Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustausschlußklausel bei Veräußerung des Betriebs samt Zuckerrübenlieferrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein an den Betrieb gebundenes Zuckerrübenlieferrecht ist ein immaterielles Wirtschaftsgut.
2. Veräußert ein Landwirt seinen Betrieb samt einem Zuckerrübenlieferrecht, so sind für die Ermittlung des nicht zu berücksichtigenden Verlustes i.S. von § 55 Abs. 6 EStG die für diese Wirtschaftsgüter gezahlten Entgelte dem Pauschalwert für den Grund und Boden gegenüberzustellen (Anschluß an BFH-Urteil vom 5. März 1998 IV R 23/96, BFHE 185, 435).
3. An dieser Rechtslage hat sich durch die rückwirkend in Kraft getretene Neufassung von § 55 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 nichts geändert.
Normenkette
EStG §§ 14, 16, 55 Abs. 1-6
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Dok.-Nr. 0145583; EFG 1998, 823) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) veräußerte durch notariellen Vertrag vom 15. Juni 1989 mit Wirkung zum 1. Oktober 1989 seinen landwirtschaftlichen Betrieb (rd. 63,5 ha) für 4 261 000 DM. Der Kaufpreis wurde später pauschal um 85 000 DM gemindert. Lt. § 6 des Vertrages war der Kaufpreis auf den Grund und Boden sowie weitere mitübertragene Wirtschaftsgüter aufgeteilt. U.a. sollten 30 400 DM auf die übertragenen 152 Aktien an der Zucker-AG entfallen. Nach § 7 des Vertrages gingen das "Zuckerrübenkontingent" (13 917 dz A- und B-Rüben, davon 10 124 dz A-Rüben) sowie die Rübenlieferrechte einschließlich der Lieferrechte aus den mitübertragenen 152 Aktien (4 dz pro Aktie) mit über.
Der Kläger erklärte einen Veräußerungsgewinn von 346 592 DM. Darin enthalten war u.a. ein Gewinn aus der Veräußerung der Aktien von 23 912 DM (30 400 DM abzüglich 928 DM anteiliger Veräußerungskosten sowie dem Buchwert von 5 560 DM), ferner ein Verlust von 61 608 DM aus der Veräußerung des Grund und Bodens einer nach dem 30. Juni 1970 erworbenen Teilfläche. Aus der Veräußerung des Grund und Bodens ergab sich außerdem ein nach Ansicht der Beteiligten nicht abziehbarer Verlust (§ 55 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―).
Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) zu der Auffassung, in dem Gesamtkaufpreis sei auch ein Entgelt für die übertragenen Zuckerrübenlieferrechte enthalten. Der nach dem Kaufvertrag nur auf den Grund und Boden entfallende Anteil am Kaufpreis sei im Verhältnis der Teilwerte des Grund und Bodens und des übergegangenen Rübenlieferrechts aufzuteilen.
Das FA ging dabei von einem Teilwert des Grund und Bodens in Höhe von 3 365 865 DM (5,30 DM/qm) aus. Den Teilwert des Rübenlieferrechts ermittelte der Prüfer mit Hilfe einer Deckungsbeitragsrechnung, der er ein übergegangenes Lieferrecht von 9 198 dt (Dezitonnen; darin enthalten 118 dt B-Rüben) zugrunde legte. Er ermittelte eine Deckungsbeitragsdifferenz von 2 488 DM/ha, die sich Veräußerer und Erwerber ―wie üblich― geteilt hätten. Diesen Vorteil bewertete er als immerwährende Nutzung mit dem Achtzehnfachen (§ 13 des Bewertungsgesetzes ―BewG―) mit insgesamt 22 392 DM pro Hektar. Unter Berücksichtigung des nachhaltigen Zuckerrübenbauanteils von 24,92 % der bewirtschafteten Fläche ergab sich ein Teilwert von 354 368 DM und ein Kaufpreisanteil von 370 861 DM für das Rübenlieferrecht. Nach Abzug der Veräußerungskosten betrug der Veräußerungsgewinn insoweit 359 566 DM. Den auf die Veräußerung der Aktien entfallenden Veräußerungsgewinn änderte das FA nicht. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 823) u.a. aus, entgegen der Auffassung der Kläger sei das Rübenlieferrecht ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut und nicht lediglich ein wertbildender Teil des Grund und Bodens. Da es sich um ein selbstgeschaffenes Wirtschaftsgut handele und ein Buchwert nicht vorhanden sei, sei der entsprechende Anteil des Gesamtkaufpreises in voller Höhe Veräußerungsgewinn. Das FA habe aber den auf das Rübenlieferrecht entfallenden Kaufpreisanteil zu hoch angesetzt.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 5 Abs. 2 EStG.
