Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenheimzulage bei Nießbrauch; Vorkostenpauschale
Leitsatz (NV)
1. Eine Wohnung ist mit der Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG angeschafft.
2. Die Bestellung eines lebenslangen Nießbrauchsrechts, schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbote sowie Rückübertragungsverpflichtungen bei Verstoß hiergegen und mögliche Rückforderungsrechte gegenüber den Erben des Erwerbers ‐ für den Fall seines Vorversterbens ‐ führen ebenso wie die Bestellung eines lebenslänglichen dinglichen Wohnrechts nicht zum Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Übertragenden.
3. Der Förderzeitraum des § 3 EigZulG beginnt mit der Anschaffung, unabhängig davon, ob im Jahr der Anschaffung die Anschaffungskosten entrichtet wurden.
4. Die Vorkostenpauschale des § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann nur im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung wie Sonderausgaben abgezogen werden, nicht jedoch in einem späteren Jahr.
Normenkette
EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1, § 3; EStG § 10i Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Vertrag vom 30. November 1998 von ihrem Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein bebautes Grundstück mit drei Wohnungen. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten gingen im Dezember 1998 auf die Klägerin über. Eine der Wohnungen nutzte die Klägerin zu eigenen Wohnzwecken.
Der Vater behielt sich ein lebenslängliches Wohnrecht an einer der Wohnungen sowie ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor. Der Klägerin war nicht gestattet, das Grundstück zu Lebzeiten des Vaters ohne dessen Zustimmung zu veräußern oder zu belasten; bei Zuwiderhandlung wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, den Vertragsgegenstand unentgeltlich auf ihre Kosten und unter Tragung der Steuern unverzüglich zurückzuübertragen. Wäre die Klägerin vor ihrem Vater verstorben, so wären ihre Erben verpflichtet gewesen, auf Verlangen des Vaters das Eigentum an dem Grundstück auf ihn unentgeltlich auf Kosten des Nachlasses der Klägerin zu übertragen.
Die Klägerin verpflichtete sich zudem, an ihre Geschwister Abfindungsbeträge von insgesamt 110 000 DM zu zahlen. Die Zahlungen waren innerhalb von drei Monaten nach dem Ableben des Vaters fällig. Der Vater verstarb im August 1999. Die Klägerin leistete die vereinbarten Abfindungsbeträge im September 1999.
Im Oktober 2000 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Eigenheimzulage ab 1998 für die von ihr genutzte Wohnung. Mit Bescheid vom 1. Februar 2001 setzte das FA die Eigenheimzulage ab 1999 bis 2005 niedriger als beantragt fest.
Gegen den Bescheid über Eigenheimzulage legte die Klägerin Einspruch ein. Im Rahmen eines weiteren Einspruchs gegen den Bescheid über Einkommensteuer 1999 vom 27. Dezember 2000 beantragte die Klägerin zudem den Ansatz einer sog. Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr (1999) gültigen Fassung. Der Einspruch gegen den Bescheid über Eigenheimzulage hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FA die Eigenheimzulage höher festsetzte. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die hiergegen gerichteten Klagen der Klägerin wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1748, veröffentlichten Urteil ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO-- sowie der §§ 2 und 3 des Eigenheimzulagengesetzes --EigZulG-- in der für das Streitjahr gültigen Fassung).
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Einspruchsbescheid vom 16. August 2001 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 27. Dezember 2000 dahingehend zu ändern, dass die Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewährt wird, sowie den Bescheid über Eigenheimzulage ab 1999 vom 1. Februar 2001 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 16. August 2001 dahingehend zu ändern, dass die Eigenheimzulage auch für das Jahr 2006 festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat die Vorinstanz entschieden, dass der Förderzeitraum des § 3 EigZulG aufgrund der Anschaffung der Wohnung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG im Jahr 1998 mit dem Jahr 2005 endet und eine sog. Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG mangels Anschaffung in 1999 nicht zu gewähren ist.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist u.a. die Anschaffung einer Wohnung in einem eigenen Haus begünstigt. Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) für jedes Kalenderjahr der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 EigZulG) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG).
a) Der Begriff "eigen" i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet, dass der Anspruchsberechtigte Eigentümer des begünstigten Objekts i.S. von § 39 AO sein muss. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander fallen, ist für die Förderung auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juni 2004 III R 50/01, BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, und vom 27. Juni 2006 IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225). Wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne der Norm ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von den Einwirkungen auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ein wirtschaftlicher Ausschluss in diesem Sinne liegt vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers besteht oder der Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (z.B. BFH-Urteile in BFHE 206, 551, BStBl II 2005, 80, m.w.N., und in BFH/NV 2006, 2225).
b) Maßgebend für den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums und damit auch für die Anschaffung der Wohnung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist dabei, wann der Erwerber nach dem Willen beider Vertragsparteien wirtschaftlich über das Wirtschaftsgut verfügen kann. Das ist bei der Übertragung eines Grundstücks in der Regel dann der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, unter II. 3. a; BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2005 IX B 118/05, BFH/NV 2006, 259).
