Entscheidungsstichwort (Thema)
Unberechtigter Steuerausweis
Leitsatz (NV)
1. Der Tatbestand des § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an.
2. Eine Rechnung oder andere Urkunde i.S. des § 14 Abs. 3 UStG 1980 muß nicht alle in § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 vorgesehenen Angaben enthalten.
3. Gegen § 14 Abs. 3 UStG 1980 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
UStG 1980 §§ 14, 15 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Arbeitnehmer bei der X-AG. Mit handschriftlichem Vertrag vom 5. Februar 1981 verkaufte er den ihm gehörenden Pkw ,,. . . Fahrgestell Nr. . . ." für ,,. . . DM inkl. 13% MwSt" an den Viehgroßhändler V in N. Der Kaufvertrag ist von beiden Parteien unterzeichnet. Ebenfalls unter dem Datum 5. Februar 1981 und der Angabe des Ortes H, seines Wohnorts, stellte der Kläger eine von ihm mit Vor- und Zunamen unterschriebene ,,Quittung" aus, in der er bestätigte, ,,für . . . Fahrgestellt Nr. . . ." einen Kaufpreis von . . . DM und ,,13% MwSt" in Höhe von . . . DM, insgesamt . . . DM, durch Scheck erhalten zu haben. Der Scheckaussteller ist in der Quittung nicht genannt.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts (FA) K vom 7. Februar 1984 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) mit Umsatzsteuerbescheid 1981 vom 15. Juni 1984 gegen den Kläger Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 491 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Das FA habe den Kläger zu Recht nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 in Anspruch genommen. Der Kläger, der kein Unternehmer i.S. des § 2 UStG 1980 sei, habe mit der Quittung vom 5. Februar 1981 ,,in einer anderen Urkunde" wie ein leistender Unternehmer abgerechnet. Unerheblich sei, daß die Quittung nicht alle Merkmale einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 1 UStG 1980 enthalte. Die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung der Quittung zum Vorsteuerabzug sei aufgrund der deutlich hergestellten Verbindung mit dem Kaufvertrag gegeben gewesen. Der Empfänger habe den Vorsteuerabzug auch tatsächlich geltend gemacht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980. Urkunden im Sinne dieser Vorschrift müßten - so führt er aus - alle in § 14 Abs. 1 UStG 1980 vorgesehenen Angaben enthalten. Diesen Anforderungen genüge die Quittung vom 5. Februar 1981 nicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FA hat gegen den Kläger zu Recht Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 festgesetzt.
a) Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 1. Alternative UStG 1980 schuldet derjenige, der in einer anderen Urkunde (als einer Rechnung), mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist, den ausgewiesenen Betrag.
Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist es, Mißbräuche in bezug auf den Vorsteuerabzug abzuwehren. Dementsprechend ist die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Wer mit einer Rechnung oder anderen Urkunde eine Gefährdung bzw. Schädigung des Umsatzsteueraufkommens ausgelöst hat, muß hierfür einstehen. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es dabei nicht an. Der gesetzliche Tatbestand erfordert weder die Kenntnis des Ausstellers der Rechnung oder anderen Urkunde darüber, daß der Empfänger diese mißbräuchlich verwendet, noch ist eine dahingehende Absicht nötig (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. August 1988 X R 66/82, BFHE 155, 193, BStBl II 1988, 1019).
Von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) her bestehen keine Bedenken dagegen, daß § 14 Abs. 3 UStG 1980 als Gefährdungstatbestand gestaltet ist. Die eben zitierte Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie verfassungsrechtlich unbedenklich als Regelung eines Steueranspruchs angesehen werden kann (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -, 3. Kammer des Zweiten Senats, vom 5. Mai 1992 2 BvR 271/92, Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 1992, 208).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht erforderlich, daß die Rechnung oder andere Urkunde i.S. des § 14 Abs. 3 UStG 1980 alle in § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 vorgesehenen Angaben enthält. Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 hängt nicht davon ab, daß ein Abrechnungspapier vorliegt, das in jeder Beziehung dem Inhalt einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980 entspricht. Vielmehr genügt insoweit eine Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG 1980 (Senatsurteile vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694). Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG 1980 ist jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Diese Regelung schlägt auf die Auslegung und Anwendung des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 durch.
Bei der Prüfung, ob ein Abrechnungspapier den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entspricht, ist die Heranziehung weiterer Erkenntnismittel zulässig (Senatsurteile in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694).
Die vom Kläger angeführten Entscheidungen (Senatsbeschluß vom 13. September 1984 V B 53/83, BFHE 142, 63, BStBl II 1985, 20, Deutsches Steuerrecht 1984, 763, und Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22.Juni 1987 2 Ss 141/86, Umsatzsteuer-Rundschau 1987, 271) führen zu keinem anderen Ergebnis. Sie sind durch die Senatsrechtsprechung, daß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 nicht auf § 14 Abs. 1 UStG, sondern auf § 14 Abs. 4 UStG 1980 Bezug nimmt, überholt.
b) Die Auffassung des FG, wonach die Quittung vom 5. Februar 1981 in Verbindung mit dem Kaufvertrag gleichen Datums eine Urkunde ist, mit der der Kläger wie ein leistender Unternehmer abgerechnet hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Würdigung des FG war möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Das FG ist von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Die Heranziehung der Kaufvertragsurkunde vom gleichen Tag wie die Quittung als weiteres Erkenntnismittel zur Bestimmung des Leistungsgegenstands und des Leistungsempfängers lag nahe.
Fundstellen