Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
Falls die Parteien Leistungen in einer Höhe vereinbaren wollen, die nicht aus § 23 HO - RhPf abgeleitet werden könnte, müssen sie dies bereits im Übergabevertrag oder in der letztwilligen Verfügung regeln, wenn sie die einkommensteuerrechtliche Anerkennung erreichen wollen.
Hintergrund: Nachträgliche Konkretisierung der Versorgungsleistungen
Der Vater (V) der Tochter (T) war Inhaber eines in die Höferolle eingetragenen landwirtschaftlichen Betriebs (Weingut). Zu dem Betrieb gehörte ein Grundstück. Dieses Grundstück hatte V unentgeltlich an seine Ehefrau, die Mutter (M) der T, unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts übertragen.
In seinem Testament setzte V die T (die noch drei Geschwister hat) als alleinige und unbeschränkte Hoferbin ein und stellte klar, dass zum Hof auch das Nutzungsrecht an dem Grundstück gehöre.
V verstarb im Januar 2012. Er wurde von M und T (mit ihren Geschwistern) beerbt. Der Hof ging im Wege der Sondererbfolge (§§ 14 ff. der Höfeordnung Rheinland-Pfalz, HO – RhPf) auf die T über.
Im Juni 2012 übertrug M der T das Grundstück unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.
Am selben Tage schlossen M, die T und deren Geschwister einen weiteren Vertrag über die Abfindung von Pflichtteilsansprüchen. Außerdem verpflichtete sich die T, an M ab Juli 2012 monatlich 680 EUR als dauernde Last zu zahlen. Ferner räumte die T der M ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht ein und verpflichtete sich, M bei Krankheit und Gebrechlichkeit bis zur Pflegstufe 1 zu pflegen.
Das FA lehnte den Sonderausgabenabzug für die von T gezahlten Barleistungen ab (Streitjahre 2012 bis 2014). Denn die Versorgungsleistungen seien nicht im Zusammenhang mit der Hofübergabe (sondern danach) vereinbart worden. Außerdem sei die Vorschrift des § 23 HO - RhPf über die angemessene Versorgung des überlebenden Ehegatten (Wohnung, Unterhalt) zu unbestimmt, um eine eindeutige einzelvertragliche Regelung zu ersetzen. Ferner schließe die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen die Abziehbarkeit von Versorgungsleistungen aus. Das FG schloss sich der Auffassung des FG nach § 105 Abs. 5 FGO an und wies die Klage ab.
Entscheidung: Anerkennung der Versorgungszahlungen im Rahmen des Altenteils nach der Höfeordnung
Der BFH widerspricht dem FG. Die grundsätzliche Voraussetzung für die Abziehbarkeit von Versorgungsleistungen, dass sie bereits in dem Rechtsgeschäft, auf dem die Vermögensübergabe beruht (Übergabevertrag oder letztwillige Verfügung), festgelegt wurden, gilt nicht, wenn schon kraft Gesetzes (wie in § 23 HO – RhPf) Regelungen zum Grund und zur Höhe verpflichtend zu erbringender Altenteilsleistungen bestehen.
Gesetzliche Regelung
Im Streitfall ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden. Die Regelung wurde ab 2015 nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStdG n.F. überführt.
Verpflichtung im Übergabevertrag oder Testament
Für den Rechtsbindungswillen müssen die Rechtsfolgen, die die Qualifikation als Versorgungsvertrag ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Höhe der Versorgungsleistungen, Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sein. Die Vereinbarung muss zu Beginn des Rechtsverhältnisses für die Zukunft getroffen werden (BFH v. 3.3.2004, X R 14/01, BStBl II 2004, 826). Damit müssen die Versorgungsleistungen grundsätzlich im Übergabevertrag selbst oder in einer letztwilligen Verfügung dem Übernehmer auferlegt werden. Daran fehlt es hier, weil der T im Testament des V (auf dem der Übergang des Hofs beruht) keine Versorgungsleistungen auferlegt wurden, sondern erst in dem fünf Monate nach dem Erbfall mit der M abgeschlossen Vertrag.
