Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit der Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH bei Vereinbarung einer Gewinntantieme
Leitsatz (NV)
- Verspricht eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Gewinntantieme, so führt dies zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, soweit die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers unter Berücksichtigung der Tantiemeleistungen unangemessen hoch ist.
- Die Höhe der angemessenen Bezüge ist im Einzelfall durch Schätzung des FG zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bereich des Angemessenen sich auf eine Bandbreite von Beträgen erstrecken kann. Unangemessen sind dann nur diejenigen Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.
- Die Angemessenheit der Gesamtausstattung eines Gesellschafter-Geschäftsführers muss grundsätzlich anhand derjenigen Umstände und Erwägungen beurteilt werden, die im Zeitpunkt der Gehaltsvereinbarung vorgelegen haben und angestellt worden sind. Im Rahmen der tatrichterlichen Gesamtwürdigung darf die zukünftige Entwicklung aber mit in die Angemessenheitsprüfung einbezogen werden.
- Die Entscheidung darüber, wie ein ordentlicher Geschäftsleiter eine gewinnabhängige Vergütung bemessen und ggf. nach oben begrenzt hätte, obliegt im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich dem FG. Dessen Würdigung ist im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar.
- Steht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein sprunghafter Gewinnanstieg ernsthaft im Raum, so kann es bei Vereinbarung einer gewinnabhängigen Vergütung ausnahmsweise geboten sein, diese auf einen bestimmten Höchstbetrag zu begrenzen.
- Ist die Gesamtausstattung eines Gesellschafter-Geschäftsführers angemessen, so muss nicht schon deshalb eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, weil die Vergütung zu mehr als 25 v.H. aus variablen Anteilen besteht.
- Arbeitet ein Gesellschafter-Geschäftsführer zusätzlich für weitere Unternehmen, so ist dies bei der Bestimmung des angemessenen Gehalts in der Regel mindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 2002, 941) |
Tatbestand
I. Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) sind Schwestergesellschaften, beide in der Rechtsform der GmbH, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, welche geschlossene Immobilienfonds konzipiert, errichtet und an den Markt bringt. Sie streiten mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA―) um die Angemessenheit der Vergütungen an ihre beiden Gesellschafter-Geschäftsführer X und dessen frühere Lebensgefährtin Y, sowie um die Behandlung dieser Vergütungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Streitjahre sind 1992 und 1993.
1. Gegenstand des Unternehmens der 1982 errichteten Klägerin zu 1 war die Beratung und die Vermittlung steuerbegünstigter Kapitalanlagen, insbesondere von Bauherren- und Erwerbermodellen.
Zwischen ihr und ihrem beherrschenden Gesellschafter und ursprünglich alleinigem Geschäftsführer X wurden am 23. August 1982 und am 1. Februar 1989 Anstellungsverträge geschlossen. Danach erhielt X die Zusage einer Gewinntantieme in Höhe von 30 v.H. des Jahresüberschusses laut Handelsbilanz nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, aber vor Kürzung um die Gewinnanteile stiller Gesellschafter und die Tantieme selbst und andere gewinnabhängige Vergütungen. Die daneben vereinbarten Festgehälter von monatlich 6 000 DM wurden am 1. Februar 1989 auf 12 000 DM und am 25. Mai 1992 auf monatlich 15 000 DM erhöht. Nach dem Anstellungsvertrag musste der Geschäftsführer seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft stellen; er durfte danach weiterhin als Komplementär in verschiedenen Kommanditgesellschaften tätig sein und in Einzelfällen Zwischen- und Endfinanzierungen vermitteln.
