Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsregelung zur Nutzungswertbesteuerung nach § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG auf eigengenutzte Wohnungen im Beitrittsgebiet nicht anwendbar
Leitsatz (NV)
Eine entsprechende Anwendung der sog. großen Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG zur Nutzungswertbesteuerung auf Wohnungen im Beitrittsgebiet scheidet wegen fehlender Vergleichbarkeit der DDR-Steuerregelungen mit der Nutzungswertbesteuerung nach § 21 EStG a.F. aus
Normenkette
FGO § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a; EStG §§ 21, 52 Abs. 21 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu je einem Viertel Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in Thüringen, das sie zum Teil zu eigenen Wohnzwecken nutzten und im Übrigen vermieteten. Die von ihnen geltend gemachten Werbungskosten erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1991 nicht an, soweit sie auf die von den Klägern selbstgenutzten Wohnungen entfielen.
Dagegen erhoben die Kläger mit der Begründung Einspruch, in den erklärten Mieteinnahmen seien die Mietwerte der eigengenutzten Wohnungen enthalten; die diesbezüglich angefallenen Werbungskosten seien zu berücksichtigen. In der Einspruchsentscheidung erfasste das FA den Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnungen nicht mehr. Es stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf ./. 11 974 DM fest. Der weiter gehende Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger eine Fortführung der Nutzungswertbesteuerung nach § 52 Abs. 21 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begehrten, durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 805 veröffentlichtes Urteil als unbegründet ab. Dieses Urteil hob der Senat mit Urteil vom 21. Oktober 1997 IX R 29/95 (BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142) auf und verwies die Sache zur Prüfung zurück, ob eine Fortführung der Nutzungswertbesteuerung in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 21 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG im Beitrittsgebiet aufgrund der vom FG aufzuklärenden Besteuerungspraxis in der ehemaligen DDR aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―) geboten sei.
Das FG hat im zweiten Rechtszug eine entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften aufgrund seiner Feststellungen zur Nutzungswertbesteuerung nach DDR-Recht verneint, weil dessen Regelungen über die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, insbesondere über die Besteuerung des Nutzungswertes selbstgenutzten Wohnraums, im Hinblick auf die Möglichkeiten des Verlustausgleichs mit denjenigen der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nicht vergleichbar gewesen seien.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie tragen im Wesentlichen vor:
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im ersten Rechtszug den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage für eine entsprechende Anwendung der sog. großen Übergangsregelung auf der Nutzungswertbesteuerung unterlegene Wohnungen im Beitrittsgebiet angesehen. Danach müssten die gesetzlichen Regelungen der DDR zur Nutzungswertbesteuerung der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus ―insbesondere auch im Hinblick auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten― den bundesrechtlichen Regelungen lediglich in den tragenden Grundsätzen entsprechen. Unerheblich sei, dass die DDR für andere Einkunftsarten eine Abschlagsteuer mit Abgeltungscharakter eingeführt habe. Im Übrigen hätte die Steuerlast auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch ohne ―dem Bundesrecht vergleichbare― Regelungen zum Verlustvortrag mit den Vorschriften des DDR-Einkommensteuergesetzes und der Nebenbestimmungen über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg gezielt gesteuert und optimiert werden können. Schließlich müsse bei der Beurteilung der Gleichheit der Besteuerungssysteme die Einmaligkeit der Wiedervereinigung und das besondere Gerechtigkeitsbedürfnis der Bürger der ehemaligen DDR berücksichtigt werden.
Die Kläger beantragen, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Ansatz eines Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 20 991 DM zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Die Revisionsbegründung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie sich nicht hinreichend mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung sachlich auseinander setze. Im Übrigen komme eine entsprechende Anwendung der großen Übergangsregelung schon deshalb nicht in Betracht, weil nach DDR-Recht Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung anders als nach Bundesrecht nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten hätten ausgeglichen werden können.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Revision ist zulässig.
Insbesondere genügt die Revisionsbegründung entgegen der Auffassung des FA den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
a) Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) muss die Revisionsbegründung ebenso wie nach der zur früheren Fassung ergangenen Rechtsprechung des BFH u.a. die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (vgl. BTDrucks 14/4061, S. 11: Konkretisierung der Begründungsanforderungen im Interesse einer größeren Transparenz für den Rechtsmittelführer; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 120 FGO Rz. 177; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 58; Rüsken in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 120 FGO Rz. 155.1; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Rz. 90 a; Spindler, Der Betrieb ―DB― 2001, 61, 63). Zur hinreichend bestimmten Bezeichnung dieser Umstände muss die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen, welche Norm der Revisionskläger für verletzt und aus welchen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art er das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. April 2002 VII R 109/00, BFH/NV 2002, 1185, m.w.N.). Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinander setzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 1998 III R 7/98, BFH/NV 1999, 501, 502; Urteil vom 16. März 2000 III R 21/99, BFHE 192, 169, 172, BStBl II 2000, 700, 702).
b) Diesen Anforderungen genügt die Begründung im Streitfall.
