Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von „Versorgungsleistungen“ als Sonderausgaben nur bei klaren und eindeutigen Vereinbarungen
Leitsatz (NV)
Die steuerrechtliche Anerkennung eines "Altenteilsvertrages"/"Übergabevertrages" setzt unter nahen Angehörigen voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten im Vertrag - hier betreffend die Aufwendungen für die Altenteilerwohnung - klar und eindeutig vereinbart sind.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1995 zusammen veranlagt wurden.
Im Zuge der Auseinandersetzung einer aus dem Kläger und seiner Mutter bestehenden Erbengemeinschaft übertrug die Mutter dem Kläger ihren Anteil an dem von ihm und seiner Familie sowie seiner Mutter bewohnten Hausgrundstück. Gleichzeitig verpflichtete sich der Kläger, seiner Mutter auf Lebenszeit mietfrei die alleinige Nutzung der abgeschlossenen Wohnung im Parterre des Hauses, eines Zimmers und einer Abstellkammer unter dem Dach sowie die Nutzung eines Schuppens und eines Kellers und die Mitbenutzung des Gartens zu gewähren. Weiter war vereinbart, daß die "Kosten für Strom, Wasser, Abwasser, Heizung, Müllbeseitigung" vom Erwerber zu tragen waren und die Kosten für "die malermäßige Instandsetzung der Wohnung" die Berechtigte selbst tragen sollte. Den Jahreswert dieses Wohnrechts bezifferten die Beteiligten mit 3 360 DM.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 machten die Kläger die anteilig auf die Grundfläche der von der Mutter bewohnten Wohnung entfallenden Kosten für Wasser, Strom, Müllabfuhr und Schornsteinreinigung in Höhe von 1 061 DM sowie Aufwendungen für Instandhaltung (13 901 DM) und Kosten für Versicherung und Grundsteuern in Höhe von 122 DM als Sonderausgaben (dauernde Last) nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ im Einkommensteuerbescheid für 1995 nur die Kosten für Wasser, Strom usw. in Höhe von 1 061 DM als Sonderausgaben (dauernde Last) zum Abzug zu mit der Begründung, zu weitergehenden Leistungen sei der Kläger nach dem Vertrag nicht verpflichtet gewesen. Im übrigen bleibe der Kläger nach § 946 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Eigentümer des eingebauten Materials mit der Folge, daß die Instandhaltungsaufwendungen der Berechtigten weder direkt noch indirekt zuflössen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Zwar habe die Mutter dem Kläger unentgeltlich ihren Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück übertragen; gleichwohl handle es sich nicht um eine nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) steuerrechtlich privilegierte Vermögensübertragung, die entgegen den Wertungen des § 12 Nr. 1 und 2 EStG zum Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben (dauernde Last) berechtige. Denn eine Zurechnung zu den Sonderausgaben sei nur möglich, wenn die Versorgungsleistungen tatsächlich aus den Erträgen des übertragenen Vermögens erbracht werden könnten. Hieran fehle es, weil die Kläger aus dem von ihnen und der Übergeberin selbst bewohnten Hausgrundstück keine Erträge erzielten und im übrigen nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ihnen auch keine fiktiven Erträge mehr zugerechnet würden. Im übrigen fehle es auch an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie führen aus:
Die Abgrenzung der Tatbestände des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG --dauernde Last-- einerseits und nicht abziehbare Zuwendung i.S. des § 12 Nr. 2 EStG erfolge nach dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft. Handle es sich um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft, sei zu prüfen, ob ein "halbentgeltliches Rechtsgeschäft" (Gegenleistung wenigstens 50 v.H. des Wertes der Versorgungsleistungen) vorliege. Nur wenn letzteres nicht der Fall sei, liege eine steuerlich unbeachtliche Zuwendung vor. Die Abziehbarkeit der dauernden Last sei durch den Gedanken der vorbehaltenen Erträge gerechtfertigt. Zwar bringe eine selbstgenutzte Immobilie keine Erträge; der wirtschaftliche Vorteil sei jedoch bedeutend, wie die bis 1986 geltende Nutzungswertbesteuerung gezeigt habe. Ohne Bedeutung sei, ob das übertragene Vermögen steuerpflichtige Erträge abwerfe. Entscheidend sei die überragende Bedeutung der vermieteten oder selbstgenutzten Immobilie für die Existenzsicherung. Es komme auch nicht darauf an, inwieweit die Leistungen des Übernehmers direkt oder indirekt aus dem übergebenen Vermögen stammten; dies beeinflusse den Charakter eines Übertragungsvertrages, auch eines Altenteilsvertrages letztlich nicht. Die Vertragsklausel sei nur so zu verstehen, daß nur die malermäßige Instandsetzung von der Berechtigten, alle übrigen Kosten jedoch vom Kläger zu tragen seien.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, daß weitere Aufwendungen in Höhe von 14 022 DM als Sonderausgaben (dauernde Last) berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Die Aufwendungen der Kläger sind weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abziehbar.
