Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des Montageerlasses, wenn ausländische Einkünfte nach einem DBA steuerbefreit sind
Leitsatz (NV)
Der bis zum 31. Dezember 1983 gültige Montageerlaß hindert nicht die Einbeziehung der nach einem DBA befreiten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in die Bemessung des Steuersatzes.
Normenkette
EStG §§ 32b, 34c; DBA ZAF Art. 4, 13, 23
Tatbestand
Der unbeschränkt steuerpflichtige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 1983 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In der Zeit vom 26. September 1982 bis 15. Mai 1983 war er im Auftrag seines Arbeitgebers auf einer Baustelle in der Republik Südafrika tätig. Er wirkte bei einer Montage mit. Der Arbeitgeber führte die Baustelle als Betriebsstätte. Er entlohnte den Kläger zu Lasten des Ergebnisses der Betriebsstätte. Der Lohn wurde in Südafrika versteuert.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1983 teilte der Kläger mit, daß er für die Montagetätigkeit in Südafrika Arbeitslohn in Höhe von . . . DM erzielt habe. Er beantragte, diese Einnahmen bei der Berechnung des Steuersatzes nicht zu berücksichtigen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem Antrag des Klägers nicht. Es erhöhte vielmehr zum Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes das zu versteuernde Einkommen des Klägers um die in Südafrika erzielten Bruttobezüge. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2 der Abgabenordnung (AO 1977), 32 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und Abschn. I Abs. 6 des Montageerlasses.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Einnahmen des Klägers aus seiner nicht selbständigen Tätigkeit in Südafrika sind in die Ermittlung des ,,besonderen" Steuersatzes i. S. des § 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) bzw. des Steuersatzes i. S. des Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom 25. Januar 1973 (BGBl II 1974, 1186 - DBA Südafrika -) einzubeziehen.
Nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 i. V. m. Satz 1 DBA-Südafrika behält die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) das Recht, Einkünfte aus Quellen innerhalb Südafrikas, die nach dem Abkommen in Südafrika besteuert werden, bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Da die nichtselbständige (unselbständige) Tätigkeit des Klägers in Südafrika ausgeübt wurde, können die dafür bezogenen Einkünfte in Südafrika besteuert werden (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Südafrika). Der Bundesrepublik steht kein Besteuerungsrecht gemäß Art. 13 Abs. 2 DBA-Südafrika zu, da die Vergütung für die Tätigkeit des Klägers von einer Betriebsstätte getragen wurde, die sein Arbeitgeber in Südafrika hatte. Entscheidend dafür ist, daß die in Südafrika ausgeübte Tätigkeit des Klägers für seinen Arbeitgeber nach den Grundsätzen des Art. 4 DBA-Südafrika der in Südafrika gelegenen Betriebsstätte zuzuordnen ist und die Vergütung deshalb wirtschaftlich zu deren Lasten geht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819). In diesem Sinne versteht der Senat die Feststellung des FG, an die er gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, die Entlohnung des Klägers sei zu Lasten des (südafrikanischen) Betriebsstättenergebnisses vorgenommen worden. Das FA hat dagegen keine Einwendungen erhoben.
2. a) Entgegen der Rechtsansicht des FG hindert der bis zum 31. Dezember 1983 gültige Montageerlaß (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25. Juli 1975 - BStBl I, 944 -) nicht die Einbeziehung der aus Südafrika bezogenen Einkünfte des Klägers in die Ermittlung des Steuersatzes. Der Montageerlaß ist nicht anzuwenden, wenn die ausländischen Einkünfte gleichzeitig nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) unter Progressionsvorbehalt steuerbefreit sind (BFH-Urteile vom 11. September 1987 VI R 19/84, BFHE 151, 50, BStBl II 1987, 856, und VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; FG München, Urteil vom 25. November 1985 II [XIII] 407/83 E, rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 346; anderer Ansicht: FG Köln, Urteil vom 19. Mai 1982 II [X] 338/80 E, rechtskräftig, EFG 1982, 630). Dieser Rechtsauffassung des VI. Senats des BFH tritt der erkennende Senat bei.
Der VI. Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 151, 50, BStBl II 1987, 856 insbesondere ausgeführt, der Montageerlaß regele im Abschn. I Abs. 1 Satz 1, unter welchen Voraussetzungen bei im Ausland tätigen, in der Bundesrepublik unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern von der Besteuerung des Arbeitslohns in der Bundesrepublik abgesehen werde, den der Arbeitnehmer aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnsises für seine Tätigkeit im Ausland erhalte. Die Anweisung setze voraus, daß der Bundesrepublik das Besteuerungsrecht bezüglich dieses Arbeitslohns zustehe. Da die vom Kläger erzielten ausländischen Einkünfte nach dem einschlägigen DBA nicht der inländischen Besteuerung unterlägen, sei der Montageerlaß nicht maßgebend. Dies habe zur Folge, daß sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Nichtanwendung des § 32 b EStG aufgrund dieses Erlasses berufen könne.
