Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an zulässige Revisionsbegründung; „Beginn der Herstellung“ i.S. von § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 i.V.m. § 10e EStG 1992; Saldierung von Besteuerungsgrundlagen bei zusammen veranlagten Ehegatten
Leitsatz (NV)
- In der Revisions- oder Revisionsbegründungsschrift muss die nach Ansicht des Revisionsklägers verletzte Rechtsnorm bezeichnet werden. Es muss sich um eine Norm des Bundesrechts handeln; diese kann dem materiellen oder dem Verfahrensrecht angehören. Die erhobene Rüge muss zwar nicht unbedingt durch Angabe eines bestimmten Paragraphen gekennzeichnet werden. In jedem Fall muss aber eindeutig erkennbar sein, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält.
- Der "Beginn der Herstellung" (Beginn der Bauarbeiten) i.S. des § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 i.V.m. § 10e EStG 1992 des vom Steuerpflichtigen angeschafften Objekts liegt nicht schon im Abstecken der Grundfläche der baulichen Anlage, der Festlegung ihrer Höhenlage (sog. Schnurgerüsterstellung), dem Abschieben des Humus und in der Abnahme des Schnurgerüsts, sondern erst in dem In-Gang-Setzen der eigentlichen Bauarbeiten, insbesondere im Beginn der Ausschachtungsarbeiten.
- Das FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht daran gehindert, unter Beachtung des "Verböserungsverbots" vom FA zu Unrecht als Werbungskosten des nichtklagenden zusammen veranlagten Ehegatten anerkannte Aufwendungen mit vom FA ebenfalls zu Unrecht nicht zum steuerermäßigenden Abzug zugelassenen Aufwendungen des klagenden Ehegatten zu saldieren.
Normenkette
EStG 1992 § 10e Abs. 6a; FGO § 120 Abs. 2 S. 2, § 96 Abs. 1 S. 2; AO 1977 § 44; EStG 1992 § 10e Abs. 1, § 52 Abs. 14 S. 3
Verfahrensgang
FG München (EFG 2001, 135) |
Tatbestand
A. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlussrevisionsbeklagte (Klägerin) wird mit ihrem Ehemann für die Streitjahre (1992 bis 1994) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 23. August 1991 von der B-GmbH (Bauträgerin) das Grundstück X-Weg 10 mit einem darauf noch zu errichtenden Einfamilienhaus. Das Grundstück gehörte zu dem Gesamtbauvorhaben X-Weg 4, 6, 8 und 10, das insgesamt vier von der Bauträgerin für verschiedene Auftraggeber zu erstellende Einfamilienhäuser umfasste.
Die Höhenfestlegung für das gesamte Bauvorhaben wurde am 16. Mai 1991 vorgenommen. Am 22. Mai 1991 wurde im Zusammenhang mit dem Baubeginn der Objekte X-Weg 4 und 6 der Humus für das Gesamtbauvorhaben abgeschoben. Am 9. September 1991 bzw. ―nach Erinnerung der Klägerin― am 17. September 1991 wurde das "Schnurgerüst" für die Objekte X-Weg 8 und 10 vom Landratsamt L abgenommen. Die Bauträgerin teilte dem Landratsamt L mit Baubeginnsänderungsanzeige vom 15. Dezember 1993 mit, dass am 3. Oktober 1991 mit dem Aushub der Baugrube für das Objekt X-Weg 10 begonnen worden sei. Am 7. Oktober 1991 stellte die Bauträgerin der Klägerin die gemäß § 3 der Makler- und Bauträgerverordnung (MBVO) nach Beginn der Erdarbeiten zu entrichtende Anzahlung in Höhe von 30 v.H. der Vertragssumme in Rechnung. Das Objekt X-Weg 10 wurde ab 20. Juli 1992 von der Klägerin und ihrem Ehemann selbst genutzt. In dem Haus nutzt der Ehemann für seine beruflichen Zwecke (§ 19 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) ein Arbeitszimmer, dessen Größe 17,6 v.H. der Gesamtwohnfläche ausmacht.