1. Die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der von der Mutter bewohnten Wohnung sind keine Werbungskosten, da der Kläger insoweit nicht den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllt.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können --nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG-- nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
a) Handelt es sich steuerrechtlich um eine dem Vertragstypus des "Versorgungsvertrages"/"Altenteilsvertrages" vergleichbare Vereinbarung, sind die --grundsätzlich schon aufgrund der Rechtsnatur des Vertrages abänderbaren-- wiederkehrenden Leistungen in der Regel als dauernde Last abziehbar (ausführlich hierzu Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847; zusammenfassend z.B. Senatsurteil vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
b) Ein Übergabevertrag muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten im Übergabevertrag klar und eindeutig vereinbart sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712; vom 24. November 1993 X R 123/90, BFH/NV 1994, 704; BFH-Beschluß vom 1. April 1998 X R 198/97, BFH/NV 1998, 1467). Der rechtliche Mindestbestand der den Vertragstypus prägenden Rechtsfolgen muß klar festgelegt sein. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder --bei einer Änderung der Verhältnisse-- für die Zukunft getroffen werden. Die geschuldeten Leistungen müssen vereinbarungsgemäß erbracht werden (z.B. BFH-Urteil vom 14. Juli 1993 X R 54/91, BFHE 172, 324, BStBl II 1994, 19). Auch können die Vertragsbeteiligten das Versorgungsrisiko begrenzen, indem sie die Art der zu erbringenden Leistungen einzeln bezeichnen. Insoweit besteht eine Vermutung dafür, daß die Partner eines Übergabevertrages ihre beiderseitigen Rechte umfassend und abschließend umschrieben haben.
3. Im Streitfall kann offenbleiben, ob die mit dem Vorbehalt eines Nutzungsrechtes zugunsten der Mutter verbundene Übertragung des (nur) hälftigen Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück, das von den Klägern und der Übergeberin, der Mutter des Klägers, selbst bewohnt wird, dem Typus des Versorgungsvertrages zugeordnet werden könnte. Dem Abzug der Aufwendungen steht bereits entgegen, daß deren Übernahme durch den Kläger nicht in der rechtlich gebotenen Weise hinreichend klar und eindeutig vereinbart worden ist.
a) Der Rechtsbegriff "Versorgungsleistungen" umfaßt grundsätzlich solche Zuwendungen zur Existenzsicherung, durch welche die Grundbedürfnisse des Bezugsberechtigten wie Wohnen und Ernährung und der sonstige Lebensbedarf abgedeckt werden. Hierzu gehören auch Aufwendungen für die Instandhaltung der vom Übergeber zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in dem bei Übergabe vertragsgemäßen Zustand (BFH-Urteil vom 25. März 1992 X R 196/87, BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012). Im Umfang ihrer Abziehbarkeit fließen sie dem Übergeber als wiederkehrende Sachleistungen zu. Daß die Sachaufwendungen des Verpflichteten auf das ihm gehörende Grundstück in sein Eigentum übergehen, schließt --entgegen der Auffassung des FA-- deren Abziehbarkeit unter dem Gesichtspunkt der "fehlenden wirtschaftlichen Belastung" nicht aus (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610; in BFHE 167, 408, BStBl II 1992, 1012; in BFH/NV 1994, 704). Aufwendungen des Eigentümers/ Übernehmers auf das Gebäude sind --auch wenn sie tatsächlich die Altenteilswohnung betreffen-- nicht zuletzt wegen des offenkundigen Interesses des Eigentümers an Modernisierungsmaßnahmen aber nur als dauernde Last abziehbar, wenn sich der Übernehmer hierzu im Übergabevertrag eindeutig und klar gegenüber dem Übergeber verpflichtet hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen nicht vor.
b) Nach Abschn. IV des Vertrages vom 25. November 1993 trägt der Kläger die Kosten der Wohnberechtigten für Strom, Wasser, Abwasser, Heizung und Müllbeseitigung. Eine Verpflichtung des Klägers zur Übernahmeanderer Kosten ist nicht ausdrücklich vereinbart worden. Schon die ausdrückliche Aufzählung der vom Kläger zu übernehmenden Nebenkosten steht der Annahme entgegen, er sei der Mutter gegenüber zusätzlich zu größeren Instandhaltungs- oder Modernisierungsaufwendungen verpflichtet mit der Folge, daß diese entsprechende Maßnahmen verlangen und ggf. auf Kosten des Klägers gegen seinen Willen durchsetzen könnte. Ausdrücklich vereinbart haben die Vertragsbeteiligten vielmehr, daß Aufwendungen für die "malermäßige Instandsetzung" --mithin umfangreichere Aufwendungen, die unregelmäßig anfallen-- die Mutter selbst zu tragen hatte. Hinzu kommt, daß die Vertragsbeteiligten selbst den Jahreswert des Wohnrechtes der Mutter einschließlich der zusätzlich vom Kläger übernommenen Leistungen im Zusammenhang hiermit auf 3 360 DM beziffert haben. Anhaltspunkte dafür, daß sie diesen Wert aus sachfremden Gesichtspunkten niedriger beziffert haben, als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, liegen nicht vor. Hiergegen spricht im übrigen, daß der Vertrag neben der Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Wohnhaus gegen Einräumung des Wohnrechtes auch Ansprüche der Geschwister des Klägers gegen die Mutter regelte und davon auszugehen ist, daß die Bemessung dieser Abfindungen auch durch den durchschnittlichen Wert der Leistungen des Klägers beeinflußt war. Angesichts der konkreten Aufzählung der übernommenen Leistungen, des ausdrücklichen Ausschlusses der Übernahme der kostenintensiven und zusätzlich hinsichtlich des Umfangs risikoreichen "malermäßigen Instandsetzung" und der eigenen Bewertung der übernommenen Leistungen läßt die Vereinbarung mindestens Zweifel offen, ob der Kläger zu weitergehenden, im Vertrag nicht erwähnten Leistungen, insbesondere zu den geltend gemachten Instandhaltungsaufwendungen in Höhe von über 13 000 DM verpflichtet war. Schon dies schließt deren steuerrechtliche Berücksichtigung von vornherein aus.
Fundstellen
Haufe-Index 422580 |
BFH/NV 2000, 418 |
HFR 2000, 339 |