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Vorbehaltsnießbraucher nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn sich seine rechtliche oder tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks von der normalen --lediglich eine Nutzungsbefugnis vermittelnden-- Position eines Nießbrauchers so deutlich unterscheidet, dass er die tatsächliche Herrschaft über das nießbrauchsbelastete Grundstück ausübt (z.B. BFH-Urteile vom 26. November 1998 IV R 39/98, BFHE 187, 390, BStBl II 1999, 263, und vom 28. Juli 1999 X R 38/98, BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653, unter II. 2. b).
Schuldrechtliche Veräußerungsverbote, auch wenn sie durch eine Auflassungsvormerkung gesichert sind, hindern nach neuerer Rechtsprechung des BFH nicht, dass das betroffene Wirtschaftsgut dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 187, 390, BStBl II 1999, 263, und in BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653). Denn weder aufgrund eines vorbehaltenen Nutzungsrechts noch aufgrund eines schuldrechtlichen Veräußerungsverbots kann der Nießbraucher ähnlich einem Eigentümer über die Substanz des Grundstücks verfügen (BFH-Beschluss vom 6. Dezember 2002 III B 58/02, BFH/NV 2003, 443). Auch ein zusätzlich vertraglich vereinbartes Rückforderungsrecht im Falle des Vorversterbens der übernehmenden Person hängt vom Eintritt eines künftigen Ereignisses und von der Ausübung eines sodann bestehenden Rechts ab und ist daher --abhängig von diesen Eventualitäten-- nicht geeignet, dem Nießbraucher die tatsächliche Sachherrschaft über das Grundstück zu vermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juni 1998 XI R 55/97, BFH/NV 1999, 9, und in BFHE 190, 139, BStBl II 2000, 653, m.w.N.; P. Fischer in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 78a).
2. a) Bei Anwendung dieser Maßstäbe führten im Streitfall weder das Nießbrauchsrecht des Vaters noch das schuldrechtliche Veräußerungs- und Belastungsverbot noch die Rückübertragungsverpflichtung bei Verstoß hiergegen und auch nicht das Rückforderungsrecht des Vaters gegenüber den Erben der Klägerin laut Vertrag vom 30. November 1998 dazu, dass kein Herausgabeanspruch der Klägerin gegenüber ihrem Vater bestand oder deren Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hatte. Ebenso ist die Bestellung des lebenslänglichen dinglichen Wohnrechts zugunsten des Vaters der Klägerin nicht geeignet, die Klägerin als Eigentümerin für die gewöhnliche Nutzungsdauer von den Einwirkungen auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich auszuschließen (vgl. BFH-Urteile vom 12. April 2000 X R 20/99, BFH/NV 2001, 9, und in BFH/NV 2006, 2225, unter II. 1. d, m.w.N.). Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin hat ihr Vater daher kein wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück behalten.
b) Das FG ist danach zu Recht davon ausgegangen, dass der Förderzeitraum (§ 3 EigZulG) bereits im Jahr 1998 begonnen hat, denn Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten sind aufgrund notariellen Vertrags im Dezember 1998 auf die Klägerin übergegangen.
Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin beginnt der Förderzeitraum (§ 3 EigZulG) auch unabhängig davon, ob im Jahr der Anschaffung tatsächlich Anschaffungskosten entrichtet wurden (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152, unter II. 4. a).
Demgemäß endet der Förderzeitraum von acht Jahren im Jahr 2005 und nicht im Jahr 2006.
3. Zu Recht hat das FG im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für 1999 keine sog. Vorkostenpauschale gemäß § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewährt.
Danach kann der Steuerpflichtige eine sog. Vorkostenpauschale von 3 500 DM wie Sonderausgaben im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung abziehen, wenn er für die Wohnung im Jahr der Herstellung oder Anschaffung oder in einem der zwei folgenden Jahre eine Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch nimmt. Da im Streitfall aber die Wohnung bereits in 1998 angeschafft wurde, ist die Vorkostenpauschale für das Jahr 1999 nicht zu gewähren.
Fundstellen
Haufe-Index 1779199 |
BFH/NV 2007, 1891 |