Die Anschaffungskosten für das Objekt haben … DM betragen, wovon … DM auf das Gebäude und … DM auf den Grund und Boden entfallen. Die durch die Anschaffung des Grundstücks verursachten und nach Bezug des Hauses entstandenen Schuldzinsen beliefen sich für 1992 auf 23 759,42 DM, für 1993 auf 56 985,35 DM und für 1994 auf 53 359,26 DM. Hiervon entfielen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) auf das Arbeitszimmer für 1992 4 182 DM, für 1993 10 030 DM und für 1994 9 329 DM. Die Schuldzinsen wurden von einem gemeinsamen Konto der Klägerin und ihres Ehemannes gezahlt.
Die Klägerin meint, mit der Herstellung ihres Hauses sei erst nach dem 30. September 1991 begonnen worden. Die Höhe der Förderung des selbst genutzten Wohneigentums richte sich folglich nach § 10e EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 (EStG 1992). Sie und ihr Ehemann begehrten daher in ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1992 bis 1994 den Abzug der nach Bezug des Hauses entstandenen Schuldzinsen in Höhe von jeweils 12 000 DM. Ferner machten sie für die Jahre 1993 und 1994 einen Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von jeweils 19 800 DM (= 6 v.H. von 330 000 DM) geltend. Für 1992 verzichteten sie auf die steuermindernde Berücksichtigung dieses Abzugsbetrages und kündigten an, diesen später nachholen zu wollen.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ging in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 1992 bis 1994 demgegenüber davon aus, mit der Herstellung des Objekts sei bereits vor dem 1. Oktober 1991 begonnen worden. Er ließ demgemäß die geltend gemachten Schuldzinsen nicht zum Abzug zu und gewährte die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG lediglich bis zur Höhe von jeweils 16 500 DM (= 5 v.H. von 330 000 DM).
Der Einspruch der Klägerin und ihres Ehemannes hatte hinsichtlich der Streitjahre 1992 und 1994 lediglich teilweise Erfolg und führte bezüglich des Streitjahres 1993 zu einer Erhöhung der Einkommensteuer. Der Teilerfolg beruhte dabei im Wesentlichen auf dem Umstand, dass das FA die auf das Arbeitszimmer des Ehemannes entfallenden Schuldzinsen mit höheren als den bisher angesetzten Beträgen als Werbungskosten bei den Einkünften des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigte.
Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das FG gab der Klage teilweise statt und setzte die Einkommensteuer 1992 auf … DM, die Einkommensteuer 1993 auf … DM und die Einkommensteuer 1994 auf … DM fest. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 135 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Sie beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. April 1996 dahin gehend zu ändern, dass die zu versteuernden Einkommen um die vom FG nicht als Werbungskosten ihres Ehemannes berücksichtigten Schuldzinsen in Höhe von 4 182 DM (1992), 10 030 DM (1993) und 9 392 DM (1994) vermindert werden.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, weil die Klägerin die verletzte Rechtsnorm nicht hinreichend bezeichnet habe.
Mit seiner (unselbständigen) Anschlussrevision rügt das FA die Verletzung des § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Die Anschlussrevision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
I. Revision der Klägerin
1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Entgegen der Auffassung des FA genügt die Revisionsbegründung der Klägerin den Anforderungen des im vorliegenden Streitfall insoweit noch anzuwendenden § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757).
a) In der Revisions- oder Revisionsbegründungsschrift muss die nach Ansicht des Revisionsklägers verletzte Rechtsnorm bezeichnet werden. Es muss sich um eine Norm des Bundesrechts handeln (§ 118 Abs. 1 FGO); diese kann dem materiellen oder dem Verfahrensrecht angehören. Die erhobene Rüge muss zwar nicht unbedingt durch Angabe eines bestimmten Paragraphen gekennzeichnet werden. In jedem Fall muss aber eindeutig erkennbar sein, welche Norm der Revisionskläger für verletzt hält (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 1. Juni 1994 II R 124/90, BFH/NV 1995, 128).