Der erkennende Senat hat am 4. Februar 1999 einen Gerichtsbescheid erlassen und denselben auf § 55 EStG in der damals geltenden Fassung gestützt. Das FA hat rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt. § 55 EStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Art. 1 Nr. 56 und 57, BGBl I 1999, 402 ff., BStBl I 1999, 304 ff.) neu gefaßt.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und gemäß dem Tenor des Gerichtsbescheides vom 4. Februar 1999 zu entscheiden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Der Senat hält die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmängel nicht für durchgreifend. Auf eine Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) verzichtet.
2. Zutreffend hat das FG entschieden, daß das betriebsgebundene Rübenlieferrecht ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut und nicht Bestandteil des Grund und Bodens ist. Das FG hat den darauf entfallenden Veräußerungsgewinn jedoch insoweit fehlerhaft ermittelt, als es von einem immerwährenden Recht ausgegangen ist und nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, daß dem Veräußerungspreis u.U. ein Buchwert zuzuordnen ist.
a) Das FG hat das Rübenlieferrecht rechtsfehlerfrei als eigenständiges immaterielles Anlagegut behandelt. Insoweit gilt nichts anderes als für die Milchreferenzmenge (s. Senatsurteil vom 5. März 1998 IV R 23/96, BFHE 185, 435, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG ist im Streitfall davon auszugehen, daß der Kläger außer den aktiengebundenen Lieferrechten auch ein an die Ackerflächen seines Betriebs gebundenes Zuckerrübenlieferrecht besaß, das der Quotenregelung der EG unterlag. Im Falle betrieblicher Veränderungen durch Veräußerung oder Verpachtung war es den Vertragsbeteiligten nach der Satzung der Zucker-AG freigestellt, eine Vereinbarung über den Wert des zu übertragenden Lieferrechts zu treffen. Das FG hat hieraus zu Recht gefolgert, daß der nur für den Grund und Boden im Vertrag ausgewiesene Teil des Gesamtkaufpreises in ein Entgelt für den Grund und Boden einerseits und das immaterielle Wirtschaftsgut Betriebs-Zuckerrübenlieferrecht andererseits aufzuteilen sei. Hiervon ging auch die Finanzverwaltung bereits für das Streitjahr aus (ländereinheitlicher Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 18. Dezember 1989, S 2230-156-31 1, Einkommensteuer-Kartei ―LuF― Niedersachsen § 13 EStG Nr. 1.32). Der Einwand der Kläger, das Zuckerrübenlieferrecht sei zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung (1989) noch nicht selbständig bewertbar gewesen, greift daher nicht durch.
b) Zu Unrecht haben FA und FG jedoch den Teilwert des betrieblichen Lieferrechts nach § 13 Abs. 2 BewG in der für das Streitjahr geltenden Fassung auf der Grundlage des Achtzehnfachen des Jahreswerts für immerwährende Nutzungen oder Leistungen ermittelt. Nach Auffassung des erkennenden Senats handelt es sich bei dem Zuckerrübenlieferrecht um ein Recht von "unbestimmter Dauer", das vorbehaltlich des Ansatzes lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen mit dem Neunfachen des Jahreswerts zu bewerten ist. Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind solche, deren Ende von Ereignissen abhängt, von denen ungewiß ist, ob und wann sie eintreten werden (Gürsching/ Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 13 BewG Anm. 15, m.w.N.). Bei Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer besteht hingegen Gewißheit über das Ende, nicht aber über den Zeitpunkt des Wegfalls (Gürsching/Stenger, a.a.O., Anm. 22).
