Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung der Artfeststellung als Zweifamilienhaus für die Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1981

 

Leitsatz (NV)

1. Ist ein Wohngrundstück als Zweifamilienhaus bewertet, kann sein Nutzungswert nicht nach § 21 a EStG 1981 pauchaliert werden. Denn der Einheitswertbescheid ist auch insoweit bindend (Ergänzung zur Senatsentscheidung vom 12. November 1991 IX R 117/88 BFHE 166, 214, BStBl II 1992, 286).

2. Das Finanzamt ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 verpflichtet, aus dem Einheitswertbescheid mit der Artfeststellung des Grundstücks als Zweifamilienhaus die Folgerungen für die Einkommensteuerfestsetzung auch dann zu ziehen, wenn in einem vorangegangenen Einspruchsverfahren der Einspruch nach entsprechendem Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit zurückgenommen wurde (Anschluß an das BFH-Urteil vom 11. März 1987 II R 206/83 BFHE 149, 136, BStBl II 1987, 417).

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 1, § 182; EStG 1981 § 21a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) - zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute - sind Eigentümer eines Grundstücks, das 1965 mit einem Wohngebäude bebaut wurde. Das Gebäude enthält zwei Wohnungen und wird von den Klägern allein bewohnt. Das Grundstück wurde vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) mit Einheitswertbescheid vom 20. Januar 1976 auf den 1. Januar 1974 als Zweifamilienhaus bewertet.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1982) ermittelten die Kläger den Nutzungswert entsprechend der Veranlagung in den Vorjahren durch Einnahme-Überschußrechnung gemäß § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Werbungskostenüberschuß von . . . DM. Im Einkommensteuerbescheid 1982 vom 14. September 1983 wandte das FA dagegen die Pauschalierung des § 21 a EStG an. Den hiergegen gerichteten Einspruch nahmen die Kläger zurück, nachdem sie auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen worden waren. Am 25. Juni 1984 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1982 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. August 1983 VIII R 55/82 (BFHE 139, 341, BStBl II 1984, 86). Es berücksichtigte für die Kläger als Miteigentümer des streitigen Grundstücks Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von je . . . DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt und hob den geänderten Einkommensteuerbescheid auf, da die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht vorgelegen hätten. Der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1974 sei mit seiner Artfeststellung als Zweifamilienhaus kein Grundlagenbescheid.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Vorentscheidung verletzt § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977; das FA war nach dieser Vorschrift berechtigt, den früheren Steuerbescheid zu ändern.

Gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 war das FA verpflichtet, aus dem Einheitswertbescheid mit der Artfeststellung des Grundstücks als Zweifamilienhaus die Folgerungen für die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger zu ziehen (vgl. Senatsentscheidung vom 25. September 1990 IX R 188/87, BFH/NV 1991, 218 m. w. N.). Dies gilt auch bei einem vorangegangenen Einspruchsverfahren, das die Änderungsbefugnis des FA nicht beeinträchtigt (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1987 II R 206/83, BFHE 149, 136, BStBl II 1987, 417).

Der Einheitswertbescheid ist hinsichtlich der Feststellung der Grundstücksart und der Höhe des Einheitswerts für die Ermittlung der Einkünfte aus einem eigengenutzten Haus gemäß § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG 1981 grundsätzlich bindend (vgl. Senatsentscheidung vom 12. November 1991 IX R 117/88, BFHE 166, 214, BStBl II 1992, 288, m. w. N.). Dies hat der BFH zwar regelmäßig zu einer Artfeststellung als Einfamilienhaus ausgesprochen. Nichts anderes gilt jedoch entgegen der Auffassung des FG für eine Feststellung der Grundstücksart als Zweifamilienhaus; denn dadurch wird zugleich - konkludent - festgestellt, daß das Grundstück kein Einfamilienhaus ist. Auch mit dieser Feststellung ist der Einheitswertbescheid gemäß § 182 AO 1977 für die Einkommensbesteuerung von Bedeutung, da § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG die Artfeststellung als Einfamilienhaus voraussetzt. Hiervon ist der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82 (BFHE 148, 287, BStBl II 1987, 210) ausgegangen, wonach das Gebäude bei einer Umwandlung eines Einfamilienhauses in ein Zweifamilienhaus im Laufe eines Veranlagungszeitraums entsprechend dem für den nächsten Feststellungszeitpunkt zu treffenden Einheitswert als Zweifamilienhaus zu behandeln ist.

Der Anpassung des Einkommensteuerbescheids an den Einheitswertbescheid steht auch nicht entgegen, daß der Grundlagenbescheid bereits bei Erlaß eines früheren Steuerbescheids hätte berücksichtigt werden können (Senatsurteil in BFH/NV 1991, 218 m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418159

BFH/NV 1992, 599

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