Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung bei der Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung an den durchschnittlichen Prüfungsturnus
Leitsatz (NV)
1. Das FA ist bei der Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung nicht an den für die Größenklasse des Betriebs üblichen Prüfungsturnus gebunden (wie Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4).
2. Im Rahmen der Ermessensabwägung bei der Anordnung der routinemäßigen Außenprüfung kann das FA auch das Ergebnis der letzten Außenprüfung berücksichtigen. Dabei kann nicht verlangt werden, daß vorher näher ermittelt wird, worauf die Ergebnisse der letzten Außenprüfung beruhen und ob diese Gesichtspunkte in den nunmehr zu prüfenden Zeiträumen eine Rolle spielen.
Normenkette
AO 1977 § 193 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhält einen Einzelhandelsbetrieb,der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) nach § 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO (St) - als Mittelbetrieb eingeordnet ist. Die letzte Außenprüfung fand im Februar 1981 statt und erstreckte sich auf die Kalenderjahre 1976 bis 1978.
Am 29. August 1986 ordnete das FA eine auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte allgemeine Außenprüfung an, die sich auf die Jahre 1982 bis 1984 erstrecken sollte. Der Kläger legte gegen die Prüfungsanordnung Beschwerde ein, weil der prüfungsfreie Zeitraum zwischen den beiden Prüfungen nur drei Jahre betrage und damit im Vergleich zu anderen Mittelbetrieben unverhältnismäßig kurz sei. Das FA antwortete ihm, daß die streitige Prüfung erst nach rund sechs Jahren nach Anordnung der vorausgegangenen Prüfung angeordnet worden sei und damit noch im Rahmen des allgemeinen Prüfungsrhythmus liege. Es komme hinzu, daß die vorausgegangene Prüfung zu nicht unerheblichen Steuernachforderungen geführt habe. Den zugleich mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung lehnte das FA ab.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerden gegen die Prüfungsanordnung und die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurück. Sie führte aus, daß es sich bei der angeordneten Prüfung um eine Routineprüfung handele. Der Hinweis des FA, daß sich bei der vorangegangenen Prüfung nicht unerhebliche Steuernachforderungen ergeben hätten, bedeute nicht, daß die neue Prüfung aus besonderem Anlaß durchgeführt werde. Bei Routineprüfungen bestehe keine Bindung an einen bestimmten zeitlichen Prüfungsrhythmus.
Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging ebenfalls von dem routinemäßigen Charakter der angeordneten Prüfung aus. Für solche routinemäßigen Prüfungen bestehe nach § 4 BpO (St) zwar eine Selbstbindung der Verwaltung insoweit, als bei Mittelbetrieben regelmäßig keine Anschlußprüfung erfolgen solle. Bezüglich der zeitlichen Abstände zwischen den Prüfungen bestehe aber keine Selbstbindung, so daß eine Prüfung auch früher als in dem statistisch ausgerechneten Prüfungsrhythmus von etwa 8,5 Jahren erfolgen könne. Der Hinweis auf die Mehrsteuern, die sich bei der vorangegangenen Prüfung ergeben hätten, könne gerade die Durchführung einer allgemeinen Prüfung zu einem früheren Zeitpunkt rechtfertigen.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, daß es sich bei der angeordneten Prüfung nicht um eine routinemäßige Prüfung, sondern um eine Prüfung aus besonderem Anlaß handele. Dabei sei nicht auf den zeitlichen Abstand zwischen den Prüfungen, sondern auf den zeitlichen Abstand zwischen den Prüfungszeiträumen abzustellen. Die Heranziehung zur Außenprüfung in so kurz hintereinander liegenden Prüfungszeiträumen wie im Streitfall beruhe auf einem Ermessensfehlgebrauch des FA. Die vom FA angeführten nicht unerheblichen Steuernachforderungen, die bei der vorausgegangenen Prüfung festgestellt worden seien, hätten sich aus der Nichtanerkennung von Gebäudeaufwendungen als Erhaltungsaufwand ergeben und ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnungen und Überschußrechnungen aus Vermietung und Verpachtung in dem von der streitigen Prüfungsanordnung erfaßten Prüfungszeitraum keine Rolle mehr gespielt. Dies habe er - der Kläger - im Schriftsatz vom 4. Februar 1987 an das FG vorgetragen. Da das FG diesem auf einen Ermessensfehlgebrauch hindeutenden Sachvortrag nicht nachgegangen sei, liege darin ein Verstoß gegen das Aufklärungsgebot des § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und die Prüfungsanordnung vom 29. August 1986 aufzuheben und das FA zu verpflichten, dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Anordnung der Außenprüfung beim Kläger für die Jahre 1982 bis 1984 rechtmäßig erfolgt ist.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich um die Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung und nicht um eine Außenprüfung aus besonderem Anlaß.
a) Das FA wollte eine solche routinemäßige Prüfung anordnen. Dies hat es spätestens in dem Antwortschreiben auf die Beschwerde des Klägers zum Ausdruck gebracht. Ebenso hat die OFD in ihrer Beschwerdeentscheidung ausdrücklich auf den routinemäßigen Charakter der angeordneten Prüfung abgestellt.
b) Das FA war auch zur Anordnung der routinemäßigen Außenprüfung berechtigt.