Obwohl die Regelungen der EU zur Zuckermarktordnung bislang stets verlängert worden sind, war das Ende der Geltungsdauer der Quotenregelung aus der Sicht des Streitjahrs (1989) durchaus absehbar. Die damals geltende Verordnung Nr. 1785/81 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 30. Juni 1981 lief unstreitig zum 30. Juni 1991 aus (vgl. Grages, Die Lieferrechte der Zuckerrübenanbauer, 1989, S. 32). Entsprechend war auch die damals der Zucker-AG zugeteilte Zuckergrundquote befristet. Zwar wurde diese Quotenregelung auch über das Jahr 1991 hinaus verlängert; die derzeit gültige Regelung über die den Zuckerfabriken zugeteilte Zuckerquote ist jedoch wiederum bis zum 30. Juni 2001 befristet (Verordnung (EWG) Nr. 1101/95 ―VO Nr. 1101/95― des Rates vom 24. April 1995 zur Änderung der Verordnung (EWG) über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker und der Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 ―VO Nr. 1010/86― zur Festlegung der Grundregeln für die Produktionserstattung bei der Verwendung von bestimmten Erzeugnissen des Zuckersektors in der chemischen Industrie, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 110/1). Allein wegen der befristeten Kontingentierung des Zuckermarkts war im Streitjahr ungewiß, ob und in welcher Form die Ordnung des Zuckermarktes fortgeführt würde. Darin unterscheiden sich die Regelungen zur Kontingentierung des Zuckermarkts von den Verordnungen im Bereich des innergemeinschaftlichen Güterkraftverkehrs, die als endgültige Regelung eingeführt wurde (Verordnung (EWG) Nr. 1841/88 des Rates vom 21. Juni 1988, ABlEG Nr. L 163/1). Entgegen der Auffassung des FG sind daher die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Verbot der Abschreibung von Güterfernverkehrskonzessionen auf den Streitfall nicht übertragbar (s. etwa BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383, und Senatsurteil vom 14. Januar 1993 IV R 73/91, BFH/NV 1993, 525).
Zwar rechnet auch die Finanzverwaltung das Zuckerrübenlieferrecht dem nicht abnutzbaren Anlagevermögen zu, weil nach ihrer Auffassung insoweit ein immerwährendes Recht vorliegt (ländereinheitlicher Erlaß vom 18. Dezember 1989, a.a.O., unter Hinweis auf das zur Güterfernverkehrsgenehmigung ergangene BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 99/67, BFHE 101, 100, BStBl II 1971, 237 zu II.); dagegen behandelt sie die Milchreferenzmenge als abnutzbares immaterielles Anlagegut und damit als ein auf zehn Jahre befristetes Recht von unbestimmter Dauer (s. etwa Felsmann/König, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl. 1983, Anm. A 1477). Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Besteuerungsgleichheit ist dieser Widerspruch nach Auffassung des Senats nicht haltbar (ähnlich Grages, a.a.O., S. 214 Fn. 749; Felsmann/König, a.a.O., Anm. A 1477, die Abweichung nur unter Billigkeitsgesichtspunkten akzeptierend).