Mit Vertrag vom 24. Juni 1987 stellte die Klägerin zu 1 die Y ab 1. Oktober 1987 als Sachbearbeiterin in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 20 Stunden an. Sie erhielt einen monatlichen Bruttolohn von 2 150 DM zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen und eines Urlaubsgeldes. Durch Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 8. November 1989 wurde das Monatsgehalt auf 2 650 DM erhöht; zusätzlich erhielt sie eine Tantieme in Höhe von 5 v.H. des Jahresüberschusses der Handelsbilanz nach Maßgabe der auch im Vertrag mit X festgelegten Modifikationen. Am 6. April 1990 wurde Y Prokura erteilt. Am 30. Dezember 1994 bestellte die Klägerin zu 1 sie zur weiteren, alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin und zugleich P zum weiteren, nicht alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer.
2. Die Klägerin zu 2 wurde 1988 als Vertriebsgesellschaft der Klägerin zu 1 errichtet. Ihre Aufgabe bestand darin, die Anteile an den von der Klägerin zu 1 konzipierten Fonds an den Markt zu bringen und dadurch Kapital zur Verfügung zu stellen.
X als zunächst alleiniger Anteilseigner der Klägerin zu 2 hatte 1990 ein Viertel der Anteile auf Y übertragen. Diese wurde am 29. August 1988 zur Geschäftsführerin bestellt. Ihr Jahresgehalt betrug 30 000 DM. Mit Nachtrag vom 1. August 1990 wurde das Monatsgehalt auf 5 000 DM erhöht und ihr eine Tantieme in Höhe von 10 v.H. des Jahresüberschusses der Handelsbilanz nach Maßgabe des bereits mit der Klägerin zu 1 geschlossenen Vertrages zugesagt. Mit Nachtrag vom 20. Februar 1991 wurde das Monatsgehalt auf 8 000 DM, mit Nachtrag vom 26. Mai 1992 auf 13 000 DM und mit Nachtrag vom 23. März 1993 auf 21 000 DM erhöht. Nach dem Nachtrag vom 20. Februar 1991 wurden Y ab 1. November 1991 monatlich 8 000 DM auf die voraussichtlich entstehende Tantieme gezahlt. Diese Vorauszahlungen entfielen nach dem Nachtrag vom 23. März 1993 ab 1. April 1993; sie wurden im Streitjahr 1992 in Höhe von 96 000 DM und im Streitjahr 1993 in Höhe von 24 000 DM geleistet und zu Lasten des Aufwandes verbucht.
X wurde durch Vertrag vom 1. März 1991 als weiterer Geschäftsführer der Klägerin zu 2 eingestellt. Es wurde zunächst ein festes Monatsgehalt in Höhe von 15 000 DM, eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes und eine Gewinntantieme in Höhe von 30 v.H. des Jahresüberschusses laut Handelsbilanz nach den erwähnten Maßgaben vereinbart. Nachträgliche Änderungen der Veranlagung, insbesondere durch die Betriebsprüfung, blieben ohne Einfluss auf die Tantieme. Mit Nachtrag vom 25. Mai 1992 wurde das Monatsgehalt auf 25 000 DM und mit Nachtrag vom 26. März 1993 ab 1. April 1993 auf 40 000 DM festgelegt.
Seit 30. Juli 1991 bzw. seit 7. Juni 1995 wurde jeweils einer weiteren Person Einzelprokura erteilt. Am 30. Dezember 1994 wurden P und H als weitere, nicht alleinvertretungsberechtigte Mitgeschäftsführer bestellt.
