Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilrechtliches oder wirtschaftliches Eigentum
Leitsatz (NV)
Die Beurteilung des Anspruchs auf Eigenheimzulage erfordert eine umfassende Prüfung des zivilrechtlichen und/oder wirtschaftlichen Eigentums an der fraglichen Wohnung.
Normenkette
AO § 39; EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloss 1967 mit einem Kleingartenverein einen Unterpachtvertrag über eine mit einem ca. 38 qm großen Kleinhaus bebaute Parzelle einer Kleingartenkolonie. Lt. Pachtvertrag war das Dauerwohnen in der Kolonie nicht gestattet. Alle Baulichkeiten auf der Parzelle, die mit dem Grund und Boden verbunden sind, galten nach § 9 des Pachtvertrages als wesentliche Bestandteile der Parzelle und dürfen ohne Zustimmung des Verpächters nicht entfernt werden. Der Unterpächter hatte nach Lösung des Pachtverhältnisses Anspruch auf angemessene Entschädigung, deren Höhe durch Abschätzung festgestellt wird.
Im Rahmen der Scheidung von seiner ersten Ehefrau 1968 wurde das vom Kläger 1967 durch Anbaumaßnahmen auf ca. 57 qm vergrößerte Kleinhaus als eheliche Wohnung angesehen und dem Kläger zur weiteren Nutzung zugewiesen. Die geschiedene Ehefrau veräußerte ihren ideellen, hälftigen Eigentumsanteil an dem Haus mit dem vorhandenen Inventar an den Kläger.
Im Jahre 1998 schloss der Kläger mit dem Land Berlin einen Mietvertrag über die genannte Parzelle, wonach das Land Berlin Eigentümer der Kleingartenanlage war und diese bis einschließlich 1997 einem Siedlungsverein mietweise zwecks weiterer Vermietung von einzelnen Parzellen an seine Mitglieder, teils nur zur gärtnerischen, teils auch zur eigenen wohnungswirtschaftlichen Nutzung, zur Verfügung stand. Der Kläger als Mieter war vor 1998 Untermieter des Siedlungsvereins. Ihm war lt. Mietvertrag bekannt, dass alle auf der bisherigen Untermietfläche befindlichen Baulichkeiten als sein Eigentum i.S. von § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzusehen sind. Das Wohnen auf dem Mietgrundstück war nur dem Mieter für die Dauer seines Mietrechts gestattet. Nach Beendigung des Mietverhältnisses war das Grundstück völlig abzuräumen.
Mit notariellem Vertrag vom November 1998 erwarb die B-KG (B-KG) das Eigentum an der Kleingartenanlage. Im März 2000 schlossen der Kläger und seine zweite Ehefrau (Klägerin und Revisionsbeklagte --Klägerin--) mit der B-KG einen Kaufvertrag, wonach die Eheleute die fragliche Parzelle für einen Kaufpreis von … DM erwarben. Der Kaufpreis wurde ohne Berücksichtigung des vorhandenen Wohngebäudes allein anhand des Wertes des Grund und Bodens ermittelt. Der bisherige Mietvertrag wurde aufgehoben.
Mit Bescheid vom Februar 2001 lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Antrag der Kläger auf Festsetzung von Eigenheimzulage (Grundzulage, § 9 Abs. 2 des Eigenheimzulagengesetzes --EigZulG-- und Kinderzulage, § 9 Abs. 5 EigZulG) ab 2000 mangels Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage der Kläger mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1135, veröffentlichten Urteil überwiegend statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 2 EigZulG. Die Kläger hätten mit Kaufvertrag vom März 2000 keine Wohnung erworben, sondern nur den Grund und Boden. Die Wohnung habe der Kläger bereits 1967 angeschafft bzw. hergestellt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die finanzgerichtlichen Feststellungen tragen die Entscheidung des FG nicht, dass vor Abschluss des Kaufvertrages hinsichtlich der streitbefangenen Parzelle im März 2000 weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum an dem vom Kläger bewohnten Gebäude begründet wurde.
1. § 2 Abs. 1 EigZulG begünstigt u.a. die Anschaffung einer Wohnung in einem eigenen Haus.
a) Der Begriff "eigen" bedeutet, dass der Anspruchsberechtigte wenn nicht zivilrechtlicher so doch wirtschaftlicher Eigentümer des begünstigten Objekts (hier: der Wohnung) i.S. von § 39 der Abgabenordnung (AO) sein muss. Wirtschaftlicher Eigentümer ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ein wirtschaftlicher Ausschluss in diesem Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juni 2004 III R 50/01, BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, und III R 42/02, BFH/NV 2005, 164, jeweils m.w.N.).
b) Trägt statt des zivilrechtlichen Eigentümers ein Nutzungsberechtigter die Kosten der Anschaffung oder Herstellung einer von ihm eigengenutzten Wohnung, ist er wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ihm auf Dauer Substanz und Ertrag der Wohnung wirtschaftlich zustehen. Hiervon ist auszugehen, wenn der Nutzungsberechtigte aufgrund eindeutiger und im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft --unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers-- innehat, weil die Wohnung nach der voraussichtlichen Dauer des Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechenden Verlauf wirtschaftlich verbraucht ist oder wenn der Nutzungsberechtigte für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts der Wohnung gegen den zivilrechtlichen Eigentümer hat (z.B. BFH-Urteil in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, m.w.N.).