3. Die Vorentscheidung ist jedoch insofern zu beanstanden, als sie den auf das Zuckerrübenlieferrecht entfallenden Kaufpreisanteil in voller Höhe dem Veräußerungsgewinn zugeschlagen hat, weil der Kläger das Lieferrecht unentgeltlich erworben habe und sich der Pauschalwert des § 55 Abs. 1 EStG nur auf den Grund und Boden beziehe. Im Ergebnis werden danach Grund und Boden sowie Lieferrecht zur Berechnung des Teilwerts als gesonderte Wirtschaftsgüter behandelt, während bei Ermittlung des Buchwerts und Anwendung der Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 EStG das Lieferrecht als Bestandteil des Grund und Bodens gesehen wird. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann aber auch im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, daß von dem auf das Zuckerrübenlieferrecht entfallenden Kaufpreisanteil ein anteiliger Buchwert abzusetzen ist.
a) Mit Urteilen vom 5. März 1998 IV R 23/96 (BFHE 185, 435) und IV R 8/95 (BFHE 185, 434) hat der Senat entschieden, § 55 Abs. 6 EStG enthalte insofern eine verdeckte Regelungslücke, als der Gesetzgeber bei Einführung der Bodengewinnbesteuerung und Normierung der Verlustausschlußklausel nicht habe berücksichtigen können, daß sich der Wert des Grund und Bodens mit der späteren Schaffung der Milchreferenzmenge nachhaltig vermindert habe. Daher seien die für den Grund und Boden sowie für das immaterielle Wirtschaftsgut gezahlten Entgelte dem Pauschalwert für den Grund und Boden gegenüberzustellen. Nur im Rahmen dieser Einheitsbetrachtung (s. Leitsatz in BFHE 185, 434) wird die Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 EStG wirksam (vgl. auch Leingärtner/Zaisch, Besteuerung der Landwirte, 3. Aufl. 1998, Kap. 50 Rz. 28).
Entgegen einer Behauptung im Schrifttum hat der erkennende Senat, wie sich dem amtlichen Leitsatz in BFHE 185, 435 entnehmen läßt, damit nicht seine bisherige Rechtsprechung zur Verlustausschlußklausel des § 55 Abs. 6 EStG geändert oder aufgegeben (so aber Hiller, Die Information über Steuer und Wirtschaft ―Inf― 1998, 650, 652). In Abgrenzung von seinem Urteil vom 10. August 1978 IV R 181/77 (BFHE 126, 191, BStBl II 1979, 103) war für den Senat vielmehr entscheidend, welche wertbeeinflussenden Entwicklungen und Umstände für den Gesetzgeber bei Schaffung der Verlustausschlußklausel tatsächlich vorhersehbar waren. Die Entscheidungen in BFHE 185, 434 und 435 beruhten im übrigen auf der Überzeugung des Senats, daß die Einführung der Milchreferenzmenge einen Wertverlust der Grünlandflächen zur Folge hatte. Schließlich greift auch der Einwand nicht durch, nach § 5 Abs. 2 EStG seien nur entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter zu bilanzieren (so Hiller, Inf 1998, 650 ff.). Denn nach der Rechtsprechung des Senats können immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens Gegenstand einer Entnahme oder Veräußerung sein, auch wenn sie, da vom Steuerpflichtigen nicht entgeltlich erworben, nach § 5 Abs. 2 EStG und § 248 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in der Bilanz nicht ausgewiesen sind; ungeachtet des Aktivierungsverbots ist auch ein nicht entgeltlich von einem Dritten erworbenes, sondern vom Steuerpflichtigen selbst hergestelltes immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens bereits als Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut entstanden (Senatsurteil vom 23. März 1995 IV R 94/93, BFHE 177, 408, BStBl II 1995, 637). Diese Auffassung liegt auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde. Streitig ist nur die Höhe des Veräußerungsgewinns.
b) Hieraus folgt, daß eine verdeckte Regelungslücke auch im Streitfall nur dann zu bejahen ist, wenn sich der Wert der Anbauflächen für Zuckerrüben nach Einführung der Pauschalwerte für den Grund und Boden infolge der Quotenregelung nachhaltig vermindert hat. Zwar sind die Zuckerrübenlieferrechte bereits mit Einführung der Quotenregelung im Jahre 1968 entstanden (s. ländereinheitlicher Erlaß vom 18. Dezember 1989, a.a.O.). Streitig ist jedoch, ob sich die Zuckerrübenlieferrechte bereits am 1. Juli 1970 zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt hatten (so Wesche, HLBS Report 1998, 15; a.A. Grages, a.a.O., S. 213 f., m.w.N.), so daß sie sowohl bei Bemessung der Pauschalwerte des § 55 EStG Berücksichtigung finden aber auch Einfluß auf den Wert der Anbauflächen nehmen konnten. Das FG wird diese Feststellungen zu treffen haben. Unabhängig von dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme wird das FG aber auch den Teilwert des Zuckerrübenlieferrechts neu bestimmen müssen (s. 2. b).
