Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwandsentschädigung für Landesbedienstete im Beitrittsgebiet, Verrechnung mit Werbungskosten
Leitsatz (NV)
- Aufwandsentschädigungen, die einem im öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet Beschäftigten 1994 steuerfrei gezahlt wurden, sind weiterhin nach § 3 Nr. 12 EStG zu behandeln.
- In diesem Falle ist der Teil der Werbungskosten des Bediensteten, der dem Verhältnis entspricht, indem die steuerfreie Aufwandsentschädigung zu den Gesamteinnahmen steht, nicht abziehbar.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 12, § 3c
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie verlegten ihren Wohnsitz von Westdeutschland in das Beitrittsgebiet, wo sie Tätigkeiten im öffentlichen Dienst übernahmen. Der Kläger war als Professor an der Universität A beschäftigt. Im Streitjahr 1994 erhielt er neben seinen sonstigen Dienstbezügen ―letztmals― eine gemäß § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei gezahlte Aufwandsentschädigung von insgesamt 18 000 DM.
Für das Jahr 1994 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten von 12 117 DM (Arbeitsmittel, Fachliteratur, Dienst- und Bewerbungsreisen, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) geltend. Das seinerzeit zuständige Finanzamt rechnete die erhaltene Aufwandsentschädigung auf die Werbungskosten an und berücksichtigte nur den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2 000 DM. Der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus, eine Verrechnung der Werbungskosten mit der Aufwandsentschädigung sei unzulässig. Sie lasse sich nicht aus § 3c EStG herleiten, da ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen steuerfreien Einnahmen und abziehbaren Werbungskosten fehle. Die Einschränkung des Werbungskostenabzugs sei jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Werbungskosten ―wie im Streitfall― auch ohne Tätigkeit im Beitrittsgebiet entstanden wären.
In der ohne Rechtfertigung durch abziehbare Erwerbsaufwendungen gewährten Steuerbefreiung des § 3 Nr. 12 EStG habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine verfassungswidrige Privilegierung der Empfänger von Aufwandsentschädigungen aus Bundes- oder Landeskassen gesehen (Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Das BVerfG habe jedoch die rückwirkende Nichtanwendung des § 3 Nr. 12 EStG ausgeschlossen, so dass die dem Kläger zugeflossene Aufwandsentschädigung ausnahmsweise steuerfrei bleibe. Auch der Kläger könne den Werbungskostenabzug nach den allgemeinen Regeln des EStG beanspruchen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das nunmehr zuständige Finanzamt ―FA―) eine Verletzung materiellen Rechts. Er vertritt die Auffassung, zwischen der steuerfrei gezahlten Aufwandsentschädigung und den von dem Kläger als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang i.S. von § 3c EStG. Aufwandsentschädigungen im öffentlichen Dienst bei einer Tätigkeit im Beitrittsgebiet seien wegen der mit dem Aufenthalt im Beitrittsgebiet verbundenen besonderen Aufwendungen gewährt worden. Deshalb seien sie auf alle Werbungskosten anzurechnen, die zweifelsfrei der Tätigkeit im Beitrittsgebiet zuzuordnen seien. Dies stehe nicht im Widerspruch zum Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Das BVerfG habe nicht über die Frage entschieden, ob § 3c EStG in derartigen Fällen greife. Die Ausführungen, dass die Bezieher der Aufwandsentschädigung Aufwendungen zusätzlich neben der Steuerfreiheit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG absetzen könnten, seien für die Entscheidung des BVerfG nicht tragend.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Herabsetzung der festgesetzten Einkommensteuer 1994 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Werbungskosten des Klägers sind nur zum Teil zu berücksichtigen.
1. Die von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Arbeitsmittel, Fachliteratur, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie Dienst- und Bewerbungsreisen sind dem Grunde nach offensichtlich als Werbungskosten anzuerkennen. Dies wird auch von dem FA nicht in Zweifel gezogen. Die Werbungskosten sind indessen nicht, wie das FA meint, nach § 3c EStG um die gesamte erhaltene Aufwandsentschädigung zu kürzen. Sie sind anderseits nicht in voller Höhe abziehbar.
