Dies ist der Fall, wenn das Wirtschaftsgut
- im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, 2. Alternative)
genutzt wurde.
Eigene Wohnzwecke
Der Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setzt voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem "Gartenhaus" bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt (BFH Urteil vom 26.10.2021 - IX R 5/21, BStBl 2022 II S. 403).
Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BStBl 2020 S. 122). Entsprechend liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 2 Abs. 6 EStG hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat (BMF, Schreiben v. 5.10.2000, BStBl 2000 I S. 1383 Rz. 23), nicht jedoch, wenn das Kind/die Kinder nicht mehr nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig ist/sind (BFH Urteil vom 24.05.2022 - IX R 28/21, BFH/NV 2023 S. 20).
Dagegen nutzt ein in Scheidung befindlicher Ehegatte das in seinem Miteigentum stehende Immobilienobjekt nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken, wenn er ausgezogen ist und nur noch sein geschiedener Ehegatte und das gemeinsame Kind weiterhin dort wohnen. Denn überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (z.B. der Kindesmutter bzw. dem Kindesvater), liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor (BFH Urteil vom 14.02.2023 - IX R 11/21, BStBl II 2023 S. 642).
Mit Urteil vom 14.11.2023 - IX R 13/23 hat der BFH klargestellt, dass bei unentgeltlicher Überlassung an andere, ggf. unterhaltsberechtigte Angehörige keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorliegt. Im Streitfall überließen Ehegatten eine ihnen gehörende Wohnung an die (Schwieger-)Mutter. Nach deren Ableben veräußerten sie die Wohnung innerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 EStG und machten für den hieraus erzielten Gewinn eine Steuerbefreiung wegen einer Selbstnutzung geltend, da ihnen die Nutzung der Wohnung durch die (Schwieger-)Mutter als Eigennutzung zuzurechnen sei.
Der BFH entschied jedoch, dass die gesetzlich vorgesehene Befreiung von einer Besteuerung nach § 23 EStG bei einer Selbstnutzung der Immobilie nur dann greift, wenn die Immobilie vom Steuerpflichtigen selbst oder einem unterhaltsberechtigten volljährigen Kind bewohnt wird. Keine Selbstnutzung liegt dagegen vor, wenn eine Wohnung an die (Schwieger-)Mutter überlassen wird. Zur Begründung führt der BFH an, dass die Nutzung der Wohnung durch ein Kind dem Eigentümer als eigene zuzurechnen ist, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen.
Dabei lehnt der BFH es ausdrücklich ab, die Wertung von § 4 Satz 2 EigZulG, wonach eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vorliegt, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen im Sinne des § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird, auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu übertragen. Denn Zweck der gesetzlichen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung, sondern die Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes und eine damit einhergehende Behinderung der beruflichen Mobilität.
Für eine Eigennutzung im vorbezeichneten Sinne ist die unentgeltliche Überlassung von Teilen der Wohnung unschädlich, sofern die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen. Eine steuerunschädliche Mitbenutzung durch nahe Angehörige auf Grund eines diesen vorbehaltenen lebenslangen dinglichen Wohnrechts zu eigenen Wohnzwecken liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn sich deren Nutzung auf eine eigenständige Wohnung im Sinne des BewG bezieht (BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BStBl 2020 II S. 122).
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die einem Angehörigen unentgeltlich überlassene Wohnung zeitweilig für wenige Nächte im Jahr als Zufluchtsmöglichkeit (mit-)nutzt, um einer wegen der Alkoholerkrankung des Ehepartners in der gemeinsamen Ehewohnung unerträglich gewordenen Situation zu entfliehen (BFH Urteil vom 21.05.2019 - IX R 6/18, BFH/NV 2019 S. 1227).
Bei tageweiser Vermietung von Räumen (z.B. an Messebesucher) liegt insoweit keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Denn es besteht keine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte. Bei Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinnanteils ist als Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Wohnflächen zueinander maßgebend (BFH Urteil vom 19.07.2022 - IX R 20/21, BStBl 2023 II S. 234).
Die Abtrennung eines Grundstücksteils (Garten) vom selbstgenutzten Wohnhaus und die nachfolgende Veräußerung des unbebauten Grundstücksteils innerhalb der Zehnjahresfrist führt zu einem nach § 23 EStG steuerpflichtigen Vorgang und fällt nicht unter den Befreiungstatbestand "eigene Wohnzwecke" (BFH Urteil vom 26.09.2023 - IX R 14/22). Denn eine Ausnahme von der Besteuerung ist nur dann gesetzlich vorgesehen, wenn die Immobilie vom Steuerpflichtigen selbst bewohnt wird. Mangels eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes können unbebaute Grundstücke jedoch nicht bewohnt werden, so dass der Befreiungstatbestand nicht greift. Dies gilt auch, wenn ein vorher als Garten genutzter Grundstücksteil abgetrennt und dann veräußert wird.