4. a) An dieser Rechtslage hat sich durch die rückwirkend in Kraft getretene (§ 52 Abs. 60 EStG) Neufassung von § 55 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz vom 24. März 1999 (Art. 1 Nr. 56 und 57, BGBl I 1999, 402 ff., BStBl I 1999, 304 ff.) nichts geändert (a.A. Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 55 Rz. 5). Der neu in § 55 Abs. 1 EStG angefügte Satz 2 "Zum Grund und Boden im Sinne des Absatzes 1 gehören nicht die mit ihm in Zusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter und Nutzungsbefugnisse" stellt lediglich klar, daß der zum 1. Juli 1970 einzustellende Wert sich nur auf das damals existierende Wirtschaftsgut "Grund und Boden" bezieht. Dies entspricht genau der bisherigen Rechtsprechung (Senatsurteil in BFHE 185, 435). Danach gilt der seit dem 1. Juli 1970 gültige Pauschalwert i.S. von § 55 Abs. 1 EStG a.F. als Anschaffungs- oder Herstellungskosten für den Grund und Boden. Das Wirtschaftsgut "Milchreferenzmenge" wurde erst nach dem 1. Juli 1970 durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung vom 25. Mai 1984 geschaffen. Jedoch sind die natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens durch die Bezugnahme auf die für jedes katastermäßig abgegrenzte Flurstück ausgewiesenen Ertragsmeßzahlen (§ 55 Abs. 2 EStG) und ihre Vervielfachung (§ 2 des Bodenschätzungsgesetzes ―BodSchätzG―, § 4 der Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz ―BodSchätzDB―) in den Pauschalwert eingegangen (vgl. Senatsurteil in BFHE 185, 435, unter 3.; Sommerfeld, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1994, 2 ff.). Die Ertragsmeßzahl einer Grünlandfläche ―typische Grundlage eines Milchviehbetriebes― gibt deren Ertragsfähigkeit als zum Mähen und Weiden geeignete Dauergrasfläche an (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 und § 4 Abs. 3 BodSchätzDB). Ebenso hat sich die Rübenfähigkeit einer Ackerfläche in der Ertragsmeßzahl als der Grundlage des Pauschalwertes niedergeschlagen. Die Ertragsmeßzahl ist auch regelmäßig höher, wenn der Landwirt Zuckerrüben statt z.B. Weizen anbaut. Deshalb stellt sich aus Gründen der Vermeidung einer nicht beabsichtigten "Doppelbesteuerung" die vom erkennenden Senat bejahte Frage, ob nicht der Teil des zum 1. Juli 1970 gebildeten Pauschalwertes, der auf die natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens zurückzuführen ist, soweit er später Eingang in ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut "Milchreferenzmenge" oder "Zuckerrübenlieferrecht" gefunden hat, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns abzusetzen ist, weil es sich um Nutzungsbefugnisse i.S. des § 55 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. handelt, die (aus heutiger Sicht) nicht zum Grund und Boden gehören (zur Abspaltung von Wirtschaftsgütern vgl. Senatsurteile vom 26. November 1998 IV R 52/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1999, 356, und vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, HFR 1999, 374). Dieser Überlegung steht das in § 55 Abs. 6 EStG eingefügte Wort "ausschließlich" nicht entgegen (a.A. Hiller, Inf 1999, 289 ff., 292). Die Gesetzesformulierung besagt nur, daß bei der Ermittlung des nicht abziehbaren Veräußerungsverlustes nur der Teil des Veräußerungspreises zu berücksichtigen ist, der auf den Grund und Boden entfällt. § 55 Abs. 6 EStG äußert sich jedoch nicht zu der Frage, ob und welcher Buchwert von dem (steuerpflichtigen) Veräußerungspreis abzusetzen ist.