2. Gemäß § 3c EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Bei der dem Kläger nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei ausbezahlten Aufwandsentschädigung handelt es sich um eine steuerfreie Einnahme i.S. von § 3c EStG. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift wird im Streitfall nicht dadurch in Frage gestellt, dass das BVerfG § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG in seiner Anwendung auf im Jahre 1993 gezahlte Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen ihrer Tätigkeit bei einer Dienststelle im Beitrittsgebiet für verfassungswidrig erklärt hat (Beschluss in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Die Entscheidung des BVerfG entfaltet zwar nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) Bindungswirkung auch hinsichtlich der Aufwandsentschädigung, die einem Landesbediensteten für seine Tätigkeit im Beitrittsgebiet gezahlt worden ist (vgl. Abdruck des Urteils des Senats vom 26. März 2002 VI R 26/00). Jedoch hat das BVerfG eine rückwirkende Anwendung seiner Entscheidung (d.h. Aufhebung der Steuerfreiheit) aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ausgeschlossen, so dass auch in den Fällen, in denen die Anrechnung der steuerfrei gezahlten Aufwandsentschädigung auf die Werbungskosten streitig ist, daraus keine für die Steuerpflichtigen nachteiligen Folgerungen gezogen werden dürfen. Die dem Kläger gezahlte Aufwandsentschädigung ist daher weiterhin als steuerbefreite Zuwendung zu behandeln.
3. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen steuerlich geltend gemachten Ausgaben und steuerfreien Einnahmen, wie ihn der Tatbestand des § 3c EStG erfordert, ist im Streitfall zum Teil gegeben. Für seine Tätigkeit als Universitätsprofessor im Beitrittsgebiet hat der Kläger neben seinen steuerpflichtigen Grundbezügen auch ―in Form der Aufwandsentschädigung― Einnahmen erhalten, die nicht der Lohnsteuer unterworfen wurden. Die unstreitig als Werbungskosten zu qualifizierenden Ausgaben für Arbeitsmittel, Fachliteratur, Dienst- und Bewerbungsreisen sowie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hat er zur Erzielung dieser Gesamteinnahmen aufgewendet. Damit stehen die Werbungskosten mit dem als steuerfrei behandelten Teil der Bezüge in einem ebenso engen wirtschaftlichen Zusammenhang wie mit den Grundbezügen. Besondere, allein auf die Tätigkeit im Beitrittsgebiet bezogene Aufwendungen, zu deren Abgeltung die Aufwandsentschädigung hätte vorgesehen sein können, liegen im Streitfall nicht vor. Nach § 3c EStG dürfen somit die Werbungskosten des Klägers nicht abgezogen werden, "soweit" sie durch die Erzielung steuerfreier Einnahmen veranlasst sind. Die Werbungskosten sind daher in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen. Der nicht abziehbare Teil ist dabei nach dem Verhältnis zu bemessen, in dem die steuerfrei gewährte Aufwandsentschädigung zu den im Zeitraum der Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielten Gesamteinnahmen steht (vgl. im Einzelnen das Senatsurteil VI R 26/00).
4. Der Senat kann die Aufteilung anhand der ―unstreitigen― Angaben des Klägers in seiner Steuererklärung, auf die das FG Bezug genommen hat, selbst vornehmen. Danach beläuft sich der nicht abziehbare Teil der Werbungskosten von insgesamt 12 117 DM nach dem Verhältnis der steuerfreien Aufwandsentschädigung von 18 000 DM zu den Gesamteinnahmen von 138 959 DM (Jahresarbeitslohn 120 959 DM + Aufwandsentschädigung 18 000 DM) auf 12 117 DM x 18 000 DM : 138 959 DM = 1 570 DM. Abziehbar bleiben somit Werbungskosten von (12 117 DM ./. 1 570 DM =) 10 547 DM.
5. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger vermindert sich unter Berücksichtigung des bislang angesetzten Arbeitnehmer-Pauschbetrags (2 000 DM) und der anzuerkennenden Werbungskosten (10 547 DM) von 154 317 DM auf 145 770 DM. Nach der Splittingtabelle beträgt danach die festzusetzende Einkommensteuer 38 286 DM = 19 575,32 t. Das darüber hinausgehende Klagebegehren bleibt ohne Erfolg.
Fundstellen