Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung der Kinderfreibeträge bei der pauschalen Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 EStG
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes für die pauschale Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 EStG werden die auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer eingetragenen Kinderfreibeträge nicht berücksichtigt.
Normenkette
EStG §§ 31, 38a Abs. 2, § 40 Abs. 1, §§ 51a, 38a Abs. 4, § 38c Abs. 1 S. 5; GG Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die S-GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist, veranstaltete in den Streitjahren (1996 und 1998) Tagungen, die zu lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteilen der teilnehmenden Arbeitnehmer führten. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurden unversteuerte geldwerte Vorteile in Höhe von 23 352 DM für 1996 und von 44 132 DM für 1998 ermittelt.
Auf Antrag der Klägerin erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 24. November 2000 einen Nachforderungsbescheid, mit dem für die geldwerten Vorteile in den Streitjahren Lohnsteuer von insgesamt 34 980 DM nachgefordert wurde. Der Nachforderung lag gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein Pauschsteuersatz in Höhe von 52,94 v.H. für 1996 und von 51,25 v.H. für 1998 zugrunde. Die auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer eingetragenen Kinderfreibeträge blieben bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes unberücksichtigt. Ihr Abzug hätte zu einer Verringerung des Pauschsteuersatzes auf 52,05 v.H. für 1996 und auf 50,26 v.H. für 1998 und einem Nachforderungsbetrag von insgesamt 34 336 DM geführt.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1621 veröffentlichten Gründen ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass es nach Änderung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) an einer gesetzlichen Grundlage für die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge beim Pauschsteuersatz fehle. Die Eintragung der Kinderfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte sei nur im Hinblick auf die Zuschlagsteuern zur Lohnsteuer erfolgt.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid vom 24. November 2000 hinsichtlich der Nachforderungen für die Tagungen dahingehend zu ändern, dass die pauschale Lohnsteuer für 1996 um 207,84 DM und für 1998 um 436,92 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer eingetragenen Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes nach § 40 Abs. 1 EStG nicht zu berücksichtigen sind.
1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann das Betriebsstätten-Finanzamt auf Antrag des Arbeitgebers zulassen, dass die Lohnsteuer mit einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn in einer größeren Zahl von Fällen Lohnsteuer deshalb nachzuerheben ist, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat. Zur Ermittlung des Pauschsteuersatzes ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG ein durchschnittlicher Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der durchschnittlichen Jahreslohnsteuer in jeder Steuerklasse für die begünstigten Arbeitnehmer zu berechnen. In Abschn. 126 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 wird hierzu ein --für den Arbeitgeber unverbindliches-- Berechnungsverfahren aufgezeigt. Eine eindeutige Methode zur Berechnung des Pauschsteuersatzes ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Richtlinien.
Dessen ungeachtet knüpft die pauschale Lohnsteuer materiell-rechtlich aufgrund der in § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen Verweisung auf § 38a EStG an die individuelle Lohnsteuer --und nicht, wie die Klägerin meint, an die individuelle Einkommensteuer-- der Arbeitnehmer an. Dies bedeutet, dass der Pauschsteuersatz grundsätzlich weder zu einer geringeren noch zu einer höheren Steuer als die Summe der für jeden Arbeitnehmer gesondert ermittelten Steuer auf die zusätzlichen Beträge führen soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG haben die von der S-GmbH veranstalteten Tagungen in den Streitjahren bei den Arbeitnehmern zu lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteilen geführt, die von der S-GmbH in --zwischen den Beteiligten unstreitiger-- Höhe von 23 352 DM (1996) und 44 132 DM (1998) nicht vorschriftsmäßig der Lohnsteuer unterworfen worden sind.
b) Das FG hat zutreffend angenommen, dass die aus der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs im JStG 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) folgende grundsätzliche Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge beim Lohnsteuerabzug auch für die von der Klägerin beantragte Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt.