Darüber hinaus muss der Revisionskläger die Gründe rechtlicher oder tatsächlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 2 FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen. Hierzu bedarf es zumindest einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils, die aus sich selbst heraus erkennen lässt, dass der Revisionskläger die Begründung des angefochtenen Urteils und sein bisheriges Vorbringen überprüft hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Januar 1971 V R 80/67, BFHE 101, 356, BStBl II 1971, 331).
b) Diesen Voraussetzungen wird die Revisionsbegründung der Klägerin gerecht. So hat die Klägerin in ihrer Revisionsbegründungsschrift nicht nur diejenigen Rechtsvorschriften (namentlich §§ 177 Abs. 2 und 3, 176, 44 Abs. 2 und 47 i.V.m. §§ 169 ff. der Abgabenordnung ―AO 1977―) ausdrücklich bezeichnet, die nach ihrer Auffassung bereits in "formell-rechtlicher" Hinsicht der vom FG vorgenommenen Saldierung entgegenstehen sollen. Sie hat sich vielmehr in gebotenem Maße auch mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils sachlich auseinander gesetzt und dargetan, weshalb sie diese Gründe für rechtsfehlerhaft hält. In diesem Zusammenhang ist es unschädlich, dass sie hinsichtlich ihrer materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die vom FG vertretene Rechtsauffassung, die auf das von ihrem Ehemann genutzte Arbeitszimmer (anteilig) entfallenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) und Schuldzinsen seien als sog. Drittaufwand nicht als Werbungskosten des Ehemannes abziehbar, die nach ihrer Ansicht vom FG verletzten Rechtsnormen nicht ausdrücklich genannt hat. Ihren Ausführungen ist eindeutig zu entnehmen, dass sie insoweit eine Verletzung der §§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 4, 9 Abs. 1 und 19 EStG rügt.
2. Die Revision der Klägerin ist auch begründet.
a) Entgegen der Ansicht des FA ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Herstellung des Einfamilienhauses der Klägerin erst nach dem 30. September 1991 begonnen wurde.
aa) Nach der Übergangsregelung in § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 ist § 10e EStG 1992 erstmals auf Objekte anzuwenden,
für die der Steuerpflichtige ―im Falle der Herstellung― nach dem 30. September 1991 den Bauantrag gestellt oder mit der Herstellung begonnen hat oder
die er ―im hier in Betracht kommenden Fall der Anschaffung― nach dem 30. September 1991 aufgrund eines obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat oder mit deren Herstellung nach diesem Zeitpunkt begonnen worden ist.
bb) Da die Klägerin das (noch zu errichtende) Objekt bereits durch notariellen Vertrag vom 23. August 1991 und damit vor dem 1. Oktober 1991 gekauft hat, stehen ihr die erhöhten Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 EStG 1992 und der Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a EStG 1992 nur dann zu, wenn mit der Herstellung des Objekts erst nach dem 30. September 1991 begonnen wurde. Letzteres hat das FG ohne Rechtsirrtum bejaht.
cc) Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1998 X R 153/95 (BFH/NV 1999, 782, unter II. 2. der Gründe) im Einzelnen dargelegt hat, ist der Beginn der Herstellung eines Gebäudes in verschiedenen steuerrechtlichen Vorschriften von Bedeutung und kann je nach der Zielsetzung der einschlägigen Norm unterschiedlich auszulegen sein. Er hat dort weiter ausgeführt, dass nach § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 Steuerpflichtige, die eine Wohnung angeschafft haben, auch dann in den Genuss der erhöhten Abzugsbeträge und des Schuldzinsenabzugs kommen, wenn der obligatorische Vertrag oder gleichstehende Rechtsakt ―wie auch im Streitfall― vor dem Stichtag liegt, der Veräußerer (Bauträger) mit der Herstellung des Objekts aber erst nach dem Stichtag begonnen hat. Das Abstellen auf den Beginn der Herstellung auch in Anschaffungsfällen zwingt zu einer Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Beginn der Herstellung", die von der herkömmlichen, auf der Rechtsprechung des BFH zum Investitionszulagenrecht (vgl. z.B. Urteile vom 28. September 1979 III R 95/77, BFHE 129, 104, BStBl II 1980, 56, und vom 26. Februar 1988 III R 30/83, BFH/NV 1988, 666) beruhenden Auslegung abweicht und entgegen der vom FA vertretenen Ansicht den Beginn der Herstellung nicht schon in der Erteilung eines spezifizierten Bauauftrags, sondern erst in dem In-Gang-Setzen der Bauarbeiten auf dem Grundstück (z.B. Beginn der Ausschachtungsarbeiten, Anfuhr von Baumaterial auf dem Bauplatz oder Aufstellen einer Bauleitungsbaracke) erblickt. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil in BFH/NV 1999, 782 (unter 3. der Gründe); an den dort entwickelten Grundsätzen hält er unverändert fest.