Das FA sah die von den beiden Klägerinnen an X und Y geleisteten Geschäftsführervergütungen teilweise als unangemessen an und behandelte sie deshalb als vGA, und zwar im Einzelnen wie folgt:
X
|
|
1992 (DM) |
v.H. |
1993 (DM) |
v.H. |
Klägerin zu 1 |
Festgehalt |
165 000 |
|
180 000 |
|
|
Tantieme |
664 414 |
|
1 291 635 |
|
|
Zwischensumme |
829 414 |
24 |
1 471 635 |
30 |
Klägerin zu 2 |
Festgehalt |
195 000 |
|
445 000 |
|
|
Tantieme |
2 390 353 |
|
3 053 397 |
|
|
Zwischensumme |
2 585 353 |
76 |
3 498 397 |
70 |
gesamt |
|
3 414 767 |
100 |
4 970 032 |
100 |
angemessen |
|
1 200 000 |
|
1 200 000 |
|
vGA |
|
2 214 767 |
100 |
3 770 032 |
70 |
Y
|
|
1992 (DM) |
v.H. |
1993 (DM) |
v.H. |
Klägerin zu 1 |
Festgehalt |
35 824 |
|
35 824 |
|
|
Tantieme |
110 735 |
|
215 272 |
|
|
Zwischensumme |
146 559 |
14 |
251 096 |
17 |
Klägerin zu 2 |
Festgehalt |
131 000 |
|
249 000 |
|
|
Tantieme |
796 784 |
|
1 017 799 |
|
|
Zwischensumme |
927 784 |
86 |
1 266 799 |
83 |
gesamt |
|
1 074 343 |
100 |
1 517 895 |
100 |
angemessen |
|
400 000 |
|
400 000 |
|
vGA |
|
674 343 |
100 |
1 117 895 |
70 |
Entsprechend den errechneten Kürzungsbeträgen entfielen nach Auffassung des FA entsprechend den prozentualen Verhältnissen folgende vGA auf die beiden Gesellschaften:
X
|
1992 (DM) |
v.H. |
1993 (DM) |
v.H. |
Klägerin zu 1 |
531 544 |
24 |
1 131 010 |
30 |
Klägerin zu 2 |
1 683 223 |
76 |
2 639 022 |
70 |
Y
|
1992 (DM) |
v.H. |
1993 (DM) |
v.H. |
Klägerin zu 1 |
94 408 |
14 |
190 042 |
17 |
Klägerin zu 2 |
579 935 |
86 |
927 853 |
83 |
Daraus errechneten sich folgende vGA:
Klägerin zu 1
|
1992 (DM) |
1993 (DM) |
X |
531 544 |
1 131 010 |
Y |
94 408 |
190 042 |
gesamt |
625 952 |
1 321 052 |
Klägerin zu 2
|
1992 (DM) |
1993 (DM) |
X |
1 683 223 |
2 639 022 |
Y |
579 935 |
927 853 |
gesamt |
2 263 158 |
3 566 875 |
Die Klage der Klägerin zu 1 gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) gab ihr mit den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2002, 290 wiedergegebenen Gründen statt. Auch die Klage der Klägerin zu 2 hatte Erfolg, uneingeschränkt allerdings nur bezogen auf die Y. Hinsichtlich des X ging das FG davon aus, dass dessen Gesamtausstattung auf einen geschätzten Betrag von 2,5 Mio. DM zu begrenzen sei. Die darüber hinausgehenden Beträge stellten vGA dar. Dieses Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 941 abgedruckt.
Seine Revisionen stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die ―zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―)― Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG. Dessen Feststellungen ermöglichen keine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Gehälter von X und Y in Anbetracht ihrer Funktionen als Geschäftsführer beider Klägerinnen noch als angemessen anzusehen sind.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (z.B. Senatsurteile vom 19. Januar 2000 I R 24/99, BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 9. August 2000 I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).
2. Das FG hat zunächst richtig erkannt, dass der hiernach anzustellende Fremdvergleich sich u.a. auf die Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers beziehen muss. Darunter ist die Summe aller Vorteile zu verstehen, die der Gesellschafter-Geschäftsführer in dem jeweils maßgeblichen Veranlagungszeitraum von der Kapitalgesellschaft oder von Dritten für deren Rechnung bezogen hat.
