Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung des Einheitswertbescheids für Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus
Leitsatz (NV)
1. Der Einheitswertbescheid mit seiner Artfeststellung als Einfamilienhaus ist Grundlagenbescheid für die pauschalierte Besteuerung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nach § 21 a EStG.
2. Sofern das Einfamilienhaus innerhalb eines Kalenderjahres bezugsfertig geworden ist, ist derjenige Einheitswert maßgeblich, der zuerst für das Einfamilienhaus festgestellt worden ist.
3. Fehlt es an einer Artfeststellung als Einfamilienhaus, so ist der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus nicht nach § 21 a EStG, sondern nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zu ermitteln.
Normenkette
EinfHausV § 1; EinfHausV § 3 Abs. 1 S. 2; EStG §§ 7b, 21 Abs. 2 Alt. 1, § 21a
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichteten auf einem ihnen gehörenden Grundstück ein Wohngebäude, das im August 1972 bezugsfertig wurde und das die Kläger sodann selbst bewohnten. Die Herstellungskosten betrugen 344 255 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete in seinen Einheitswertbescheiden auf den 1. Januar 1973 und den 1. Januar 1974 aufgrund der Erklärung der Kläger zur Feststellung des Einheitswertes und der beigefügten Bauzeichnung das Grundstück als Zweifamilienhaus.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1972, 1974 und 1975 ermittelten die Kläger den Nutzungswert ihres Wohngebäudes durch Gegenüberstellung des Rohmietwerts und der Werbungskosten. Sie machten erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 5 v. H. der für Zweifamilienhäuser geltenden Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM geltend.
Das FA erließ für die Jahre 1972 und 1974 erklärungsgemäß Einkommensteuerbescheide, die bestandskräftig wurden. Die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1975 stellte das FA bis zu einer Besichtigung des Gebäudes durch einen Bausachverständigen zurück.
Der Bausachverständige stellte im Jahr 1976 fest, daß die bauliche Gestaltung von dem Bauplan abwich. Das Obergeschoß enthielt statt der eingezeichneten Küche ein Duschbad mit zwei Waschbecken und einer Toilette. Außerdem waren die Räume im Obergeschoß nicht abgeschlossen. Im ganzen Haus wurde nur ein Haushalt geführt.
Daraufhin änderte das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) seine Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1973 und den 1. Januar 1974, indem es nunmehr das Grundstück als Einfamilienhaus bewertete. Zugleich änderte es am 30. September 1977 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 seine Einkommensteuerbescheide 1972 und 1974 und führte seine Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1975 durch. Dabei ermittelte es den Nutzungswert für den Veranlagungszeitraum 1972 nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHausV) und für die Veranlagungszeiträume 1974 und 1975 nach § 21 a EStG.
Die Kläger fochten sämtliche Bescheide mit der Begründung an, das FA hätte sich schon auf ihre Feststellungs- und Einkommensteuererklärungen hin durch Rückfrage ein Bild von ihrem Wohngebäude machen können. Dieses sei als Zweifamilienhaus mit Einliegerwohnung zu beurteilen. Der Baderaum sei zugleich als Küchenraum hergerichtet. Anschlüsse für Herd, Spüle, Kühlschrank und Geschirrspülmaschine seien vorhanden. Auf die tatsächliche Nutzung als Küche komme es nicht an.
Auf ihre Klage hin hob das Finanzgericht (FG) mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Dezember 1982 (Az. III 146/80) den geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1973 aus formellen Gründen auf. Hingegen wies es ihre Klage gegen den geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1974 ab. Ihre diesbezügliche Revision (Az. II R 261/83) blieb erfolglos.
Das FG wies ihre Klage in den - den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildenden - Einkommensteuersachen 1972, 1974 und 1975 ab. Das FA sei berechtigt, seine ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1972 und 1974 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern. Sie beruhten auf unrichtigen Angaben der Kläger. Die tatsächliche Beschaffenheit des Wohngebäudes sei erst durch die Feststellungen des Bausachverständigen bekanntgeworden. Der Nutzungswert sei nach den für Einfamilienhäuser geltenden Vorschriften zu ermitteln. Denn es fehle im Obergeschoß an einer abgeschlossenen Wohnung mit einer Küche.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Der erkennende Senat hat mit Zwischenurteil vom 20. März 1984 festgestellt, daß ihre Revision zulässig ist.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und der EinfHausV bzw. des § 21 a EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist in der Einkommensteuersache 1972 begründet, in den Einkommensteuersachen 1974 und 1975 hingegen unbegründet.