Diese verfassungskonforme Auslegung läuft den mit der Übergangsregelung des § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 verfolgten Zielen nicht zuwider. Denn die Übergangsregelung wurde offensichtlich im Hinblick auf die kontroverse Diskussion der Wohneigentumsförderung und im Hinblick auf den erst im Oktober 1991 bekannt gegebenen und Gesetz gewordenen Änderungsvorschlag des Bundeskabinetts getroffen (zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Wewers, Der Betrieb ―DB― 1992, 704). Die Anknüpfung an den Beginn der Bauarbeiten auf dem Grundstück sollte Härten für diejenigen Steuerpflichtigen vermeiden, die im Vorfeld dieses Beschlusses Bau- oder Kaufentscheidungen trafen (vgl. BTDrucks 12/1506, S. 158; Senatsurteil in BFH/NV 1999, 782, unter II. 3., letzter Absatz der Gründe).
dd) Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat das FG zu Recht angenommen, dass der "Beginn der Herstellung" des von der Klägerin angeschafften Objekts nicht schon in dem Abstecken der Grundfläche der baulichen Anlage und der Festlegung ihrer Höhenlage (sog. Schnurgerüsterstellung; vgl. z.B. Simon, Bayrische Bauordnung 1994, Kommentar, Art. 79 Rz. 68 a; Koch/Molodovsky/ Famers, Bayrische Bauordnung, Kommentar, Art. 72 Anm. 7.2.4), dem Abschieben des Humus sowie in der Abnahme des Schnurgerüsts gesehen werden kann. Alle diese ―vor dem 1. Oktober 1991 vollzogenen― Maßnahmen waren dem eigentlichen und i.S. des § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 maßgeblichen Beginn der Bauarbeiten, der sich erst in der Anfang Oktober 1991 stattgefundenen Aufnahme der Ausschachtungsarbeiten manifestierte, lediglich vorgelagert. Selbst wenn diese Maßnahmen aus bauordnungsrechtlichen Gründen eine unerlässliche Voraussetzung für den späteren (legalen) Baubeginn dargestellt haben mögen (vgl. z.B. Art. 79 Abs. 9 der Bayrischen Bauordnung 1994 und nunmehr Art. 72 Abs. 6 der Bayrischen Bauordnung in der aktuellen Fassung), so kommt ihnen doch auch im Hinblick auf den mit ihnen verbundenen (zeitlichen und finanziellen) Aufwand nur mehr eine untergeordnete Bedeutung zu. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass ―worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat― die erste Anzahlung in Höhe von 30 v.H. des Kaufpreises gemäß dem zum Vertragsinhalt gewordenen § 3 MBVO erst nach Beginn der Erdarbeiten (= Aushub der Baugrube) fällig wurde. Es kommt hinzu, dass die genannten Vorbereitungsmaßnahmen nicht zwingend in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem späteren Beginn der eigentlichen Herstellungsarbeiten stehen mussten.
Die Richtigkeit dieser Sichtweise wird auch durch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften und Wertungen bestätigt, wonach die Schnurgerüsterstellung und -abnahme lediglich Voraussetzungen für den (späteren) Baubeginn bilden und diesen mithin vorbereiten, nicht indessen bereits als Bestandteile des eigentlichen Herstellungsvorgangs gewertet werden. So heißt es beispielsweise in Art. 79 Abs. 9 Sätze 1 und 2 der Bayrischen Bauordnung 1994 (inhaltsgleich nunmehr Art. 72 Abs. 6 Sätze 1 und 2 der Bayrischen Bauordnung): "… Vor (Hervorhebung durch Senat) Baubeginn muss die Grundfläche der baulichen Anlage abgesteckt und ihre Höhenlage festgelegt sein. Die Bauaufsichtsbehörde kann verlangen, dass Absteckung und Höhenlage von ihr abgenommen oder die Einhaltung der festgelegten Grundfläche und Höhenlage nachgewiesen wird" (vgl. z.B. auch § 59 Abs. 3 der Bauordnung Baden-Württemberg).