3. In den Streitfällen beliefen sich die Gesamtausstattungen des X in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin zu 1 auf 829 414 DM (1992) und auf 1 471 635 DM (1993) sowie in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin zu 2 auf 2 585 353 DM (1992) und auf 3 498 397 DM (1993). Die Y erhielt von der Klägerin zu 1 146 559 DM (1992) und 251 096 DM (1993) sowie von der Klägerin zu 2 1 074 343 DM (1992) und 1 517 895 DM (1993). Das FG hat diese Vergütungen als angemessen angesehen. Lediglich in jenem Umfang, in welchem an X seitens der Klägerin zu 2 Beträge von mehr als 2,5 Mio. DM gezahlt worden seien, lägen vGA vor. In diesem Umfang erfordere ein Fremdvergleich eine obere Vergütungsbegrenzung. Die Klägerin zu 2 hat diese Begrenzung nicht angegriffen, so dass es insoweit lediglich darum geht, ob der vom FG vorgenommene Fremdvergleich im Übrigen einer revisionsrechtlichen Überprüfung standhält.
4. Das ist im Grundsatz der Fall.
a) Für die Bemessung der angemessenen Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers gibt es keine festen Regeln. Der angemessene Betrag ist vielmehr im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln (Senatsurteile vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234; vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549; vom 28. November 2001 I R 44/00, BFH/NV 2002, 543; Senatsbeschluss vom 18. März 2002 I B 35/01, BFH/NV 2002, 1176). Bei dieser Schätzung ist zu berücksichtigen, dass häufig nicht nur ein bestimmtes Gehalt als angemessen angesehen werden kann, sondern der Bereich des Angemessenen sich auf eine gewisse Bandbreite von Beträgen erstreckt (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BFH/NV 2002, 134, 138, unter III.A.2.d ee der Entscheidungsgründe). Unangemessen im Sinne einer vGA sind dann nur diejenigen Bezüge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen (Senatsurteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549).
b) Wo im konkreten Einzelfall die Grenze zwischen (noch) angemessenen und (schon) unangemessenen Gesamtbezügen verläuft, ist eine Frage, deren Beantwortung dem FG vorbehalten ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei zählt es zum Bereich der vom FG zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen, welchen Kriterien der Vorrang zur Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung im Einzelfall beizumessen ist. Vorausgesetzt, die Erkenntnisse des FG sind verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze, ist das Revisionsgericht hieran gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Das gilt unabhängig davon, ob sich aus den vorhandenen Schätzungsgrundlagen gleichermaßen andere Beträge hätten ableiten lassen.
c) Zu den Maßstäben für die Beurteilung der Angemessenheit einer Vergütung können u.a. diejenigen Entgelte gehören, die gesellschaftsfremde Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens beziehen (interner Fremdvergleich) oder die ―unter ansonsten vergleichbaren Bedingungen― an Fremdgeschäftsführer anderer Unternehmen gezahlt werden (externer Fremdvergleich). Beurteilungskriterien sind Art und Umfang der Tätigkeit, die künftigen Ertragsaussichten des Unternehmens, das Verhältnis des Geschäftsführergehalts zum Gesamtgewinn und zur verbleibenden Kapitalverzinsung sowie Art und Höhe der Vergütungen, die gleichartige Betriebe ihren Geschäftsführern für entsprechende Leistungen gewähren. In diesem Sinne können im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auch Gehaltsstrukturuntersuchungen berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 10. Juli 2002 I R 37/01, BFHE 199, 536, BFH/NV 2003, 269; Senatsbeschluss vom 14. Juli 1999 I B 91/98, BFH/NV 1999, 1645). Fehlt es an hinreichend aussagefähigen Vergleichswerten, so ist ein hypothetischer Fremdvergleich erforderlich, der sich an den mutmaßlichen Überlegungen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters orientiert. Jedoch darf bei keiner dieser Vergleichsmethoden allein darauf abgestellt werden, ob sich die vereinbarte Vergütung bei rückschauender Betrachtung als angemessen erweist. Maßgebender zeitlicher Bezugspunkt ist vielmehr grundsätzlich derjenige, in dem die zu beurteilende Gehaltsvereinbarung abgeschlossen wurde (Senatsurteile in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549; in BFHE 199, 536 BFH/NV 2003, 269).