b) Zwar war nach der Einzelbegründung zu § 55 EStG (BTDrucks 14/443 S. 34 f.) mit der Neufassung beabsichtigt, "die Rechtslage, wie sie der Verwaltungsauffassung vor dem Ergehen des BFH-Urteils vom 5. März 1998 IV R 23/96 (BFHE 185, 435) entsprach", wiederherzustellen. Daraus zieht das FA den Schluß (ebenso Hiller, Inf 1999, 289 ff., 292; Kraeusel, DStZ 1999, 401 ff., 431 ff., 438), daß für die Ermittlung des nicht zu berücksichtigenden Verlustes der Grund und Boden mit dem unveränderten Pauschalwert angesetzt und das Lieferrecht wegen des angeblich unentgeltlichen Erwerbs (§ 5 Abs. 2 EStG) nicht bewertet werden sollen. Diese Absicht hat jedoch im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden; der Wortlaut des neugefaßten § 55 EStG ist insoweit eindeutig. Der subjektive Wille der an der Gesetzgebung Beteiligten ist daher für die Auslegung ohne Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167, und vom 13. Oktober 1998 VIII R 78/97, BFHE 187, 227). Die Ansicht des FA beruht im übrigen auf einem unrichtigen Verständnis des Senatsurteils in BFHE 185, 435. Richtigerweise geht es nicht um die Frage, ob das Lieferrecht entgeltlich erworben wurde, sondern ob es vom ursprünglichen Wirtschaftsgut "Grund und Boden" abgespalten wurde. Die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 14/443 S. 35) gehen zu Recht davon aus, daß nach den vom Senat entschiedenen Fällen (BFHE 185, 434 und 435) der nach § 55 Abs. 6 EStG a.F. nicht zu berücksichtigende Verlust um einen auf die Milchreferenzmenge entfallenden Gewinn erhöht werden muß. Wenn aber der Gewinn aus der Veräußerung des Wirtschaftsgutes "Milchreferenzmenge" steuerpflichtig ist, dann muß bei seiner Ermittlung der Teil des Pauschalwertes als Aufwand abgesetzt werden, der aufgrund § 55 Abs. 1 EStG zu aktivieren war. Damit werden nicht ―wie von Vertretern der Finanzverwaltung fälschlicherweise angenommen― die auf die Milchreferenzmenge entfallenden Veräußerungs- und Aufgabegewinne grundsätzlich steuerfrei gestellt. Auch ist es nicht Voraussetzung für das Absetzen eines anteiligen Buchwertes, daß der Teilwert des Grund und Bodens infolge der Einführung der Milchreferenzmenge tatsächlich unter den Teilwert vom 1. Juli 1970 gesunken ist. Vielmehr ist allein entscheidend, daß im Pauschalwert die durch die Möglichkeit der Lieferrechte gesteigerte Ertragsfähigkeit des Grund und Bodens mitbewertet wurde und folglich auch bei der Aufgabe bzw. Veräußerung des Betriebs gedanklich ein Teil des Pauschalwertes sich aufwandsmäßig durch die steuerpflichtige Veräußerung des auf das zwischenzeitlich zu einem selbständigen Wirtschaftsgut erstarkten Lieferrechts verbraucht.
Fundstellen
Haufe-Index 56251 |
BFH/NV 1999, 1550 |
BStBl II 2003, 58 |
BFHE 189, 132 |
BFHE 2000, 132 |
BB 1999, 1749 |
BB 1999, 2666 |
DB 1999, 1785 |
DStR 1999, 1350 |
DStRE 1999, 714 |
HFR 1999, 800 |