b) Dem FG ist auch darin zu folgen, dass es im hier vorliegenden Fall der Zusammenveranlagung aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht daran gehindert war, unter Beachtung des Verbots der nachteiligen Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen ("reformatio in peius"; vgl. dazu z.B. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rz. 5, m.w.N.) vom FA zu Unrecht als Werbungskosten des nichtklagenden Ehemannes der Klägerin anerkannte Aufwendungen mit vom FA ebenfalls zu Unrecht nicht zum steuerermäßigenden Abzug zugelassenen Aufwendungen der klagenden Ehefrau zu saldieren. Der von der Klägerin eingenommene gegenteilige Standpunkt geht fehl.
Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten (vgl. § 26b EStG) sind deren Einkünfte zunächst getrennt zu ermitteln und anschließend zusammenzurechnen; außerhalb der Einkünfteermittlung werden die Ehegatten grundsätzlich gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. Juli 1983 VIII R 160/80, BFHE 139, 69, BStBl II 1983, 674, m.w.N., und vom 5. August 1986 IX R 13/81, BFHE 148, 394, BStBl II 1987, 297, unter 3.). Beide Ehegatten beziehen infolge der Zusammenrechnung ein einheitliches Einkommen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1966 IV 279/62, BFHE 87, 380, BStBl III 1967, 172). Nach der Höhe des Einkommens der Ehegatten richten sich sodann gemäß § 32a EStG zwangsläufig der Steuersatz und die Steuerschuld. Jede Veränderung der Besteuerungsgrundlagen, gleichviel welchen der zusammenveranlagten Ehegatten sie betreffen, wirkt sich somit unmittelbar auf die Höhe des Steuersatzes und der Steuerschuld jedes Ehegatten ungeachtet des Umstandes aus, dass es sich bei dem zusammengefassten Bescheid für Ehegatten (vgl. § 155 Abs. 3 AO 1977) um zwei (nur äußerlich verbundene) Steuerbescheide handelt (BFH-Urteil in BFHE 148, 394, BStBl II 1987, 297, unter 3. der Gründe).
Dementsprechend hat der BFH im Anwendungsbereich des § 177 AO 1977 eine Saldierung zwischen nachträglich bekannt gewordenen höheren Besteuerungsgrundlagen des einen Ehegatten mit Rechtsfehlern für zulässig und geboten erachtet, die zu einem zu hohen Ansatz von Besteuerungsgrundlagen des anderen Ehegatten geführt haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 148, 394, BStBl II 1987, 297, unter 3. der Gründe).
Dieses Ergebnis folgt aus dem Wesen der Gesamtschuld (vgl. § 44 AO 1977) in Verbindung mit der von der ständigen Rechtsprechung des BFH zum Streitgegenstand angewendeten Saldierungstheorie (zu Letzterer grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; weitere Nachweise bei Gräber/von Groll, a.a.O., § 65 Rz. 42) und beansprucht auch im hier in Rede stehenden Bereich des Prozessrechts (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) Geltung.
Für die danach zulässige und ―bei entsprechender materiell-rechtlicher Lage (vgl. dazu unter B. I. 2. c)― gebotene Saldierung ist es ohne Belang, dass im Streitfall nur die Klägerin und nicht auch ihr Ehemann am gerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Das FG war nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht gehalten, den Ehemann im Hinblick auf die beabsichtigte Saldierung zum Prozess i.S. von § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. Februar 1969 IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343; vom 5. Februar 1971 VI R 301/66, BFHE 101, 358, BStBl II 1971, 331; vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321; vom 12. August 1977 VI R 61/75, BFHE 123, 172, BStBl II 1977, 870, unter 1. der Gründe; vom 12. Mai 1992 VIII R 33/88, BFH/NV 1992, 793, unter 1. der Gründe; BFH-Beschluss vom 20. Januar 1972 I B 51/68, BFHE 104, 45, BStBl II 1972, 287). Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, dass man nicht von übereinstimmenden Interessen der Ehegatten ausgehen kann (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 793, unter 1. der Gründe; vgl. ferner z.B. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 360 AO 1977 Rz. 26, 27, zur Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 60 FGO Rz. 73; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 60 FGO Rz. 57; Gräber/Koch, a.a.O., § 60 Rz. 137).
