Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung und Zustellung von Vermögensabgabebescheiden an Ehegatten
Leitsatz (NV)
1. Sind Ehegatten zusammen zur Vermögensabgabe veranlagt, so ist die Beiladung der Ehefrau zu einem vom Ehemann betriebenen Klageverfahren grundsätzlich nicht notwendig.
2. Zur Wirksamkeit der Zustellung eines Vermögensabgabebescheids an Ehegatten.
Normenkette
LAG §§ 38, 203; FGO § 60 Abs. 3; AO § 91 Abs. 1, § 211 Abs. 3; VwZG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 12.01.1983; Aktenzeichen VI 245/78 LA) |
Nachgehend
Tatbestand
Das damals zuständige Finanzamt (FA) G. veranlagte den Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit endgültigem Bescheid vom 7. Februar 1958 zur Vermögensabgabe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die gegen die Einspruchsentscheidung eingelegte Berufung führte im zweiten Rechtsgang zur Änderung des Vermögensabgabebescheides vom 7. Februar 1958 (Urteil des Finanzgerichts - FG - Düsseldorf vom 28. Juni 1963 VI 8/63 LA). Die Revision des Klägers sowie die Anschlußrevision des FA G. hat der erkennende Senat mit Urteil vom 27. September 1968 III 299/63 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 14. Januar 1969 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ,,zur Auswertung des BFH-Urteils vom 27. September 1968 und der sich daraus ergebenden Berichtigung der VA" einen berichtigten Vermögensabgabebescheid. Dieser entspricht hinsichtlich des ursprünglichen Vierteljahrsbetrages und der Minderungsbeträge den Festsetzungen des FG-Urteils vom 28. Juni 1963. Davon abweichend gewährte das FA erstmals eine Familienermäßigung von 5 DM vierteljährlich für die Zeit ab 1. Januar 1962. Hinsichtlich der Nichtgewährung der Familienermäßigung für die Jahre 1960 und 1961 erklärte das FA den Bescheid für vorläufig. Die ,,Anlage zum berichtigten VA-Bescheid" enthält u. a. die Ablehnung des Antrags auf Erlaß wegen Alters gemäß § 54 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) sowie des Antrags auf Stundung gemäß § 55 a Abs. 2 ff. LAG.
Gegen den Vermögensabgabebescheid vom 14. Januar 1969 legte der Kläger Einspruch ein. Das FA verwarf diesen als unzulässig. Die Klage blieb ohne Erfolg.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe ihm das rechtliche Gehör versagt, weil es die mündliche Verhandlung am 12. Januar 1983 ohne ihn durchgeführt habe. Nach Ansicht des Klägers hat das FG ferner § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt, weil es seine Ehefrau nicht zum Verfahren beigeladen habe. In der Sache selbst macht der Kläger geltend, der Bescheid vom 14. Januar 1969 sei nicht wirksam bekanntgegeben worden, weil er nur einmal, und zwar an die Adresse ,,Herrn und Frau Otto A" versandt worden sei. Zu Unrecht habe das FG den Einspruch gegen den Berichtigungsbescheid vom 14. Januar 1969 deshalb als unzulässig angesehen, weil mit der Rechtskraft des FG-Urteils vom 28. Juni 1963 der ursprüngliche Bescheid vom 7. Februar 1958 bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden sei. Das Senatsurteil III 299/63 sei nämlich ihm und seiner Ehefrau ebenso wie das FG-Urteil vom 28. Juni 1963 in nur einer Ausfertigung in einem Umschlag zugesandt worden. Die Zustellung sei somit unwirksam. Der Kläger verweist insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 1971 I R 212/71 (BFHE 104, 493, BStBl II 1972, 425). Entgegen der Auffassung des FG habe hinsichtlich der Anträge auf Berücksichtigung von Kriegssachschäden oder Vertreibungsschäden ein Vorverfahren stattgefunden. Der Anspruch auf Gewährung von Stundung und Erlaß ergebe sich aus § 54 LAG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs kann keinen Erfolg haben. Diese Rüge bedarf zwar keiner Darlegung darüber, daß das angefochtene Urteil auf dem gerügten Mangel beruht oder beruhen kann (§ 119 Nr. 3 FGO). Sie muß aber schlüssig erhoben werden. Dies erfordert, daß der Kläger substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355). Im Streitfall hat der Kläger aber lediglich vorgetragen, daß das FG ihn hätte darauf hinweisen müssen, daß er einen Prozeßbevollmächtigten bestellen müsse.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 FGO im Streitfall nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Dritte, die an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, im finanzgerichtlichen Verfahren beizuladen.
Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung im Sinn des § 60 Abs. 3 FGO besteht grundsätzlich nicht bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten. Zusammenveranlagte sind Gesamtschuldner, verschiedene Entscheidungen gegen Gesamtschuldner aber rechtlich möglich (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1971 VI R 301/66, BFHE 101, 358, BStBl II 1971, 331; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rdnr. 4). Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch hinsichtlich der Zusammenveranlagung von Ehegatten gemäß § 38 LAG. Diese begründet die gesamtschuldnerische Haftung beider Ehegatten für die Vermögensabgabe, und zwar ohne daß es auf die Höhe des Vermögens des einzelnen Ehegatten und die Art des Güterstandes ankommt (vgl. Kühne/Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, § 38 Anm. 1 b).
Ausnahmsweise kann sich jedoch auch bei der Zusammenveranlagung gemäß § 38 LAG die Notwendigkeit der Beiladung ergeben. So beispielsweise, wenn bei der Vermögensabgabe die Vermögensverhältnisse beider Ehegatten derart streitig sind, daß die Feststellung der Vermögensverhältnisse des einen Ehegatten sich unmittelbar auf die Feststellung der Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten auswirkt (vgl. BFH-Urteil vom 2. August 1968 III 240/64, BFHE 93, 492). Eine weitere Ausnahme hat der erkennende Senat in den Fällen gesehen, in denen über die Anwendung oder Nichtanwendung des § 55 c Abs. 1 LAG zu entscheiden war (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1966 III 342/63, BFHE 87, 361, BStBl III 1967, 104). Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung hat der BFH ferner dann als gegeben angesehen, wenn Ehegatten zusammen zur Vermögensabgabe veranlagt worden sind und ein Ehegatte mit der Anfechtung des Veranlagungsbescheides Interessen verfolgt, die denen des anderen Ehegatten entgegenstehen (Urteil vom 28. Januar 1966 III 96/92, BFHE 85, 327, BStBl III 1966, 327). Eine mit diesen Ausnahmefällen vergleichbare Sachverhaltsgestaltung liegt im Streitfall jedoch nicht vor.
3. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das FA dem Kläger und seiner Ehefrau lediglich eine Ausfertigung des Bescheides übersandt hat.
a) Gemäß den im Streitfall (vgl. Art. 97 § 9, Art. 102 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -) anwendbaren §§ 91, 210 der Reichsabgabenordnung (AO) i.V.m. § 203 LAG wird ein Vermögensabgabebescheid dadurch wirksam, daß er demjenigen zugeht, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist (Bekanntgabe).
Auch eine Zustellung an Ehegatten (vgl. § 91 Abs. 1 i. V .m. § 211 Abs. 3 AO, § 2 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -, § 203 LAG) kann grundsätzlich nicht dadurch bewirkt werden, daß ihnen nur eine Ausfertigung gemeinsam übermittelt wird, und zwar selbst dann nicht, wenn sie unter der gleichen Anschrift erreichbar sind (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1975 I B 38/75, BFHE 117, 205, BStBl II 1976, 136). Nach der Rechtsprechung des BFH sind jedoch in Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer Ausnahmen von diesem Grundsatz möglich. So hat der IV. Senat des BFH in seinem Urteil vom 13. August 1970 IV 48/65 (BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839) die Auffassung vertreten, daß in den Fällen, in denen Eheleute, die zusammen veranlagt werden, eine gemeinsame, von ihnen beiden unterschriebene Steuererklärung abgeben, damit regelmäßig die stillschweigende Vollmacht erteilen, daß jeder von ihnen auch die im Verlauf dieses Besteuerungsverfahrens und des sich gegebenenfalls daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahrens vorzunehmenden Handlungen mit Wirkung für den anderen Ehegatten vornehmen, insbesondere aber den nach § 210 Abs. 2 AO (Gesamtschuldnerschaft) in einer Urkunde zusammengefaßten Steuerbescheid entgegennehmen darf (vgl. ferner Urteile vom 16. August 1978 I R 26/78, BFHE 126, 5, BStBl II 1979, 58; vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208). Dies gilt auch hinsichtlich solcher Bescheide, die die früher ergangenen Bescheide abändern (BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 235/80, BFHE 139, 224, BStBl II 1984, 48).
b) Diese Grundsätze sind entsprechend auf die Zusammenveranlagung zur Vermögensabgabe anzuwenden. Im Streitfall haben der Kläger und seine Ehefrau allerdings keine Erklärung zur Vermögensabgabe abgegeben. Die Veranlagung beruht vielmehr auf einer vorangegangenen Betriebsprüfung. Aus der der Entscheidung des FG zugrunde liegenden Vermögensabgabeakte sowie aus der Senatsakte III 299/63 ergibt sich jedoch, daß der Kläger und seine Ehefrau eine Vielzahl gemeinsamer Schreiben bzw. Schriftsätze an das FA, das FG und den BFH gerichtet haben. Soweit der Kläger die Schreiben bzw. Schriftsätze allein unterschrieben hat, hat er deutlich zu erkennen gegeben, daß er gleichzeitig auch namens seiner Ehefrau handele. Diese Vorgänge betrafen stets dieselbe Vermögensabgabesache. Bei dieser besonderen Sachlage ist davon auszugehen, daß sich die Ehegatten ebenso wie bei einer Unterzeichnung einer gemeinsamen Vermögensabgabeerklärung wechselseitig zum Empfang der Vermögensabgabebescheide bevollmächtigt hatten.