Im Streitfall war der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück entfallen, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wurde. Für das neu entstandene unbebaute Grundstück bewirkte die Teilung in Bezug auf die Annahme eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs eine Zäsur. Auf die frühere Nutzung der ungeteilten Grundstücksfläche kommt es insoweit nicht mehr an.
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken "im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren" (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG) ist gegeben, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahres – voll auszufüllen (BFH Urteil vomb 27.06.2017 - IX R 37/16, BStBl 2017 II S. 1192). Eine kurzzeitige Vermietung der Immobilie im Veräußerungsjahr ist unschädlich, wenn der Steuerpflichtige das Objekt – zusammenhängend – im Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 10/19, BStBl 2020 II S. 310, Beschluss vom 03.08.2022 - IX B 16/22, BFH/NV 2022 S. 1179 sowie Beschluss vom 03.08.2022 - IX B 17/22, BFH/NV 2022 S. 1179).
Die Finanzverwaltung folgt dieser Rechtsprechung (BMF, Schreiben v. 17.6.2020, BStBl 2020 I S. 576), indem sie darauf hinweist, dass es genügt, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut im Jahr der Veräußerung zumindest am 1. Januar, im Vorjahr der Veräußerung durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung mindestens am 31.Dezember zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
Häusliches Arbeitszimmer
Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der 10-jährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt (BFH Urteil vom 01.03.2021 - IX R 27/19, BStBl 2021 II S. 680).
Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass ein Gebäude auch dann zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt wird, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Entsprechend liegt eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch hinsichtlich eines in der - im Übrigen selbst bewohnten - Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor. Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch die Gesetzesbegründung und der Gesetzeszweck bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung ausnehmen wollte.
Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Arbeitszimmer verbleibt schon nach dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Auch bei einer nahezu ausschließlichen Nutzung des in die häusliche Sphäre eingebundenen Arbeitszimmers für betriebliche/berufliche Tätigkeiten kann daher unterstellt werden, dass es im Übrigen - also zu weniger als 10 % - zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.
Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich; denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG enthält in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze. Dem entsprechend genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um (typisierend) davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Norm genutzt wird.
Entnahme als Anschaffung
Der Gesetzgeber fingiert bei der Entnahme eines Grundstücks aus dem laufenden Betrieb oder anlässlich einer Betriebsaufgabe einen Anschaffungsvorgang (§ 23 Abs. 1 Satz 2 EStG) und damit den Beginn der zehnjährigen Veräußerungsfrist, die nun nicht mehr an die Anschaffung oder Herstellung, sondern an die Entnahme/Betriebsaufgabe anknüpft. Wird das entnommene Grundstück nun innerhalb von zehn Jahren nach der Entnahme veräußert, löst dies ggf. die Rechtsfolgen des § 23 EStG aus. In der Besteuerungspraxis geht es hierbei insbesondere um Grundstücke, die im Rahmen einer Betriebsaufgabe privatisiert werden.
§ 23 Abs. 3 Satz 3 EStG regelt in diesen Fällen, dass bei Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 bzw. § 16 Abs. 3 EStG angesetzte Entnahmewert, d.h. der der Besteuerung zugrunde gelegte Teilwert bzw. gemeine Wert tritt.
Wird die Entnahme nicht mit dem Teilwert, sondern fälschlicherweise mit dem Buchwert entnommen und kann der entsprechende Steuerbescheid nicht mehr geändert werden, ist in derartigen Fällen der Ansatz des Buchwerts anstelle des nach dem Gesetz zutreffend ermittelten Teilwerts im Zeitpunkt der Entnahme als (fiktive) Anschaffungskosten maßgeblich. Denn nach dem Gesetzeswortlaut kommt es bei der Ermittlung des privaten Veräußerungsgewinns auf den "angesetzten" Wert an. Dies ist der Entnahmewert, der der Steuerfestsetzung im Steuerbescheid des Veranlagungszeitraums, in dem die Entnahme des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen erfolgt ist, zugrunde gelegen hat unabhängig davon, ob sich dieser Wert (in Form des Buchwertes) als fehlerhaft herausstellt (BFH Urteil vom 22.02.2021, IX R 13/19).