aa) Gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung ist bei Steuerpflichtigen, die, wie der Kläger, einen gewerblichen Betrieb unterhalten, die Vorschrift des § 193 Abs. 1 AO 1977. Bei diesem Personenkreis ist eine Außenprüfung zulässig, ohne daß das Gesetz deren Anordnung von weiteren Voraussetzungen abhängig macht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 1987 III R 236/83, BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
bb) Da die Finanzbehörden bei der vorgegebenen Personalausstattung nicht in allen Fällen, in denen dies nach § 193 Abs. 1 AO 1977 zulässig wäre, auch tatsächlich eine Außenprüfung durchführen können, müssen sie die zu prüfenden Steuerpflichtigen auswählen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208; vgl. hierzu auch die Regierungsbegründung zum Entwurf einer Abgabenordnung - AO 1974 - zu § 174, BTDrucks VI/1982, S. 161). Ob eine Prüfung tatsächlich angeordnet wird, liegt deshalb auch bei routinemäßigen Außenprüfungen im pflichtgemäßen Ermessen des FA (vgl. bereits BFH-Urteil vom 24. Oktober 1972 VIII R 8/69, BFHE 108, 143, BStBl II 1973, 275).
cc) In der Ausübung des pflichtgemäßen Auswahlermessens sind die Finanzbehörden grundsätzlich frei. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 2. September 1988 III R 280/84 (BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4) entschieden, daß das FA bei der Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung auch nicht an den für die Größenklasse des Betriebs üblichen Prüfungsturnus gebunden ist. Der durchschnittliche Prüfungsturnus ist lediglich eine nachträglich ermittelte statistische Größe, die zudem zwischen den einzelnen Ländern erheblich divergiert. Aus § 4 BpO (St) ergibt sich keinerlei Selbstbindung der Verwaltung, die eine Prüfung in kürzeren Abständen als dem statistisch ermittelten durchschnittlichen Turnus verbietet. Eine solche Selbstbindung würde auch dem mit der Außenprüfung u. a. verfolgten Ziel widersprechen, eine präventive Wirkung durch Unvorhersehbarkeit der Prüfung zu erreichen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Urteil in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4 Bezug genommen.
dd) Offen kann bleiben, ob die Anordnung einer routinemäßigen Prüfung bei einem Klein- oder Mittelbetrieb zu einer ,,Anschlußprüfung" führen dürfte, die nach § 4 Abs. 1 BpO (St) nur für Großbetriebe vorgesehen ist. Im Streitfall beträgt der zeitliche Abstand zwischen dem vorangegangenen und dem Prüfungszeitraum, auf den sich die streitige Anordnung erstreckt, drei Jahre. Von einer Anschlußprüfung kann daher keine Rede sein. Entgegen der Auffassung des Klägers kann es auch keine Rolle spielen, ob das FA bei Abgabe der Steuererklärungen zu bestimmten Zeitpunkten hypothetisch noch einen kürzeren zeitlichen Abstand hätte wählen können. Entscheidend ist allein, daß aufgrund der streitigen Prüfungsanordnung nach der vorangegangenen Prüfung drei Jahre prüfungsfrei bleiben sollen und damit ein erheblicher Abstand zwischen den Prüfungszeiträumen liegt.
2. Es bestehen keine Anhaltspunkte, daß die Auswahl des Klägers für eine Prüfung in diesem zeitlichen Abstand auf einer Ermessensüberschreitung oder auf einem Ermessensfehlgebrauch beruht.
a) Bei der Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung genügt nach ständiger Rechtsprechung zur Begründung der Prüfungsanordnung regelmäßig der Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 1983 IV R 104 /79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286; vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; vom 23. Januar 1985 I R 53/81, BFHE 143, 16, BStBl II 1985, 566; vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435; vom 3. Dezember 1985 VII R 17/84, BFHE 145, 492, BStBl II 1986, 439, und Senatsurteil in BFHE 149, 399, BStBl II 1987, 664). Denn § 193 Abs. 1 AO 1977 geht davon aus, daß die Heranziehung der dort genannten Steuerpflichtigen zu einer routinemäßigen Außenprüfung in der Regel ermessensgerecht ist (vgl. Schick in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 196 AO 1977 Rdnr. 100), es sei denn, daß Anhaltspunkte für ein sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörden vorliegen (Urteil in BFHE 143, 16, BStBl II 1985, 566 unter 1. c).
b) Der Hinweis des FA, daß die erneute Heranziehung des Klägers zur Außenprüfung in verhältnismäßig kurzem Abstand u. a. darauf beruhe, daß die letzte Prüfung zu nicht unerheblichen Steuernachforderungen geführt habe, bietet keine Anhaltspunkte für ein sachwidriges oder willkürliches Verhalten. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4 könnten die Auswahlmethoden für die Heranziehung zur Außenprüfung auf betriebsbezogenen, zeitabhängigen oder präventiven Elementen beruhen. Die Berücksichtigung des Gesichtspunkts des Ergebnisses der letzten Außenprüfung im Rahmen der Ermessensabwägung ist danach nicht zu beanstanden.
Dabei kann entgegen der Auffassung des Klägers jedenfalls bei der Anordnung einer routinemäßigen Außenprüfung nicht verlangt werden, daß vorher näher ermittelt wird, worauf die Mehrergebnisse der letzten Betriebsprüfung beruhen und ob diese Punkte in den nunmehr zu prüfenden Zeiträumen noch eine Rolle spielen können. Solche Ermittlungen erfordern unter Umständen eingehende steuerliche Prüfungen. Sie müssen allenfalls einer Prüfung aus besonderem Anlaß, nicht aber einer routinemäßigen Außenprüfung vorausgehen.
3. Da die angegriffene Prüfungsanordnung rechtmäßig ergangen ist, kann eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht kommen. Die Revision kann also auch insoweit keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 422976 |
BFH/NV 1990, 273 |