Anspruch aus § 23 Abs. 2 bis 4 HO - RhPf
Entgegen der Auffassung des FA und des FG enthält jedoch § 23 Abs. 2 bis 4 HO - RhPf dem Grunde nach einen Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die Versorgungsleistungen. Dieser Anspruch kann die ausdrückliche vertragliche Vereinbarung oder letztwillige Anordnung ersetzen. Die Höhe kann durch eine Vereinbarung der Parteien ausgefüllt werden. § 23 Abs. 2 Satz 1 HO – RhPf enthält damit den "besonderen Verpflichtungsgrund", der von § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorausgesetzt wird.
Höhe der Altenteilsleistungen
Die Höhe der Altenteilsleistungen wird durch § 23 Abs. 3 HO - RhPf geregelt. Dort sind als Kriterien (neben der in § 23 Abs. 2 HO - RhPf erwähnten Angemessenheit) der örtliche Brauch, die Gewährleistung der sozialen Unabhängigkeit des Altenteilers und die Leistungsfähigkeit des Hofes genannt. Diese Regelung ist hinreichend bestimmt, um sie auch der Besteuerung zugrunde legen zu können.
Kein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche
Es kann offenbleiben, ob sich aus der Rechtsprechung zur Rechtslage bis 2007 ergibt, dass Versorgungsleistungen nur dann als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn der überlebende Ehegatte auf Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüche verzichtet. Jedenfalls würde es einen Wertungswiderspruch zu den Regelungen der HO - RhPf darstellen, wenn für die Erlangung des Sonderausgabenabzugs ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche erforderlich wäre. Denn ein solcher Verzicht wird von der HO - RhPf gerade nicht gefordert. Vielmehr hat auch der überlebende Ehegatte gegen den Hoferben den erbteilsersetzenden Geldanspruch nach § 21 HO - RhPf, der seiner Art nach ein besonderer Pflichtteilsanspruch ist.
Zurückverweisung an das FG
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nach dem Tod des V getroffene Vereinbarung lediglich der Konkretisierung der bereits in § 23 Abs. 3 HO - RhPf enthaltenen Versorgungsverpflichtung der T dienen sollte. Das FG wird feststellen müssen, ob die vereinbarten Leistungen den Vorgaben über das Altenteil nach § 23 Abs. 3 HO - RhPf entsprechen. Dabei ist auch festzustellen, ob die Versorgungsleistungen in vollem Umfang in Konkretisierung des gesetzlichen Altenteils der M gezahlt wurden oder ob sie anteilig auch auf der zeitgleich vorgenommenen Übertragung des Grundstücks beruhen und daher insoweit nicht abziehbar wären.
Dass zwischen dem Erbfall und der Vereinbarung ein gewisser Zeitraum (fünf Monate) liegt, ist angesichts der Auseinandersetzung unter den Geschwistern unerheblich. Unproblematisch für auch die Begrenzung der Übernahme der Pflegekosten auf Beträge bis zur Höhe der Pflegestufe 1, jetzt Pflegegrad 2 (BFH v. 16.6.2021, X R 31/20, BStBl II 2022, 165).
Hinweis: Vereinbarung bereits im Übergabevertrag bei Leistungen außerhalb des Rahmens der HO - RhPf
Der BFH stellt klar, dass die Entscheidung nicht bedeutet, die Höhe der nach der HO - RhPf zu beanspruchenden Leistungen könne beliebig gestaltet werden. Vielmehr muss eine die Höhe des Altenteils konkretisierende Vereinbarung für den Sonderausgabenabzug den Vorgaben des § 23 Abs. 3 HO - RhPf entsprechen.
Falls Leistungen in einer Höhe beabsichtigt sind, die sich nicht aus § 23 HO - RhPf ableiten lassen, müssen diese bereits im Übergabevertrag oder in der letztwilligen Verfügung geregelt werden.
BFH Urteil vom 16.06.2021 - X R 4/20 (veröffentlicht am 31.03.2022)
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