c) Nach dem BFH-Urteil vom 16. August 1978 I R 26/78 (BFHE 126, 5, BStBl II 1979, 58) wird zwar der an Eheleute gemäß § 210 Abs. 2 AO gerichtete einheitliche Steuerbescheid in den Fällen, in denen die Eheleute keine gemeinsame Steuererklärung abgegeben haben, nur dadurch wirksam bekanntgegeben, daß jedem der Eheleute eine Ausfertigung des Bescheids übersandt wird. Diese Entscheidung ist jedoch im Streitfall nicht einschlägig. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das FA, da die Steuerpflichtigen keine Steuererklärung abgegeben hatten, den im Schätzungsweg gemäß § 217 AO erlassenen Einkommensteuerbescheid unter der Anschrift ,,Herrn und Frau W, Horst" zur Post gegeben. Im Unterschied dazu beruhte der vom Kläger angefochtene Bescheid auf einem BFH-Urteil, dem der langjährige, oben unter b) näher umschriebene Schriftsatzaustausch zwischen den Beteiligten vorangegangen ist.
d) Da nach den vorstehenden Ausführungen nur eine Ausfertigung an die Eheleute übersandt zu werden brauchte, war jedenfalls der Kläger in dem Vermögensabgabebescheid hinreichend als Adressat bezeichnet (vgl. dazu BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208). Ob dies auch für die Ehefrau gilt, kann dahinstehen, weil diese nicht Klage erhoben hat.
4. Das FG hat zu Recht den gegen den angefochtenen Vermögensabgabebescheid vom 14. Januar 1969 erhobenen Einspruch als unzulässig angesehen. Durch diesen Bescheid wurde der Vermögensabgabebescheid vom 7. Februar 1958 in der Gestalt des Urteils des FG Düsseldorf vom 28. Juni 1963 geändert. Mit der Rechtskraft des genannten Urteils aufgrund der Entscheidung des BFH in der Sache III 299/63 erlangte der Bescheid vom 7. Februar 1958 in der durch das Urteil erhaltenen Gestalt Bestandskraft. Soweit sich der Einspruch der Klägers gegen den Berichtigungsbescheid auf Vorgänge bezieht, die Gegenstand des BFH-Urteils III 299/63 waren, ist er wegen bereits eingetretener Unanfechtbarkeit des vorherigen Bescheids unzulässig (vgl. § 232 Abs. 1 AO, § 351 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 42 Abs. 1 FGO).
Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwände sind unbegründet. Der Kläger kann sich insbesondere nicht darauf berufen, daß das BFH-Urteil III 299/63 deshalb unwirksam sei, weil es seiner Behauptung nach ihm und seiner Ehefrau in nur einer Ausfertigung in einem Umschlag zugesandt worden sei. Dieses Urteil ist jedenfalls durch die Zustellung an das FA G. im Dezember 1968 unwirksam geworden (vgl. dazu Tipke/Kruse, a.a.O., § 104 FGO Rdnr. 3). Damit kommt es auf etwaige Mängel bei der Zustellung des FG-Urteils (vgl. dazu Urteil in BFHE 104, 493, BStBl II 1972, 425) nicht mehr entscheidungserheblich an. Das genannte Urteil ist im übrigen auf BFH-Entscheidungen nicht anwendbar.
5. Die vom FA gewährte Familienermäßigung in Höhe von 5 DM vierteljährlich für die Zeit ab 1. Januar 1962 hat das FG zu Recht als rechtens angesehen (vgl. § 53 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 LAG). Der Kläger hat insoweit keine Einwendungen mehr erhoben. Das gleiche gilt hinsichtlich der Versagung des Abzugs der Aufwendungen für Mobiliar- und Hausratsbeschaffung, der bereits Gegenstand des BFH-Urteils III 299/63 war.
6. Das FG hat schließlich zu Recht die Auffassung vertreten, daß hinsichtlich der Berücksichtigung von Kriegssachschäden oder Vertreibungsschäden nach den §§ 47, 47 a und b LAG i.V.m. § 55 a LAG das gemäß § 44 FGO erforderliche Vorverfahren fehle. In der Einspruchsentscheidung vom 10. April 1978 ist dazu ausdrücklich ausgeführt, daß über diesen Sachbereich gesondert zu entscheiden sei. Darauf, ob das FA die für eine entsprechende Entscheidung erforderlichen Voraussetzungen zu Recht als nicht gegeben angesehen hat, kommt es nicht an.
Auch für die im Zusammenhang mit dem Erlaß gemäß § 54 LAG geltend gemachte Stundung fehlt es an dem erforderlichen Vorverfahren.
Fundstellen