weise eingelegt. Der Statthaftigkeit steht insbesondere nicht Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der bis zum 16. Juli 1985 gültigen Fassung (BFHEntlG) entgegen. Denn der Wert des Streitgegenstandes übersteigt 10 000 DM.
Maßgeblich für die Ermittlung des Streitwerts ist grundsätzlich der Antrag des Revisionsklägers im Revisionsverfahren (vgl. u. a. Urteil des Senats vom 9. November 1976 VIII R 27/75, BFHE 121, 179, BStBl II 1977, 306, sowie Beschluß vom 29. November 1984 VII R 11/81, nicht veröffentlicht). Ausweislich dieses Antrags ist Gegenstand des Revisionsverfahrens auch die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 1978 mit der Folge, daß die Werte der die verschiedenen Streitjahre betreffenden Streitgegenstände zu einem Gesamtstreitwert zusammenzurechnen sind (BFH-Beschluß vom 18. Juni 1969 I B 8/69, BFHE 96, 153, BStBl II 1969, 587). Dieser Grundsatz gilt zwar nur, soweit der Gegenstand der Revision in den innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gestellten Anträgen zum Ausdruck kommt und soweit bezüglich dieses Begehrens die angefochtene Entscheidung nicht bereits (teilweise) in Rechtskraft erwachsen ist (§ 705 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Beide Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall gegeben.
Die Revisionsanträge, aus denen sich ein Wert des Streitgegenstandes von mehr als 10 000 DM ergibt, sind im Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 5. Juni 1985 enthalten, welcher am 5. Juni 1985, somit innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, beim BFH einging. An diesem Tage war die Vorentscheidung noch nicht - auch nicht teilweise - rechtskräftig.
Zwar enthält die Revisionsschrift vom 30. März 1985 die Formulierung: ,,In Sachen . . . gegen . . . wegen Einkommensteuer 1976 und 1977 Umsatzsteuer 1976 und 1977 legen wir . . . Revision . . . ein". Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, daß das angefochtene Urteil bezüglich der Einkommensteuer 1978 und der Umsatzsteuer 1978 mit Ablauf der Revisionsfrist in Rechtskraft erwachsen ist. Denn die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsmittels hemmt grundsätzlich den Eintritt der Rechtskraft, und zwar für das gesamte Urteil, nicht nur für denjenigen Teil, der etwa in der Rechtsmittelschrift als Gegenstand der Anfechtung bezeichnet ist (vgl. u. a. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 705 Tz. 4). Die Revisionsschrift brauchte keine Erklärung darüber zu enthalten, in welchem Umfang das Urteil angefochten werde. Diese Erklärung mußte erst die Revisionsbegründung ergeben (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Juli 1952 IV ZR 81/52, BGHZ 7, 143). Daß die Revisionsschrift gleichwohl die Streitjahre 1976 und 1977, nicht dagegen das Streitjahr 1978 ausdrücklich benannte, kann der Klägerin nicht im Sinne einer nur teilweisen Revisionseinlegung angelastet werden.
Allerdings kann in Verfahren betreffend die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer die Revision gegen ein mehrere Veranlagungszeiträume betreffendes FG-Urteil auf einen oder mehrere bestimmte Veranlagungszeiträume beschränkt werden (vgl. Beschluß des BFH vom 14. Januar 1981 I R 187/76, nicht veröffentlicht). Dies wird jedoch in der Regel erst bei der Stellung der Revisionsanträge mit prozessualer Wirkung geschehen. Eine bereits in der Revisionsschrift enthaltene Beschränkung auf bestimmte Steuerbescheide kann nur dann die teilweise Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeiführen, wenn diese Erklärung - möglicherweise zum Zwecke der Prozeßkostenersparnis - als ausdrücklicher und eindeutiger Verzicht auf die Revision bezüglich des übrigen Streitgegenstandes des Verfahrens vor dem FG zu werten ist (BGH-Urteile in BGHZ, 7, 143; vom 19. November 1957 VI ZR 249/56, Neue Juristische Wochenschrift 1958, 343, und vom 30. März 1983 IVb ZR 19/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1983, 685; Stein/Jonas, a. a. O., § 705 Tz. 4). Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die schlichte Benennung bestimmter Streitjahre im Rubrum der Revisionsschrift stellt keinen klaren und unmißverständlichen Verzicht auf die revisionsrechtliche Überprüfung der Vorentscheidung bezüglich der übrigen Streitjahre dar.
Der Kostenausspruch bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Fundstellen