Eine andere Frage ist es, ob das FG den Ehemann der Klägerin von Amts wegen oder auf Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen im Wege der einfachen Beiladung (§ 60 Abs. 1 FGO) am Verfahren beteiligen konnte. Letzteres wäre unter Umständen im Hinblick auf einen im Raum stehenden Antrag des Ehemannes nach den §§ 268 ff. AO 1977 sinnvoll gewesen (vgl. hierzu z.B. Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz. 57, m.w.N.; Woerner, Betriebs-Berater ―BB― 1967, 241, 243, rechte Spalte). Das Unterlassen einer einfachen Beiladung hindert indessen die uneingeschränkte Wirksamkeit des Urteils nicht und führt auch nicht zu einem Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhen kann (vgl. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 60 Rz. 152, m.w.N.).
Ob die vom FG unterlassene (einfache) Beiladung des Ehemannes der Klägerin im Falle einer von ihm beantragten Aufteilung der Gesamt(steuer)schuld nach den §§ 268 ff. AO 1977 dazu führen müsste, dass die in § 270 Satz 2 AO 1977 grundsätzlich angeordnete Bindung an die vom FG im Klageverfahren betreffend die Steuerfestsetzung (Zusammenveranlagung) getroffenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in Bezug auf den versagten Abzug der Werbungskosten des Ehemannes entfiele ―wofür vieles spricht― braucht im Streitfall nicht abschließend beantwortet zu werden.
Der Saldierung steht nicht entgegen, dass der Ehemann der Klägerin die an ihn gerichteten Einkommensteuerbescheide 1992 bis 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht mit der Klage angefochten hat und diese folglich ihm gegenüber bestandskräftig wurden, so dass insoweit bezüglich sämtlicher Streitjahre Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung verbieten es lediglich, bereits verjährte Steueransprüche ―sei es im Wege der erstmaligen Veranlagung, sei es durch Änderungsbescheid― festzusetzen. Sie hindern das FG jedoch nicht daran, Fehler, die dem FA zugunsten des Gesamtschuldners, der sich auf die Festsetzungsverjährung berufen kann, unterlaufen sind, durch Saldierung zu Lasten des anderen Gesamtschuldners zu korrigieren, wenn diesem gegenüber noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Denn es geht im Streitfall allein um die Festsetzung der (Gesamt-)Steuerschuld gegenüber demjenigen Ehegatten (hier: Klägerin), hinsichtlich dessen die Festsetzungsfristen noch nicht abgelaufen waren. Abgesehen davon geht es im Streitfall auch nicht etwa um eine Erhöhung der gegen die Klägerin festgesetzten Steuer, sondern allein um das Ausmaß deren Minderung, konkret darum, ob und inwieweit die durch die zu gewährende höhere Förderung gemäß § 10e EStG eintretende Steuerentlastung im Wege der Saldierung (Korrektur von Rechtsfehlern zugunsten der Klägerin) entfällt (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504, unter 3. b, letzter Absatz der Gründe, betreffend einen Saldierungsfall nach § 177 AO 1977, in welchem noch das alte Verjährungsrecht nach der Reichsabgabenordnung ―AO― anzuwenden war, der erkennende Senat aber betonte, dass nach neuem Verjährungsrecht nicht anders zu entscheiden ist).
c) Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen erlauben indessen keine abschließende Beantwortung der (materiell-rechtlichen) Frage, ob das FG die von der Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ihres Ehemannes geltend gemachten, anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden AfA und Schuldzinsen zu Recht vom Abzug ausgeschlossen hat.