aa) Die Ermittlung des Pauschsteuersatzes richtet sich aufgrund der in § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG enthaltenen Verweisung nach den Grundsätzen des § 38a EStG zur Berechnung der individuellen Lohnsteuer der Arbeitnehmer. Bei der Ermittlung der Lohnsteuer werden danach die Besteuerungsgrundlagen des Einzelfalls unter anderem durch die Aufstellung von entsprechenden Lohnsteuertabellen nach § 38c EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (a.F.) berücksichtigt (§ 38a Abs. 4 EStG a.F.). Nach Streichung der Nr. 5 des § 38c Abs. 1 Satz 5 EStG in der bis Ende 1995 geltenden Fassung durch das JStG 1996 werden die Kinderfreibeträge nicht mehr in die Lohnsteuertabellen einbezogen. Die Änderung hat zur Folge, dass die Kinderfreibeträge ab dem Jahr 1996 bei der Erhebung der Lohnsteuer nicht mehr berücksichtigt werden (BTDrucks 13/1558, S. 157).
Der Abzug der Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus § 38a Abs. 2 EStG. Nach dieser Vorschrift wird die Jahreslohnsteuer nach dem Jahresarbeitslohn so bemessen, dass sie der Einkommensteuer entspricht, die der Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Der Regelungsgehalt des § 38a Abs. 2 EStG beschränkt sich damit auf die Klarstellung, welche Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer einzubeziehen sind (vgl. Barein in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 38a Rz 10). Die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge fällt dagegen in den Regelungsbereich des § 38a Abs. 4 EStG a.F., der auf die in anderen Vorschriften enthaltenen Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der Lohnsteuer verweist (vgl. Blümich/Thürmer, § 38a EStG Rz 5; Barein in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 38a Rz 14; Frotscher, EStG, 6. Aufl., § 38a Rz 1).
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der Abzug der Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes nach § 40 Abs. 1 EStG nicht daraus ableiten, dass die Kinderfreibeträge gemäß § 51a EStG bei der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer (Zuschlagsteuern) berücksichtigt werden (so aber Wagner in Herrmann/Heuer/ Raupach --HHR--, § 40 EStG Rz 30; Albert/Hahn, Der Betrieb 1996, 1306, 1308). Gemäß § 51a Abs. 2 EStG ist die Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern zwar unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge festzusetzen. Beim Steuerabzug vom laufenden Arbeitslohn gilt dies gemäß § 51a Abs. 2a Satz 1 Halbsatz 2 EStG in gleicher Weise für die Ermittlung der Lohnsteuer als Bemessungsgrundlage. Demgegenüber sieht der 1. Halbsatz der Vorschrift beim Steuerabzug vom sonstigen Arbeitslohn lediglich vor, dass die Zuschlagsteuern nach der Lohnsteuer zu bemessen sind.
Aus dem systematischen Zusammenhang des § 40 Abs. 1 EStG zur differenzierten Regelung der Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen bei der Bemessung der Zuschlagsteuern in § 51a EStG folgt, dass ein Abzug der Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes nach § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG im Streitfall nicht systemgerecht wäre. Denn der Gesetzgeber hat für die Bemessung der Zuschlagsteuern, die --wie im Streitfall-- beim Steuerabzug vom sonstigen Arbeitslohn erhoben werden, in § 51a Abs. 2a Satz 1 Halbsatz 1 EStG keine Berücksichtigung der Kinderfreibeträge vorgesehen (vgl. Bundesministerium der Finanzen, BStBl I 1995, 719 Rz 42; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 51a EStG Rz 30). Die Vorschrift wurde durch das Jahresteuer-Ergänzungsgesetz vom 18. Dezember 1995 (BGBl I 1995, 1959, BStBl I 1995, 786) eingefügt und stellt eine Vereinfachungsregelung dar, mit der für die Ermittlung der Zuschlagsteuern auf einmalige Bezüge eine gegenüber der Ermittlung der Lohnsteuer gesonderte Berechung erspart werden sollte (BTDrucks 13/3084, S. 21; Schlief in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 51a Rz A 38).
