Zuordnung zum Unternehmen bei gemischt genutzten Gebäude

Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird.

Für die Dokumentation der Zuordnung (grundlegend BFH Urteil vom 07.07.2011 - V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76) ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden (Teilweise inhaltsgleich mit BFH Urteil vom 04.05.2022 - XI R 29/21 (XI R 7/19)).

Hintergrund: Teilweiser Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen zur Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes

Streitig ist, ob dem Kläger im Streitjahr 2015 der teilweise Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen zur Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes zusteht.

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Gerüstbaubetrieb. Im Jahr 2014 plante er die Errichtung eines Einfamilienhauses. In dem vom Planungsbüro erstellten Grundriss vom 29.7.2014 ist ein 16,57 qm großer Raum im Erdgeschoss mit "Arbeiten" bezeichnet; die "Nettogrundfläche gesamt" des Gebäudes ist mit 181,3 qm angegeben.

Der Kläger reichte im Streitjahr beim Finanzamt (FA) monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein. Einen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zur Errichtung des Gebäudes machte er darin nicht geltend.

Erstmals in der am 28.9.2016 beim FA eingegangenen, zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuererklärung für 2015 machte er für die Errichtung dieses Zimmers anteilig den Vorsteuerabzug geltend. Mit Schreiben vom 27.2.2017 ergänzte der Kläger, dass der unternehmerische Nutzungsanteil nicht (wie bisher angenommen) 8,91 %, sondern 10,28 % betragen habe. Die abziehbare Vorsteuer erhöhe sich daher.

FA lehnt Vorsteuerabzug ab

Nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung beim Kläger nahm die Prüferin an, dass der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus zwei Gründen zu versagen sei: Erstens habe der Kläger das Gebäude nicht zeitnah dem Unternehmen zugeordnet und zweitens sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen, da die unternehmerische Nutzung des Gebäudes weniger als 10 % betrage. Das FA stimmte der Steuererklärung daher nicht zu, sondern setzte mit Bescheid vom 5.4.2017 die Umsatzsteuer für 2015 fest, ohne einen Vorsteuerabzug für das mit "Arbeiten" bezeichnete Zimmer zuzulassen.

FG weist die Klage ab

Das Sächsische FG wies die Klage ab. Es nahm an, eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung liege nur vor, wenn sie bis zum 31. Mai des Folgejahrs dem FA gegenüber abgegeben werde. Dies sei hier nicht geschehen. Die Planungsunterlagen seien keine hinreichende Dokumentation der Zuordnungsentscheidung, weil die Bezeichnung "Arbeiten" nicht zum Ausdruck bringe, dass es sich um ein dem Unternehmen zugeordnetes Zimmer handele. Es könne sich auch um ein häusliches Arbeitszimmer im Privatbereich handeln.

Aussetzung und Fortsetzung des Revisionsverfahrens

Der BFH hat mit Beschluss vom 18.09.2019 - XI R 3/19 (BStBl II 2021, S. 112) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH um Vorabentscheidung zweier Fragen zum Zuordnungswahlrecht ersucht. Nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 14.10.2021 - C-45/20 und C-46/20 und Beantwortung seiner Fragen hat der BFH das Revisionsverfahren fortgesetzt.

Entscheidung: BFH hält die Revision für begründet

Der BFH hält die Revision für begründet. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nur dann vorliegt, wenn diese bis zum 31. Mai des Folgejahres dem FA gegenüber abgegeben wird. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Allerdings ist die Sache nicht spruchreif, da die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um abschließend zu entscheiden.

Ausführungen der Richter

Für die Dokumentation der Zuordnung ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

Für eine Zuordnung zum Unternehmen kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird. So ist es z.B. dann, wenn der Unternehmer für seinen Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so beizubehalten.

Anhand der tatsächlichen Feststellungen des FG kann vom BFH allerdings nicht entschieden werden, ob der Kläger die Zuordnung der Eingangsleistungen des Streitjahrs 2015 zum Unternehmen rechtzeitig, d.h. bis zum 31. Mai des Folgejahrs, "implizit" (konkludent) vorgenommen hat. Entgegen der Auffassung des FG kann sich aus den Bauplänen vom 29.7.2014 eine Zuordnung ergeben, sofern zu den Bauplänen weitere Umstände hinzutreten. Die gegenteilige Sichtweise des FG widerspricht dem EuGH.

BFH gibt Hinweise für den 2. Rechtsgang

Der BFH weist das FG für den 2. Rechtsgang u.a. auf Folgendes hin:

  • Einer Zuordnung steht nicht entgegen, dass der Kläger in den von ihm beim FA eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen einen Vorsteuerabzug nicht vorgenommen hat.
  • Die Steuerakten enthalten mehrere Anhaltspunkte dafür, dass das mit "Arbeiten" bezeichnete Zimmer bereits im Streitjahr 2015 (und damit vor dem 31. Mai des Folgejahres) für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen tatsächlich genutzt worden ist. Der Erstbezug des Gebäudes könnte nach Aktenlage am 23.11.2015 erfolgt sein.
  • Das FG wird außerdem, da es im Streitfall um ein Gebäude geht, in Bezug auf die Höhe der ggf. abziehbaren Vorsteuer das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1b UStG, Art. 168a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu berücksichtigen haben.
  • Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Bei der Ermittlung dieser unternehmerischen Mindestnutzung ist auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes abzustellen. Anhand der tatsächlichen Feststellungen des FG kann nicht hinreichend beurteilt werden, ob die unternehmerische Mindestnutzung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) erreicht ist.

BFH Urteil vom 04.05.2022 - XI R 28/21 (XI R 3/19), XI R 28/21, XI R 3/19 (veröffentlicht am 30.06.2022)

Alle am 30.06.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.


Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug, Unternehmen