In seinem grundlegenden Beschluss vom 23. August 1999 GrS 1/97 (BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778) hat der Große Senat des BFH entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der sich an den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines seinem Ehegatten gehörenden Gebäudes beteiligt und in diesem Gebäude einen Raum als Arbeitszimmer für seine beruflichen Zwecke (§ 19 EStG) nutzt, die auf diesen Raum entfallenden eigenen Aufwendungen grundsätzlich als Werbungskosten (AfA) geltend machen kann.
Die vom Großen Senat des BFH aufgestellten Grundsätze, die nicht nur für die Abziehbarkeit der AfA, sondern sinngemäß auch für andere grundstücksorientierte Aufwendungen wie etwa die hier in Rede stehenden anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Schuldzinsen (zum Begriff der grundstücksorientierten Aufwendungen vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. August 1999 GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C. V. der Gründe) gelten (vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 12. Mai 2000 VI R 8/90, BFH/NV 2000, 1337, unter 2. a, letzter Absatz der Gründe; vgl. ferner Wassermeyer, DB 1999, 2486, 2488, rechte Spalte; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 4 Rz. 506, betreffend Betriebsausgaben), hat das FG bei seiner Entscheidung nicht hinreichend beachtet. Ohne jegliche Feststellungen darüber zu treffen, ob und ggf. inwieweit sich der Ehemann der Klägerin, dessen Einkünfte diejenigen seiner Ehefrau (jedenfalls im Streitjahr) weit überwogen, an den Anschaffungskosten des Einfamilienhaus-Grundstücks der Klägerin beteiligt hat, hat es den begehrten Abzug der auf das Arbeitszimmer des Ehemannes entfallenden AfA und Schuldzinsen unter Hinweis auf die vermeintliche Parallele zu dem der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782 zugrunde liegenden Fall (vgl. dazu aber schon dort unter C. I. 2., und die Folgeentscheidung des BFH in BFH/NV 2000, 1337) mit der unzutreffenden Erwägung abgelehnt, es habe nicht abziehbarer Drittaufwand vorgelegen. Die Vorentscheidung muss daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG prüfen müssen, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang sich der Ehemann durch Einsatz eigener finanzieller Mittel an den Anschaffungskosten des Grundstücks (d.h. an den zur Finanzierung des Kaufpreises aufgewendeten Eigenmitteln und an der Tilgung der zur Refinanzierung des Kaufpreises aufgenommenen Fremdmittel) sowie an den durch die Refinanzierung des Kaufpreises verursachten Schuldzinsen beteiligt hat. Die Klägerin hat hierzu im Revisionsverfahren behauptet, ihr Ehemann habe sich "nachgewiesenermaßen" an den Anschaffungskosten des Gebäudes in einem Ausmaß beteiligt, das die auf das von ihm genutzte Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungskosten überstiegen habe. Die entsprechenden Mittel habe er sich durch Kredit beschafft, zu dessen Rückzahlung er verpflichtet sei.
Sollten die in diesem Zusammenhang nachzuholenden Feststellungen des FG ergeben, dass diese Behauptungen zutreffen und die aus eigenen Mitteln des Ehemannes bestrittenen Anschaffungskosten (Darlehenstilgungsleistungen; zur Schätzung der auf das Arbeitszimmer entfallenden anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. August 1999 GrS 5/97, BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774, unter C. 3. der Gründe) und Schuldzinsen die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungskosten und Zinsleistungen zumindest decken, so stünde dies der vom FG im angefochtenen Urteil vorgenommenen Saldierung entgegen. Dabei wäre entgegen der offenbar bislang vom FG vertretenen Auffassung ohne Belang, ob die Ehegatten in Bezug auf die Nutzung des Arbeitszimmers durch den Ehemann eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben oder nicht (vgl. hierzu z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, unter C. IV. der Gründe).
Bei einer nur teilweisen Deckung der auf das Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungskosten und Zinsleistungen durch die Finanzierungs- und Zinsbeiträge des Ehemannes wäre der Werbungskostenabzug nur in Höhe des nichtabgedeckten Teils ausgeschlossen.
II. Anschlussrevision des FA
Die Anschlussrevision des FA ist unbegründet. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen unter B. I. 2. a.
Fundstellen
Haufe-Index 1053819 |
BFH/NV 2004, 19 |
HFR 2004, 13 |