Sie setzt sich hinreichend mit dem aus der Sicht des FG entscheidenden Argument auseinander, wegen der im DDR-Recht fehlenden Verlustausgleichsmöglichkeit mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten komme eine analoge Anwendung der großen Übergangsregelung nicht in Betracht. Denn die Kläger halten diesem Argument ―sach- und urteilsbezogen― entgegen, dass auch ohne Regelungen zum Verlustvortrag mit den Regelungen des DDR-Einkommensteuergesetzes und der Nebenbestimmungen die Steuerlast auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg hätte gezielt gesteuert und optimiert werden können.
2. Die Revision ist unbegründet.
Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG, gegen die Einwendungen nicht erhoben worden und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hat das angefochtene Urteil zu Recht eine entsprechende Anwendung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG im Streitjahr 1991 auf eigengenutzte Wohnungen im Beitrittsgebiet abgelehnt.
a) Nach der im ersten Rechtzug ergangenen Entscheidung des Senats (Urteil in BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142) kann im Beitrittsgebiet der Nutzungswert für eine Wohnung im eigenen Haus nur dann in entsprechender Anwendung der sog. großen Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG durch Einnahme-Überschussrechnung im Streitjahr 1991 ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswertes als Überschuss des Mietwerts über die Werbungskosten nach DDR-Recht vorgelegen haben und sowohl die entsprechenden Vorschriften als auch die darauf bezogene Besteuerungspraxis mit der Nutzungswertbesteuerung nach Bundesrecht (auch hinsichtlich des Verlustausgleichs sowie in Bezug auf Art und Nutzung des Gebäudes in 1986, Zeitpunkt der Anschaffung oder des Bauantrags ―vgl. § 21a Abs. 7 EStG― und die Eigentumsverhältnisse) vergleichbar war; (nur) für diesen Fall, dessen tatsächliche Voraussetzungen das FG im zweiten Rechtszug aufzuklären hatte, hatte der Senat die analoge Anwendung der sog. großen Übergangsregelung nach § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG im Beitrittsgebiet zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlung für geboten gehalten (vgl. Urteil in BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142).
b) Die Auffassung des FG, die Praxis der Besteuerung des Nutzungswerts eigengenutzter Wohnungen nach dem DDR-Steuerrecht habe derjenigen nach Bundesrecht im Wesentlichen ―insbesondere hinsichtlich der Möglichkeiten zum Ausgleich der Verluste aus Vermietung und Verpachtung― nicht entsprochen, ist nach seinen für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Wie das FG festgestellt hat, erfolgte die Nutzungswertbesteuerung gemäß § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes der ehemaligen DDR vom 18. September 1970 (Gesetzblatt der DDR ―GBl DDR―, Sonderdruck 670) ―tatsächlich― auf der Grundlage des Merkblatts 6 ("Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung") des Ministerrats der DDR (nachfolgend ―Merkblatt―) durch Einnahme-Überschussrechnung unter Berücksichtigung von Einnahmen (unter Ansatz des Mietwerts entsprechend den im Übrigen vermieteten Wohnungen; Ziff. 1. 3. 1 des Merkblatts) und Werbungskosten zwar entsprechend den in der Bundesrepublik geltenden Grundsätzen.
Zu Recht verweist das FG aber darauf, dass abgesehen von der nicht vergleichbaren Sonderregelung für eigengenutzte Einfamilienhäuser (Steuerfreiheit des Nutzungswerts bei ausschließlichem Bezug von Arbeitseinkommen) auch die Nutzungswertbesteuerung eigengenutzter Wohnungen in Mehrfamilienhäusern nicht der Besteuerung nach Bundesrecht entsprach.
Insbesondere konnten im Einzelfall erzielte Werbungskostenüber-schüsse in wesentlicher Abweichung zum Bundesrecht ausschließlich mit positiven Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung saldiert, nicht aber mit positiven Einnahmen aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden (§ 5 der Besteuerungsrichtlinie vom 24. August 1979, GBl DDR Sonderdruck Nr. 1016; Ziff. 1. 2. des Merkblatts). Damit fehlte nach DDR-Steuerrecht die für die bundesdeutsche Nutzungswertbesteuerung maßgebliche Möglichkeit der Steuerminderung durch Ausgleich positiver Einnahmen aus anderen Einkunftsarten mit Werbungskostenüberschüssen aus Vermietung und Verpachtung. Das Fehlen einer vergleichbaren Verlustausgleichsmöglichkeit wird ersichtlich auch nicht durch das Recht auf Verteilung größerer Aufwendungen für Instandhaltung und Instandsetzung bei Wohngrundstücken bis zu fünf Jahre (Ziff. 1. 5. e des Merkblatts) oder die Möglichkeit zur Verteilung von Aufwendungen nach Genehmigung der Abteilung der Finanzen über den Zeitraum von fünf Jahren hinaus ―ohne Höchstbegrenzung― (Ziff. 3. 4. 3. des Merkblatts) ausgeglichen.
Auf dieser Grundlage ist mit dem FG davon auszugehen, dass die Nutzungswertbesteuerung für eigengenutzte Wohnungen nach dem DDR-Steuerrecht schon wegen der Unterschiede in der Möglichkeit des Verlustausgleichs nicht der Nutzungswertbesteuerung nach Bundesrecht entsprach.
Fundstellen