c) Errichtet jemand im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einem fremden Grundstück ein Gebäude, ist der Grundstückseigentümer grundsätzlich zivilrechtlicher und zugleich wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes, wenn die Errichtung des Gebäudes sowohl dem Interesse des Bauenden als auch dem des Grundstückseigentümers dient, der Wert des Gebäudes sich nicht innerhalb der vereinbarten Nutzungszeit verzehrt und nach Ablauf der Nutzungszeit die Verhältnisse neu gestaltet werden können. Der Bauende ist wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ihm Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zustehen. Dies ist nicht nur der Fall, wenn das Gebäude nach Ablauf der voraussichtlichen Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht ist, sondern auch dann, wenn zwar die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes die Dauer der Nutzungsbefugnis überschreitet, der Nutzungsberechtigte, der die Kosten des Gebäudes getragen hat, aber für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts des Gebäudes gegen den Grundstückseigentümer hat (BFH-Urteil vom 18. Juli 2001 X R 15/01, BFHE 196, 151, BStBl II 2002, 278; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, sowie BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225). Im Einzelfall kommt es auf etwaige Vereinbarungen, z.B. ein Abbedingen des Ausgleichsanspruchs gemäß § 951, 812 BGB (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741) an.
d) Der Einordnung eines Gebäudes als bloßer Scheinbestandteil des Grundstücks i.S. von § 95 BGB kommt für die Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums an diesem Gebäude lediglich insoweit Bedeutung zu, als sie zum Auseinanderfallen von zivilrechtlichem Eigentum an Grund und Boden sowie Gebäude führt. Auch von einem Scheinbestandteil ist jedoch nicht auszugehen, wenn der Eigentümer des Grundstücks das Gebäude nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses übernehmen soll, sei es gegen Zahlung einer vereinbarten oder noch zu ermittelnden Ablösung, sei es unentgeltlich (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 12. Juli 1984 IX ZR 124/83, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 789, unter II. 2. a, m.w.N.). Zwar spricht in Fällen, in denen ein Pächter oder in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden verbindet, regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarung nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht (vgl. § 95 Abs. 1 BGB). Diese Vermutung ist jedoch entkräftet, wenn der Erbauer bei Errichtung des Baues den Willen hat, das Bauwerk bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in das Eigentum seines Vertragspartners übergehen zu lassen (vgl. BGH-Urteil vom 13. Februar 2003 III ZR 176/02, NZM 2003, 375, unter I. 1. b aa, m.w.N.). Maßgeblich ist auch insoweit die jeweilige Vertragsbeziehung im Einzelfall.
2. Die finanzgerichtlichen Feststellungen gestatten keine abschließende Beurteilung dazu, in welchem Zeitpunkt der Kläger das zivilrechtliche und/oder wirtschaftliche Eigentum an dem von ihm bewohnten Kleinhaus erlangt hat.
Zwar obliegt die Vertragsauslegung dem FG als Tatsacheninstanz; wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist, bindet sie den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20, unter II. 4., m.w.N.). Im Streitfall sind Vertragsauslegung und Tatsachenfeststellung des FG jedoch nicht hinreichend. Hierin liegt ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt.
a) Die Entwicklung des zivilrechtlichen Eigentums an dem streitbefangenen Haus von 1967 bis 2000 ist ausgehend von den finanzgerichtlichen Feststellungen nicht lückenlos nachvollziehbar. Insbesondere hat das FG bei seiner Würdigung der festgestellten Vertragsbeziehungen nicht berücksichtigt, dass im Kaufvertrag vom März 2000 kein Kaufpreis für das Haus angesetzt wurde. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass das zivilrechtliche (§ 39 Abs. 1 AO) oder aber das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) bereits zuvor auf den Kläger übergegangen ist, etwa in Erfüllung einer Ausgleichsforderung. Im Hinblick darauf hätte das FG prüfen müssen, ob --ggf. infolge einer Trennung des zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden schon 1967 oder danach-- der Mietvertrag von 1998 zutreffend in lediglich deklaratorischer Weise vom Eigentum des Klägers an dem fraglichen Gebäude spricht. Anlass für eine weitergehende Prüfung dieser Eigentumsverhältnisse hätte für das FG auch der Umstand sein müssen, dass nach einem in der Eigenheimzulage-Akte (Bl. 67) befindlichen Vermerk der Bewertungsstelle des FA vom 19. März 2002 der Kläger bereits vor dem Kauf von Grund und Boden als Eigentümer des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden eingetragen war.
Auch für die Einordnung des wirtschaftlichen Eigentums an dem streitbefangenen Gebäude bilden die finanzgerichtlichen Feststellungen keine hinreichende Grundlage. Insbesondere hat das FG nicht geprüft, ob anlässlich der zwischenzeitlichen Baumaßnahmen nach Abschluss des Unterpachtvertrages von 1967 ein Anspruch des Klägers auf Ersatz des Verkehrswerts des Gebäudes begründet wurde.
Schließlich hat das FG auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei dem Kleinhaus um eine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 EigZulG nicht begünstigte Ferien- oder Wochenendwohnung handelt; denn nach dem Unterpachtvertrag aus dem Jahre 1967, auf dessen Regelungen das FG maßgeblich abstellt, ist ein Dauerwohnen auf der Parzelle nicht gestattet.
b) Die Sache ist daher nicht spruchreif. Das FG wird die notwendigen Feststellungen in einer erneuten Verhandlung und Entscheidung nachholen müssen.
Fundstellen
BFH/NV 2007, 1836 |
HFR 2007, 1179 |