Leitsatz (amtlich)
Erhöht eine private Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel die erbrachten Leistungen, so ist der Mehrbetrag auf das Stammrecht und den Ertragsanteil der Leibrente aufzuteilen. Wird die Leibrente mit der vereinbarten Wertsicherungsklausel als Gegenleistung für die Übertragung eines bebauten Grundstücks gewährt, so führt die anteilige Erhöhung des Rentenstammrechts nicht zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage der AfA (Bestätigung des BFH-Urteils vom 11. August 1967 VI R 80/66, BFHE 89, 443, BStBl III 1967, 699).
Normenkette
EStG 1975 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1976 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.
Mit der Klage begehrten die Kläger den Abzug eines Betrages von 7 355,40 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie hatten 1967 ein Grundstück gegen Zahlung einer lebenslänglichen Rente erworben. Aufgrund einer im Kaufvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel zahlten die Kläger im Streitjahr einen Betrag, der um 7 355,40 DM höher war als der zunächst zu zahlende Jahresbetrag der Rente. Die Kläger sind der Ansicht, der höhere Betrag sei Aufwand für die Kapitalnutzung und daher insgesamt als Werbungskosten abziehbar. Das FA hatte lediglich den Ertragsanteil in Höhe von 6 v. H. des 1976 gezahlten Rentenbetrages als Werbungskosten berücksichtigt.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es ist der Ansicht:
Bei einer Leibrente könne gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur der Ertragsanteil der einzelnen Rentenzahlung als Werbungskosten abgezogen werden. Erhöhten sich die Zahlungen aufgrund einer Wertsicherungsklausel, dann erhöhe sich damit anteilmäßig auch das den Zahlungen zugrunde liegende Stammrecht. Zahlungen auf das Rentenstammrecht seien aber nicht abziehbar.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung tragen sie vor:
Die Erhöhungen der Rente seien wie Erhöhungen von Kaufpreisraten zu behandeln; in beiden Fällen handle es sich um Entgelt für die Kapitalnutzung. Wie der Tod des Rentenberechtigten sich auf das Rentenstammrecht nicht auswirke, wenn er früher oder später als der Berechnung zugrunde gelegt eintrete, so könne sich auch eine Erhöhung der Rente nicht auf das Rentenstammrecht, sondern lediglich auf den Zinsanteil auswirken.
Gehe man aber davon aus, daß die Erhöhung sich auf das Stammrecht auswirke, dann müsse dies zumindest zur Erhöhung der AfA-Grundlage führen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 20. September 1978 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Zinszahlungen i. H. von 7 355,40 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen mit Ausnahme des Ansatzes eines Ertragsanteils von 24 v. H. statt 6 v. H.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist zum Teil begründet.
Von dem Mehrbetrag der Rente in Höhe von 7 355,40 DM, den die Kläger aufgrund der Wertsicherungsklausel zu zahlen hatten, haben FA und FG zu Recht nur den Ertragsanteil als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
Handelt es sich, wie im Streitfall, um eine private Leibrente, so kann nur der Ertragsanteil der einzelnen Rentenzahlungen als Werbungskosten abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG). Erhöhen sich die Rentenzahlungen aufgrund einer Wertsicherungsklausel, dann erhöhen sich damit der Ertragsanteil und der Stammrechtsanteil der Leibrente (BFH-Urteil vom 11. August 1967 VI R 80/66, BFHE 89, 443, BStBl III 1967, 699). Das hat zur Folge, daß - neben dem bisherigen Ertragsanteil der Leibrente - nur der erhöhte Ertragsanteil der Leibrente als Werbungskosten abziehbar ist.