1. a) Bezüglich der Einkommensteuersache 1972 war das angefochtene Urteil aufzuheben. Denn das FG hat verkannt, daß die Ermittlung des Nutzungswerts aufgrund der EinfHausV eine Einheitsbewertung des Gebäudes als Einfamilienhaus voraussetzt.
Nach § 1 der im Streitjahr 1972 noch anwendbaren EinfHausV wurde der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus aufgrund des Einheitswerts des Grundstücks ermittelt. Maßgebend war nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EinfHausV, sofern das Einfamilienhaus innerhalb des Kalenderjahres bezugsfertig geworden war, der Einheitswert, der zuerst für das Einfamilienhaus festgestellt wurde. Der Einheitswertbescheid mit seiner Artfeststellung als Einfamilienhaus ist damit Grundlagenbescheid für die einkommensteuerrechtlich pauschalierte Nutzungswertbesteuerung. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) sowohl zur EinfHausV als auch zu dem vom Veranlagungszeitraum 1974 an geltenden § 21 a EStG entschieden (Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627; vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82, BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210; vom 13. Januar 1987 IX R 63/82, BFH/NV 1987, 570).
Nach diesen Grundsätzen war der Nutzungswert der Wohnung der Kläger im eigenen Haus für das Streitjahr 1972 - entgegen der Auffassung des FG - nicht nach der EinfHausV, sondern nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zu ermitteln. Denn es fehlt für dieses Jahr an einer Artfeststellung als Einfamilienhaus. Das Wohngebäude der Kläger war laut Einheitswert auf den der Bezugsfertigkeit folgenden 1. Januar 1973 als Zweifamilienhaus bewertet worden. Den geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1973 mit der Artfeststellung Einfamilienhaus hat das FG ersatzlos aufgehoben.
b) Die Ermittlung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG führt jedoch nicht zu der von den Klägern angestrebten Aufhebung des geänderten Einkommensteuerbescheids 1972 vom 30. September 1977, sondern nur zur Herabsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1972 auf 10 478 DM.
Das FA war nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 berechtigt, seine ursprüngliche Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1972 zu ändern. Erst im Jahr 1976 ist aufgrund der Feststellung des Bausachverständigen bekanntgeworden, daß das Gebäude entgegen der Einkommensteuererklärung der Kläger und ihrer im Einheitswertfeststellungsverfahren eingereichten Bauzeichnung keine zweite Wohnung im Obergeschoß enthielt, da es an der hierfür notwendigen Küche fehlte. Angesichts dieser Verletzung ihrer Erklärungspflicht können sich die Kläger nicht auf eine mangelnde Sachverhaltsermittlung durch das FA berufen.
Bei der Berechnung der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG ist nach Abs. 1 Satz 3 nicht die für Zweifamilienhäuser geltende Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM, sondern die für Einfamilienhäuser von 150 000 DM zugrunde zu legen. Insoweit ist die Artfeststellung der Einheitsbewertung nicht bindend (Urteil in BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210).
Die Einkommensteuer für das Streitjahr 1972 errechnet sich wie folgt: . . .
2. Das FG hat die Klage gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1974 und den erstmaligen Einkommensteuerbescheid 1975 zutreffend abgewiesen.
Das FA war nicht nur nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, sondern auch nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 a. F. befugt, seine ursprüngliche Einkommensteuerveranlagung 1974 bezüglich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu ändern, nachdem der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1974 als Grundlagenbescheid hinsichtlich der Artfeststellung vom Zweifamilienhaus zum Einfamilienhaus berichtigt worden war.
Das FA hat den Nutzungswert des Gebäudes der Kläger für die Streitjahre 1974 und 1975 zutreffend nach dem für eigengenutzte Einfamilienhäuser geltenden § 21 a EStG ermittelt. Denn nach dem hierfür bindenden geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1974 ist das Gebäude ein Einfamilienhaus.
Fundstellen
Haufe-Index 415631 |
BFH/NV 1988, 775 |