d) Besteht die Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers zum Teil aus variablen Bezügen, so kann deren Angemessenheit oftmals nicht isoliert von der Gesamtvergütung des betreffenden Geschäftsführers beurteilt werden. Das gilt namentlich dann, wenn ―wie in den Streitfällen― eine Zahlung von Gewinntantiemen vereinbart worden ist. Hier wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Allgemeinen darauf achten, dass die Tantieme in Verbindung mit den übrigen Gehaltsbestandteilen nicht zu einer unangemessen hohen Gesamtausstattung führt. Dazu kann er beispielsweise eine Prognose über die zukünftigen Gewinnaussichten der Gesellschaft anstellen und auf dieser Basis ermitteln, welcher Tantiemesatz zu der angestrebten angemessenen Gesamtausstattung führt. Erweist sich eine solche Prognose als schwierig oder als eher spekulativ oder lässt sie sich ―zumal Jahre später― kaum noch in tragfähiger Weise rekonstruieren, kann es auch genügen, wenn der Tantiemesatz als solcher einem Fremdvergleich standhält. In solchen Fällen kann es allerdings erforderlich sein, einen angemessenen Höchstbetrag zu ermitteln, bei dessen Überschreiten in entsprechendem Umfang eine vGA anzunehmen ist. Die Entscheidung, in welcher Weise der Fremdvergleich im Einzelfall durchzuführen ist, obliegt grundsätzlich dem FG.
e) Unabhängig von dieser Ermittlung eines Höchstbetrages im Rahmen der Angemessenheitsprüfung durch das FG ―und anstelle dieses Betrages― kann die vertragliche Festlegung eines Höchstbetrages dann erforderlich sein, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die zukünftige Gewinnentwicklung ein sprunghafter Gewinnanstieg ernsthaft im Raum steht. Auch in einem solchen Fall würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter beachten, dass eine variable Vergütung bei günstiger Geschäftsentwicklung unter Umständen in Größenordnungen vorstoßen kann, die den Bereich des im Wirtschaftsleben Üblichen deutlich übersteigen und die Leistung des betreffenden Arbeitnehmers nicht mehr zutreffend widerspiegeln. Zur Vermeidung einer solchen Entwicklung würde er möglicherweise fordern, variable Gehaltsbestandteile auf einen bestimmten Höchstbetrag zu begrenzen ("deckeln"). Das Fehlen einer hiernach erforderlichen Begrenzung führt zwar nicht dazu, dass der Anstellungsvertrag oder die darin enthaltene Tantiemevereinbarung insgesamt steuerlich nicht anzuerkennen sind. Jedoch sind in einem solchen Fall die über den "Deckelungsbetrag" hinausgehenden Leistungen der Gesellschaft vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Ob und ggf. bei welchem Betrag im Einzelfall eine Begrenzung notwendig ist, um eine vom Betrag her unangemessene Gesamtausstattung zu vermeiden, ist eine vom FG zu beurteilende tatsächliche Frage.
f) Vor diesem Hintergrund lässt sich in den Streitfällen revisionsrechtlich nichts dagegen einwenden, in welcher Weise das FG den Maßstab für das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorzugsweise anhand betriebsinterner Daten der Klägerinnen, im Hinblick auf die Person des X auch anhand betriebsexterner Vergleichsgrößen beurteilt hat. Das FG hat die Einzelfallumstände (insbesondere Aufgaben- und Verantwortungsbereiche, Arbeitseinsätze) sorgfältig gegeneinander abgewogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die von X und Y erbrachten Leistungen durch die geleisteten Geschäftsführervergütungen in weitgehend angemessener Weise abgegolten worden sind:
