Leitsatz (amtlich)
Ein Gebäude, das nicht für die besonderen Zwecke eines Betriebsunternehmens hergerichtet ist, kann grundsätzlich nicht als wesentliche Betriebsgrundlage im Sinne der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung angesehen werden. Das gleiche gilt für Lizenzen, die ein nichtpatentfähiges Verfahren betreffen, das auch von anderen Unternehmen ohne besondere Erlaubnis angewendet wird.
Orientierungssatz
1. Ausführungen zu den Begriffen "sachliche Verflechtung" und "wesentliche Betriebsgrundlage", insbesondere bei Grundstücken (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine sog. Nichtanwendungsanweisung eines BFH-Urteils an die Finanzbehörden ein Grund ist, den BMF gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufzufordern, wenn von einer solchen Aufforderung schon deshalb abzusehen ist, weil der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, eine Beteiligung des BMF sei in Erwägung gezogen, aber nach Mitteilung eines Vertreters des Landesfinanzministers vom BMF nicht weiterverfolgt worden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 120 Abs. 2 S. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gesellschafter- Geschäftsführer der U-GmbH. Seine Beteiligung beträgt 95 v.H. Er hat der GmbH ein bebautes Grundstück und eine Lizenz entgeltlich zur Nutzung überlassen. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein ehemaliges Schulgebäude, das für die Zwecke der GmbH nicht besonders hergerichtet worden ist. Der Kläger behandelte die Nutzungsentgelte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm nach einer Betriebsprüfung Betriebsaufspaltung an. Er behandelte demzufolge die Nutzungsentgelte als Einnahmen aus Gewerbebetrieb und erließ für die Jahre 1972 bis 1974 (Streitjahre) entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide.
Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. u.a. Urteil vom 12.November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296) setzt eine Betriebsaufspaltung eine sachliche und eine personelle Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen voraus.
2. Im Streitfall liegt keine sachliche Verflechtung vor.
a) Eine sachliche Verflechtung ist nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8.November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) gegeben, wenn bei der echten Betriebsaufspaltung "Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundbesitz, die zu den wesentlichen Grundlagen des übergegangenen Betriebs gehören, bei dem Besitzunternehmen verbleiben" und von diesem der Betriebsgesellschaft miet- oder pachtweise überlassen werden. Entsprechendes gilt nach dem bezeichneten Beschluß für die unechte Betriebsaufspaltung. Nicht erforderlich ist, daß die vermieteten oder verpachteten Wirtschaftsgüter die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens darstellen. Es genügt, daß sie eine wesentliche Betriebsgrundlage dieser Gesellschaft sind (BFH-Urteil vom 12.November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Ein Wirtschaftsgut ist eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es für die Betriebsführung ein besonderes wirtschaftliches Gewicht hat. Es muß sich um ein Wirtschaftsgut handeln, bei dem es aus der Sicht des Betriebsunternehmens wirtschaftlich einen deutlichen Unterschied macht, ob es sich im Eigentum des Unternehmens (Betriebs- oder Besitzunternehmens) befindet und für Betriebszwecke besonders hergerichtet oder von einem Fremden gemietet ist (Urteil in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299). Darüber hinaus ist für die Behandlung eines Grundstücks als eine wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens weiter erforderlich, daß das Grundstück "für die Bedürfnisse der Betriebsgesellschaft besonders gestaltet" worden ist (Urteil in BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Das gilt --entgegen der vom FA in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht-- nicht nur für Büro-, sondern auch für Fabrikgrundstücke.
b) In den Einkommensteuer-Richtlinien 1987 (Abschn.137 Abs.5 Nr.1 Satz 6) wird die Ansicht vertreten, entgegen dem Urteil in BFHE 145, 396, BStBl II 1986 299 könne "ein Grundstück auch dann wesentliche Betriebsgrundlage sein, wenn es für die Bedürfnisse des Betriebsunternehmens nicht besonders gestaltet ist". Der Senat läßt es dahingestellt, ob eine solche sog. "Nichtanwendungsanweisung" an die Finanzbehörden ein Grund gewesen wäre, den Bundesminister der Finanzen (BMF) gemäß § 122 Abs.2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufzufordern. Von einer solchen Aufforderung war schon deshalb abzusehen, weil der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung auf Befragen erklärt hat, eine Beteiligung des BMF sei in Erwägung gezogen worden. Sie sei aber nach telephonischer Mitteilung eines Vertreters des Finanzministers des Landes Hessen vom BMF nicht weiterverfolgt worden.
c) Unter Berücksichtigung der unter a) dargestellten Grundsätze ist das von dem Kläger der GmbH überlassene bebaute Grundstück (ehemaliges Schulgebäude) keine wesentliche Betriebsgrundlage für die GmbH. Eine Beurteilung des Gebäudes als wesentliche Betriebsgrundlage scheitert schon daran, daß es nicht für die besonderen Zwecke des Betriebs der GmbH hergerichtet worden ist. Das FG hat verkannt, daß nach der Rechtsprechung des BFH nicht jedes bebaute Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage ist.
An dieser Beurteilung ändern auch die vom FA in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstände nichts, nämlich die, daß die Grundstücksvermietung vom Kläger an die GmbH in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb durch den Kläger gestanden habe und daß die GmbH ihren Mietzahlungsverpflichtungen gegenüber dem Kläger nicht regelmäßig nachgekommen sei. Beide Umstände sind im Rahmen der Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage ist, unerheblich.
d) Auch die vom Kläger der GmbH pachtweise überlassene Lizenz ist keine wesentliche Grundlage. Sie betrifft nach den Feststellungen des FG ein nicht patentfähiges Verfahren, das von anderen Unternehmen auch angewendet wird. Daraus folgt, daß dieses Verfahren von der GmbH auch dann angewendet werden könnte, wenn es ihr vom Kläger nicht zur Ausnutzung überlassen worden wäre. Das aber steht der Annahme einer wesentlichen Betriebsgrundlage entgegen; denn wesentlich kann ein "Verfahren" nicht sein, dessen Anwendung man jederzeit durch Vertrag mit einem Dritten oder gar ohne jede vertragliche Vereinbarung anwenden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 62399 |
BFH/NV 1989, 2 |
BFHE 154, 539 |
BFHE 1989, 539 |
BB 1989, 199-200 (LT) |
DB 1989, 26-27 (LT) |
DStR 1989, 41 (KT) |
HFR 1989, 145 (LT) |