Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit der Beiladung bei unzulässiger Klage
Leitsatz (NV)
Eine nach § 60 Abs. 3 FGO notwendige Beiladung darf auch dann nicht unterbleiben, wenn das FG die Klage als unzulässig abwies, diese aber nicht offensichtlich unzulässig ist (Anschluß an das BFH-Urteil vom 3. März 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632).
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 60 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Aufgrund einer 1975 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Gesellschafter einer im übrigen aus den Personen X., Y. und Z. bestehenden, inzwischen erloschenen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) an. Er rechnete ihm deshalb in den einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheiden für 1973 und 1974 Gewinnanteile zu.
Von dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1974 entfallen laut Bescheid vom 13. Oktober 1976 auf den Kläger . . . DM. Schließlich setzte das FA in den Gewerbesteuermeß- und Gewerbesteuerbescheiden für 1973 und 1974 einheitliche Steuermeßbeträge und Gewerbesteuer fest.
Gegen die mit dem 17. Dezember 1979 datierten, an die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugesandten Bescheidausfertigungen legte der Kläger Einspruch ein, indem er geltend machte, es seien ihm in den beiden Streitjahren insgesamt nur . . . DM zugeflossen und er sei nie Gesellschafter der GbR gewesen. Das FA wies die Einsprüche mit Entscheidungen vom 4. Dezember 1980 als unbegründet zurück, die es noch am selben Tage zur Post gab und die in der Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten am 5. Dezember 1980 eingingen.
Die am 6. Januar 1981 eingegangene Klage hielt das Finanzgericht (FG) für verspätet und wies die Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 26. Februar 1981 darauf hin. In seinem Schreiben vom 23. März 1981 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und machte geltend, die Klage sei, da die Einspruchsentscheidungen erst am 8. Dezember 1980 zugestellt worden seien und nicht schon am 6. Dezember 1980, rechtzeitig erhoben worden.
In der vom FG anberaumten mündlichen Verhandlung wurde über die Frage des Zeitpunkts der Zustellung Beweis erhoben durch Einvernehmen des Socius Rechtsanwalt A. als Zeugen.
Die ehemaligen übrigen Gesellschafter der GbR wurden nicht zum Verfahren beigeladen.
Das FG wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 95 veröffentlichten Urteil als unzulässig ab, weil die Einspruchsentscheidungen am 5. Dezember 1980 zugestellt worden seien und die Klagefrist auch nicht ohne Verschulden versäumt worden sei.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hätte die ehemaligen Gesellschafter X., Y. und Z. notwendig beiladen müssen.
a) Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß eine Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO gilt dies nur für diejenigen Personen nicht, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Im Streitfall sind die ehemaligen Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, weil es um die Frage geht, ob der Kläger überhaupt Gesellschafter der GbR gewesen ist und, wenn ja, in welcher Höhe ihm die vom FG festgestellten Gewinne 1973 und 1974 sowie der Einheitswert am Betriebsvermögen auf den 1. Januar 1974 zuzurechnen sind. Es handelt sich somit darum, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO).
Entsprechendes gilt für die Gewerbesteuermeß- und Gewerbesteuerbescheide 1973 und 1974: Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist bei Personengesellschaften Unternehmer und damit Steuerschuldner nicht die Gesellschaft als solche, sondern es sind die Mitunternehmer in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Februar 1980 I R 95/76, BFHE 130, 403, 408 ff., BStBl II 1980, 465, 468; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 5 GewStG a. F. Anm. 4; Blümich / Boyens / Steinbring / Klein/Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 5 Anm. 6). Würde der Kläger mit seiner Auffassung, er sei nie Gesellschafter gewesen, Recht bekommen, hätte dies zur Folge, daß nur noch die übrigen Gesellschafter die Gewerbesteuer als Gesamtschuldner schulden würden. Eine Entscheidung gegenüber dem Kläger kann also nicht getroffen werden, ohne unmittelbar und zwangsläufig in die Rechte Dritter - nämlich der übrigen Gesellschafter - einzugreifen (siehe Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 6431 in Verbindung mit 2167 mit weiteren Nachweisen).
b) Die Beiladung durfte auch nicht deshalb unterbleiben, weil das FG die Klage für unzulässig hielt und durch Prozeßurteil abwies. Nach dem Urteil des I. Senats vom 9. Mai 1979 I R 100/77 (BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632; siehe auch BFH-Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509; zustimmend Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 60 FGO Tz. 26 a; siehe ferner Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, a.a.O., Tz. 6452), dessen Grundsätzen der erkennende Senat sich anschließt, kann das FG von einer Beiladung nur dann absehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist. Würde man nämlich im Falle der Unzulässigkeit von einer notwendigen Beiladung überhaupt absehen, so würde den nicht beigeladenen Personen das Recht entzogen, ihrerseits mit Erfolg die Zulässigkeit der Klage geltend zu machen und ein Urteil in der Sache zu erstreiten.
Der I. Senat hat beispielhaft zwei Fallgruppen angeführt (BFHE 128, 142, 145, BStBl II 1979, 632, 634), bei denen er offensichtliche Unzulässigkeit für gegeben hält: Mangel der Bezeichnung des Streitgegenstandes entgegen § 65 Abs. 1 FGO und Klageerhebung nach Ablauf der in § 56 Abs. 3 FGO bestimmten Jahresfrist, innerhalb derer der Kläger noch erfolgreich den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen könnte. Der vorliegende Fall ist mit diesen Fallgruppen nicht vergleichbar: Die Klage ist, wenn überhaupt, nur um einen Tag verspätet beim FG eingegangen. Dieses hielt es sogar für erforderlich, über die Frage des zutreffenden Zustellungszeitpunktes Beweis zu erheben. Auch der Wiedereinsetzungsantrag, den der Kläger mit unverschuldetem Rechtsirrtum des seinen Rechtsfall bearbeitenden Prozeßvertreters über Beginn und Ende der Rechtsmittelfrist begründete, war nicht von vornherein aussichtslos. Bei diesem Sachverhalt liegt die Unzulässigkeit nicht so klar auf der Hand, daß den übrigen ehemaligen Gesellschaftern keine Gelegenheit mehr gegeben zu werden bräuchte, zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden Streitfragen Stellung zu nehmen.
c) Die unterbliebene notwendige Beiladung stellt als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Zurückverweisung der Sache ohne weitere Sachprüfung führen muß.
Fundstellen