aa) Die Festgehälter, die die Klägerin zu 1 an X gezahlt habe, überstiegen danach nicht die Geschäftsführervergütungen, welche kleine und mittlere Kapitalgesellschaften ihren Geschäftsführern zahlten. Gleiches gelte für den ihm versprochenen Tantiemesatz von 30 v.H. des Gewinns. Eine solche Tantiemevereinbarung sei selbst bei Unternehmen mit nur durchschnittlicher Ertragslage nach Maßgabe der ausgewerteten Gehaltstrukturuntersuchungen üblich. Im konkreten Fall wurde dies durch interne Vergleichsdaten bestätigt; mit leitenden Fremdangestellten seien entsprechende umsatzabhängige Vergütungen vereinbart worden. Zwar habe dieser Tantiemesatz vor allem im Streitjahr 1993 zu einer weit überdurchschnittlichen Zuwendung geführt; die Gesamtausstattung des X habe in diesem Jahr knapp 1,5 Mio. DM betragen (gegenüber rund 830 000 DM im Vorjahr). Das FG hat jedoch ―einerseits― ausdrücklich festgestellt, dass der zu erwartende Durchschnittsgewinn der Klägerin zu 1 in jenem Zeitpunkt, in dem die Tantieme zugesagt worden ist, nicht habe festgestellt werden können. Solche Prognosen seien von der Klägerin zu 1 selbst nicht getroffen worden. Der wirtschaftliche Erfolg habe sich zunächst auch nicht absehen lassen. Im Zusagezeitpunkt der Geschäftsführervergütungen habe deshalb kein Anlass bestanden, "über eine Begrenzung des Geschäftsführergehalts nach oben nachzudenken". Andererseits ließen sich auch keine Anhaltspunkte für eine Gewinnabsaugung feststellen. Der Klägerin zu 1 sei von den erzielten Gewinnen vor Steuern in den beiden Streitjahren rund 60 v.H. verblieben. Sämtliche Verbindlichkeiten und Rückstellungen seien bei ausreichender Kapitalverzinsung finanziert worden.
Hinsichtlich der Tantiemen, welche X von der Klägerin zu 2 erhalten hat, verhalte es sich, was die Gewinnprognose im Zusagezeitpunkt betreffe, ebenso wie bei der Klägerin zu 1. Allerdings entzögen sich die von ihm vereinnahmten Gesamtvergütungen einem direkten Vergleich mit den externen Gehaltsstrukturuntersuchungen. Derart ertragsstarke Unternehmen, wie dies die Klägerin zu 2 sei, seien hiernach auch bei größeren Unternehmen kaum vorhanden, so dass es an aussagekräftigen externen wie internen Vergleichsdaten fehle. In Anbetracht dessen sei die Gesamtausstattung des Geschäftsführergehaltes des X aufgrund der Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalles mit 2,5 Mio. DM "in etwa auf das Zweieinhalbfache" des Festgehalts des Geschäftsführers H zu begrenzen.
Auch die an Y sowohl von der Klägerin zu 1 als auch von der Klägerin zu 2 gezahlten Vergütungen hielten dem Fremdvergleich stand. Das ergebe sich namentlich anhand der angezogenen betriebsinternen Vergleichswerte. Die an Y geleisteten Tantiemen seien mit 5 v.H. (Klägerin zu 2) bzw. 10 v.H. (Klägerin zu 1) der erwirtschafteten Gewinne eher unterdurchschnittlich und jedenfalls üblich. Der Unterschied der Tantiemesätze trage dem Umstand Rechnung, dass Y bei der Klägerin zu 2 lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt habe.
bb) Die Beurteilungen des FG stehen in Einklang mit den Grundsätzen für die dem Tatgericht überantworteten Angemessenheitsprüfung. Diese ist insoweit auch von beiden Beteiligten unbeanstandet geblieben. Das FA moniert allerdings, dass das FG hierbei nicht nur die Sachverhaltsumstände der beiden Streitjahre und der jeweiligen Zusagezeitpunkte, vielmehr zur "Absicherung" seiner Sachverhaltswürdigung auch erst später verwirklichte oder sichtbar gewordene Umstände herangezogen habe. Zu Recht sehen die Klägerinnen darin aber keine Verstöße des FG gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Im Rahmen der tatrichterlichen Gesamtwürdigung durfte das FG die künftige Entwicklung mit in die Angemessenheitsprüfung einbeziehen. Entscheidend ist, dass die Fremdvergleiche anhand aller Umstände bezogen auf die jeweiligen Zusagezeitpunkte vorgenommen worden sind.
cc) Das FA beanstandet weiterhin, es sei vom FG zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, dass die vom FG als angemessen angesehenen Gesamtausstattungen des X zu mehr als 25 v.H. aus variablen Bezügen bestanden haben. Auch diesem Einwand ist jedoch nicht zu folgen.