Zwar ist als ,,Besteuerung" i. S. des Doppelbesteuerungsrechts auch die Berücksichtigung freigestellter Einkünfte bei der Bemessung des Steuersatzes anzusehen. Dies gilt indes nicht für den Anwendungsbereich des Montageerlasses. Die Anwendung dieses Erlasses setzt voraus, daß der Bundesrepublik das Recht zusteht, die ausländischen Einkünfte in die Festsetzung der Bemessungsgrundlage und des Steuersatzes einzubeziehen. Es reicht also nicht, daß der Bundesrepublik nur das Recht zusteht, die ausländischen Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus folgendem:
Der Montageerlaß ist aufgrund der Ermächtigung des § 34 c Abs. 3 EStG 1975 (jetzt § 34 c Abs. 5 EStG) ergangen und wurde bis zum Streitjahr nicht mehr geändert. Nach jener Vorschrift konnten die obersten Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen (BMF) die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder teilweise erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Anwendung des § 34 c Abs. 1 EStG besonders schwierig war. § 34 c Abs. 3 EStG 1975 ermächtigte die obersten Finanzbehörden jedoch nicht, eine solche Regelung auch dann zu treffen, wenn die ausländischen Einkünfte nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage von der deutschen Steuer ausgenommen und nur bei der Festsetzung des Steuersatzes einzubeziehen waren. Dies ergibt sich aus der systematischen und historischen Auslegung der Norm:
§ 34 c Abs. 3 EStG 1975 knüpft an das Anrechnungsverfahren des § 34 c Abs. 1 EStG 1975 an, das das uneingeschränkte Besteuerungsrecht der Bundesrepublik voraussetzt (und das überdies gemäß § 34 c Abs. 2 EStG 1975 nicht anzuwenden war, wenn die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem ein DBA bestand). § 34 c Abs. 3 EStG 1975 sollte - um Doppelbesteuerungen zu verhindern oder zu mildern - die möglichen Nachteile der Anrechnungsmethode vermeiden. Dazu und zur historischen Entwicklung der Vorschrift verweist der Senat auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. April 1978 2 BvR 2/75 (BStBl II 1978, 548). Die Ermächtigungsgrundlage des Montageerlasses konnte sich demgemäß nicht auf nach einem DBA freigestellte ausländische Einkünfte und die Beseitigung von deren steuerlichen Folgen im Inland beziehen. Es ist aber davon auszugehen, daß sich der Erlaßgeber innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung halten wollte.
In Abschn. I Abs. 6 des Montageerlasses heißt es u. a., die vorangehenden Absätze 1 bis 5 seien nicht anwendbar, wenn nach einem DBA das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik zusteht. Diese Anweisung läßt nicht den Umkehrschluß zu, daß der Montageerlaß Platz greift, wenn das Besteuerungsrecht dem ausländischen Staat zusteht. Auch hierin ist dem VI. Senat des BFH zu folgen. Ausgehend von dem Vorverständnis, der Montageerlaß solle nur bei uneingeschränktem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Anwendung finden, bestand für den Erlaßgeber keine Notwendigkeit, nach einem DBA mit Progressionsvorbehalt freigestellte ausländische Einkünfte gesondert von der Anwendung des Erlasses auszunehmen.
b) Da die Regelungen des Montageerlasses nicht zu dem vom Kläger begehrten Ziel führen, kann es dahinstehen, ob er die begehrte Anwendung dieses Erlasses überhaupt durch Klage gegen das FA und die Steuerfestsetzung erreichen kann (vgl. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1987 II R 212/82, BFHE 152, 146, BStBl II 1988, 309, und vom 20. April 1988 I R 197/84, BFHE 154, 46, BStBl II 1988, 983).
3. Wie sich aus dem FG-Urteil ergibt, sind zur Errechnung des Progressionsvorbehalts vom FA die Bruttobezüge des Klägers angesetzt worden. Das ist - wie das FG zutreffend erkannt hat - rechtsfehlerhaft. Für die Errechnung des Steuersatzes, der auf das zu versteuernde inländische Einkommen des Klägers anzuwenden ist, muß das Einkommen zugrunde gelegt werden, wie es sich aus den innerstaatlichen Besteuerungsvorschriften ergibt. Hierzu sind die ausländischen Einkünfte des Klägers nach den maßgeblichen Grundsätzen des deutschen Einkommensteuerrechts zu ermitteln (BFH-Urteil vom 6. Oktober 1982 I R 121/79, BFHE 136, 533, BStBl II 1983, 34, 36). Da nicht feststeht, ob der Kläger nach deutschem Einkommensteuerrecht insbesondere Werbungskosten geltend machen kann, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur Neuberechnung des anzuwendenden Steuersatzes zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417729 |
BFH/NV 1992, 248 |