Der Senat hat allerdings durch Urteil vom 16. Januar 1979 VIII R 38/76 (BFHE 127, 30, BStBl II 1979, 334) entschieden, daß bei der Erhöhung von Kaufpreisraten aufgrund einer Wertsicherungsklausel der gesamte Erhöhungsbetrag beim Verkäufer Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG und beim Käufer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG (Schuldzinsen) sind. Der Grund dafür liegt darin, daß der gesamte Erhöhungsbetrag der Kaufpreisrate, der aufgrund der Wertsicherungsklausel zu zahlen ist, auf der Seite des Verkäufers ein zusätzlicher Ertrag aus der Überlassung von Kapital zur Nutzung in Gestalt der Stundung des seiner Höhe nach unveränderten Kaufpreises und auf der Seite des Käufers ein zusätzlicher Aufwand für die Nutzung dieses Kapitals ist. Bei der Leibrente liegt es anders. Sie beruht auf einem Rentenstammrecht, das einen Ertrag abwirft (BFH-Urteil vom 27. September 1973 VIII R 77/69, BFHE 111, 37, BStBl II 1974, 103; ständige Rechtsprechung). Der Berechtigte erzielt keine Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG, sondern Einkünfte aus Leibrenten nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG. Beim Verpflichteten entstehen dementsprechend Werbungskosten nicht in Gestalt von Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG, sondern in Gestalt von Leibrenten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG. Die §§ 22 Nr. 1 Buchst. a und 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG teilen die Leibrente auf in einen Ertragsanteil und in einen Stammrechtsanteil. Der Berechtigte hat als Einkünfte aus Leibrenten nur den Ertragsanteil zu versteuern, der Verpflichtete kann nur den Ertragsanteil als Werbungskosten abziehen. Gleiches gilt für den Abzug als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Das Verhältnis zwischen Ertragsanteil und Stammrechtsanteil ist in der Tabelle zu § 22 EStG durch Vom-Hundert-Sätze der Leibrente gesetzlich festgelegt. Eine Erhöhung der Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel hat daher notwendig eine Erhöhung des Ertragsanteils und des Stammrechtsanteils nach Maßgabe der Tabelle zur Folge. Das Verhältnis zwischen Ertragsanteil und Stammrechtsanteil würde in unzulässiger Weise zu Lasten des Berechtigten und zugunsten des Verpflichteten verschoben werden, wenn man die Erhöhung der Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel ausschließlich dem Ertragsanteil oder dem Stammrechtsanteil gutschreiben würde.
Dieser Ansicht steht nicht entgegen, daß in der Bilanz eines Unternehmens die Erhöhung einer passivierten Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel in voller Höhe zu Lasten des Ertrags geht. Das beruht aber, worauf bereits das Urteil in BFHE 89, 443, 447, BStBl III 1967, 699 hingewiesen hat, auf den Besonderheiten der Gewinnermittlung nach §§ 4, 5 EStG, insbesondere auch darauf, daß die dafür geltenden Vorschriften eine Beschränkung des Abzugs von Betriebsausgaben auf den Ertragsanteil einer Leibrente nicht kennen.
Andererseits führt die nachträgliche Erhöhung der Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel bei der Ermittlung der Überschußeinkünfte ebenso wie bei der Ermittlung der Gewinneinkünfte zu keiner Erhöhung der Anschaffungskosten (BFHE 89, 443, BStBl III 1967, 699). Denn die Veränderung von Verbindlichkeiten aus dem Erwerb von Wirtschaftsgütern führt nicht zur Veränderung der Anschaffungskosten dieser Wirtschaftsgüter. Leibrenten sind Anschaffungskosten in Höhe ihres Barwerts im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, der Barwert ist grundsätzlich nach §§ 13, 14 des Bewertungsgesetzes zu ermitteln (BFH-Urteile vom 11. Oktober 1963 VI 162/61 S, BFHE 78, 20, BStBl III 1964, 8; BFHE 89, 443, BStBl III 1967, 699; vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491; Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 1972 S 2196-17-V B 2 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen und den obersten Finanzbehörden der Länder, Betriebs-Berater - BB - 1972, 1258). Erhöhungen der Leibrente aufgrund einer Wertsicherungsklausel sollen vor der Verschlechterung des Geldwerts schützen, sie erhöhen aber nicht den Wert des erworbenen Wirtschaftsguts. Die Erhöhung des zu passivierenden Barwerts der Leibrente, die aus der Erhöhung der Leibrente folgt, läßt daher die Anschaffungskosten unberührt (Scheiterle, BB 1967, 246). Daher bleiben auch die AfA unverändert.
Die Vorentscheidung ist indessen insoweit rechtsfehlerhaft, als dort der Ertragsanteil mit 6 v. H. angesetzt worden ist. Wie sich aus dem in Bezug genommenen notariellen Vertrag vom 23. Januar 1967 ergibt, war der Veräußerer des von den Klägern erworbenen Grundstücks bei Vertragsabschluß 73 und seine Ehefrau 61 Jahre alt. Bei Berücksichtigung dieser Daten und des Umstandes, daß die Ehefrau nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i. V. m. § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG die Rente in gleicher Höhe erhalten sollte, war der Ertragsanteil mit 24 v. H. anzusetzen. Die Einkommensteuer für das Streitjahr 1976 war entsprechend herabzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 74852 |
BStBl II 1984, 109 |
BFHE 1984, 403 |