Zwar hat der Senat in der Vergangenheit entschieden, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer variable Bezüge regelmäßig nur insoweit akzeptieren wird, als sie 25 v.H. der Gesamtausstattung nicht überschreiten (Senatsurteil in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549). Diese Rechtsprechung besagt aber nicht, dass der Höhe nach angemessene Gesamtbezüge generell allein deshalb teilweise vGA sind, weil sie zu mehr als 25 v.H. aus Tantiemen bestehen. Vielmehr muss in einer solchen Situation jeweils im Einzelfall ermittelt werden, ob ein höherer Tantiemeanteil darauf hinweist, dass die gewählte Gestaltung in ihrer Gesamtheit oder ggf. in Teilen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine solche Veranlassung kann u.a. dann zu verneinen sein, wenn die Ertragslage der Kapitalgesellschaft starken Schwankungen unterliegt (vgl. Bundesministerium der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 1. Februar 2002, BStBl I 2002, 219, Tz. 3). Diese Gestaltung liegt nach den Feststellungen des FG in den Streitfällen vor. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass das Verhältnis zwischen den festen und den variablen Bezügen des X für die Angemessenheitsprüfung keine ausschlaggebende Rolle spiele, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
5. Gleichwohl müssen die Sachen an das FG zurückverwiesen werden. Denn das FG hat es für unerheblich gehalten, dass sowohl X als auch Y bei beiden Klägerinnen Geschäftsführungsaufgaben wahrgenommen haben. Es hat dazu ausgeführt, dass bei Dienstverträgen einer und derselben Person mit mehreren Gesellschaften jeder dieser Verträge gesondert auf seine Angemessenheit zu prüfen sei. Letzteres trifft zwar im Grundsatz zu. Es schließt aber nicht aus, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Gesellschaft bei der Bemessung eines Geschäftsführergehalts die Tätigkeit des Geschäftsführers für andere Unternehmen mindernd berücksichtigen wird. Dies wird in der Praxis sogar die Regel sein, da ein für mehrere Unternehmen tätiger Geschäftsführer naturgemäß nicht jedem Einzelnen dieser Unternehmen seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen kann. Eine vollständige Nichtberücksichtigung anderweitiger Tätigkeiten wird deshalb im Zweifel nur dann in Betracht kommen, wenn gerade die anderweitige Tätigkeit für die zu beurteilende Gesellschaft Vorteile mit sich bringt, die den Verlust an zeitlichem Einsatz des Geschäftsführers ausgleichen. Das wiederum ist, wenn unter diesem Gesichtspunkt Streit über die Angemessenheit der Vergütung besteht, von der Gesellschaft darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen. In den Streitfällen besteht dazu umso mehr Veranlassung, als X nach dem mit der Klägerin zu 1 geschlossenen Geschäftsführervertrag verpflichtet war, seine "ganze Arbeitskraft" in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.
Abgesehen davon ist zwar die Frage, ob und inwieweit sich eine Paralleltätigkeit des Geschäftsführers im Einzelfall auf die Bemessung der angemessenen Gesamtbezüge auswirkt, der Beurteilung durch das FG vorbehalten. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass dieser Faktor bei der Angemessenheitsprüfung grundsätzlich keine Rolle spielen dürfe, kann jedoch nicht anerkannt werden. Soweit sich aus der vom FG zitierten Entscheidung des Senats (Urteil vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225) eine abweichende Beurteilung ableiten lassen sollte, hält der Senat hieran nicht fest.
Fundstellen
Haufe-Index 965317 |
BFH/NV 2003, 1346 |
HFR 2003, 988 |
GmbHR 2003, 1071 |