cc) Der Klägerin ist auch nicht darin zu folgen, dass die Berücksichtigung der Kinderfreibeträge bei der pauschalen Lohnsteuer dadurch geboten ist, dass die Höhe der für die Berechnung des durchschnittlichen Steuersatzes i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG maßgeblichen Jahreslohnsteuer eng mit dem Familienleistungsausgleich nach § 31 EStG verknüpft ist (so aber HHR/Wagner, § 40 EStG Rz 30; vgl. auch Albert/Hahn, a.a.O.). Denn die in § 31 EStG vorgesehene Verrechnung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen findet erst im Veranlagungsverfahren statt. Sie ist zudem auf die Fälle beschränkt, in denen die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht in vollem Umfang durch das Kindergeld bewirkt wird (§ 31 Satz 4 EStG).
dd) Die Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge bei der Ermittlung des Pauschsteuersatzes nach § 40 Abs. 1 EStG ergibt sich schließlich auch aus dem Zweck der Vorschrift, das Lohnsteuer-Abzugsverfahren zu vereinfachen (vgl. dazu Seifert in Korn, § 40 EStG Rz 1; Wermelskirchen in Lademann, EStG, § 40 EStG Rz 1; Frotscher, a.a.O., § 40 Rz 1). Der Vereinfachungszweck erfordert es, den Pauschsteuersatz des § 40 Abs. 1 EStG nicht in gleicher Weise wie bei der Individualbesteuerung der einzelnen Arbeitnehmer zu berechnen (HHR/Wagner, § 40 EStG Rz 17; Blümich/Heuermann, § 40 EStG Rz 62). Die Anknüpfung an die Grundsätze zur Berechnung der individuellen Lohnsteuer der Arbeitnehmer aus § 38a EStG dient nur dazu, eine annähernde Übereinstimmung der pauschalen Lohnsteuer mit der Summe der individuellen Lohnsteuer aller Arbeitnehmer zu erreichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726; Wermelskirchen, a.a.O., § 40 EStG Rz 33). Ein von diesen Grundsätzen abweichender Abzug der Kinderfreibeträge bei der pauschalen Lohnsteuer widerspricht dem Vereinfachungszweck des § 40 Abs. 1 EStG, da er zu einer --über die Verweisung auf § 38a EStG hinausgehenden-- Berücksichtigung individueller Besteuerungsmerkmale der einzelnen Arbeitnehmer führt.
c) Die Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge bei der Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 EStG verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Schutz von Ehe und Familie gebietet es, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum der Kinder steuerfrei zu belassen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt aber keine Verpflichtung für den Gesetzgeber, Steuerpflichtige vor den Folgen ihrer selbst gewählten, möglicherweise weniger vorteilhaften Gestaltungsformen zu bewahren (BVerfG-Beschluss vom 26. Februar 1993 2 BvR 164/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 408, und Senatsurteil vom 21. September 2006 VI R 80/04, BStBl II 2007, 11). Der Klägerin stand es gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG frei, einen Antrag auf Vornahme der pauschalen Besteuerung zu stellen. Macht sie --wie im Streitfall-- von ihrem Antragsrecht Gebrauch, verstoßen die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Folgen nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Die Klägerin kann sich als Dritte zudem nicht auf den Anspruch der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG auf Steuerfreistellung des Existenzminimums der Kinder berufen.
Fundstellen
Haufe-Index 1780030 |
BFH/NV 2007, 1991 |
BStBl II 2007, 844 |
BFHE 2008, 365 |
BFHE 218, 365 |
BB 2007, 1886 |
DB 2007, 1847 |
DStR 2007, 1522 |
DStRE 2007, 1213 |
DStZ 2007, 579 |
HFR 2007, 986 |