Vorsteuerabzug und private Verwendung eines PKW im Rahmen eines Ehegatten-Vorschaltmodells
Die Vollvermietung an den Ehegatten steht der Besteuerung der privaten Verwendung des PKW durch den Vermieter-Ehegatten nicht entgegen.
Hintergrund: Ehegatten-Vorschaltmodell mit Privatnutzung
Streitig war der Vorsteuerabzug der Ehefrau (A) aus dem Erwerb eines PKW, den sie ihrem als Arzt tätigen Ehemann (B) gegen Entgelt zur Nutzung überließ.
A erwarb in 2016 einen PKW zum Preis von 65.467 EUR zzgl. USt von 12.438 EUR (77.906,75 EUR brutto). Sie überließ den PKW aufgrund eines marktüblichen Leasingvertrags an B.
Das FA versagte A den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des PKW.
Da FG gab der dagegen erhobenen Klage statt. A sei als Unternehmerin zum Vorsteuerabzug berechtigt. Ein Scheingeschäft oder eine missbräuchliche Gestaltung liege nicht vor. Zudem stelle die Nutzung des PKW durch die A keine Nutzung für private Zwecke dar. Da im Leasingvertrag eine Vollvermietung an den B geregelt sei und der PKW damit während der Laufzeit des Leasingvertrags nicht mehr zur Disposition der A gestanden habe, handele es sich bei der privaten PKW-Nutzung der A um eine Verwendung des PKW durch den B.
Entscheidung: Privatnutzung als unentgeltliche Wertabgabe
Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass die A aus dem Erwerb des PKW zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Es hat aber zu Unrecht die private Nutzung des PKW durch die A nicht berücksichtigt. Die Sache wurde deshalb an das FG zurückverwiesen.
Unternehmerische Tätigkeit der A
Bei der Nutzungsüberlassung des PKW an B im Rahmen eines Leasingvertrags handelt es sich um eine unternehmerische Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG sowie um eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL. Durch die langfristige Nutzungsüberlassung erbrachte A dauerhaft und nachhaltig sonstige Leistungen. Aufgrund dieses Dauersachverhalts liegt ein planmäßiges Tätigwerden der A vor.
Unschädlich ist, dass die A nicht am allgemeinen Markt, sondern nur an ihren Ehegatten als (einzigen) Kunden Leasingleistungen erbrachte (BFH v. 4.5.1994, XI R 67/93, BStBl II 1994, S. 829). Dies entspricht der BFH-Rechtsprechung, nach der ein Gesellschafter einen PKW an seine Gesellschaft als Unternehmer vermieten kann, ohne dass es darauf ankommt, ob er diese Leistung am Markt auch gegenüber Dritten erbringen würde (BFH v. 16.3.1993, XI R 44/90, BStBl II 1993, S. 529); Abschn. 2.3 Abs. 6, dritter Spiegelstrich UStAE). Allein das Fehlen eines Geschäftslokals oder Büros führt nicht zur Verneinung der wirtschaftlichen Tätigkeit (BFH v. 16.6.1994, V R 98/92, BFH/NV 1995, S. 740).
Kein Scheingeschäft
Der Leasingvertrag wurde mit seinen Hauptpflichten (Nutzungsüberlassung, Zahlung der Leasingraten) und damit im Wesentlichen so wie vereinbart auch tatsächlich durchgeführt. Dass A - abweichend von der vertraglichen Vereinbarung – einige Rechnungen selbst beglichen hat, reicht nicht aus, um das Leasinggeschäft als Scheingeschäft zu qualifizieren. Da die PKW-Überlassung mit dem Leasingvertrag auf einer besonderen Vereinbarung beruhte, liegt auch keine Nutzungsüberlassung auf familienrechtlicher Grundlage vor.
Keine Aufwendungen für die Lebensführung
Dem Vorsteuerabzug der A steht auch nicht § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG entgegen. Das Abzugsverbot für Lebensführungsaufwendungen (§ 12 Nr. 1 Satz 1 EStG) ist im Streitfall nicht einschlägig. Denn der PKW wurde nicht als "Familien-PKW" für den Haushalt der A oder für den Unterhalt ihrer Familienangehörigen erworben, sondern für die unternehmerisch veranlasste Weitervermietung (Leasing) an ihren freiberuflich tätigen B.
Kein Gestaltungsmissbrauch
Der vollständige Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des PKW ist nicht systemwidrig. Der Systematik des Vorsteuerabzugs entspricht es, dass der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er steuerpflichtige Ausgangsumsätze tätigt oder zu tätigen beabsichtigt. Da zum Beginn einer unternehmerischen Tätigkeit regelmäßig erhebliche Anschaffungen (Investitionen) erforderlich sind, während noch keine oder nur geringe Ausgangsumsätze erzielt werden, liegt ein Vorsteuerüberhang in der Anfangsphase in der Natur der Sache. Dies gilt insbesondere in Vermietungsfällen.
Etwas anderes folgt nicht aus der Rechtsprechung des BFH zur Vorschaltung des Ehegatten bei der Vermietung von einzelnen Gegenständen (PKW). Hier hat der BFH für die Frage eines Rechtsmissbrauchs stets für entscheidend gehalten, ob der Vermieter-Ehegatte die Mittel für den Erwerb und den Unterhalt des Mietobjekts aus eigenem Einkommen oder Vermögen leisten kann (BFH v. 4.5.1994, XI R 67/93, BStBl II 1994, S. 829, Rz. 11). Auch insoweit liegt im Streitfall keine unangemessene Gestaltung vor. Denn die A hat ihre Vermieterstellung unstreitig aus eigener finanzieller Kraft wahrgenommen, da sie finanziell von ihrem Ehegatten unabhängig ist und den PKW aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen erworben hat.
Privatnutzung durch A als unentgeltliche Wertabgabe
Entgegen der Auffassung des FG ist die private Nutzung des PKW durch A nicht als Nutzung des B anzusehen. Zwar war im Leasingvertrag eine Vollvermietung an B vorgesehen und A hatte sich keine Eigennutzung des PKW vertraglich vorbehalten. Eine derartige Untersagung der Eigennutzung durch den Leasinggeber isst jedoch steuerlich unbeachtlich, wenn sie nicht tatsächlich vollzogen wird und der wirtschaftlichen Realität nicht entspricht. Daher unterliegt der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt der Besteuerung.
Zurückverweisung an das FG
Das FG hat Feststellungen zum Umfang der privaten Nutzung durch A, die zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG führt, nachzuholen. Dieser Umfang ist ggf. im Wege der sachgerechten Schätzung zu ermitteln.
Hinweis: Voller Vorsteuerabzug bei gemischter Verwendung
Der BFH hebt besonders hervor, dass die Privatnutzung der A nicht zu sog. gemischten Aufwendungen für die Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG führt. Im Unterschied zum Einkommensteuerrecht sieht das Umsatzsteuerrecht bei gemischter Verwendung von Investitionsgütern (außerhalb der Regelung für Grundstücke nach Art. 168a MwStSystRL, § 15 Abs. 1b UStG) kein Abzugsverbot vor, sondern ermöglicht selbst bei nur geringer unternehmerischer Verwendung (sog. gemischte Verwendung) die vollständige Zuordnung zum Unternehmen mit der Folge des vollständigen und sofortigen Vorsteuerabzugs und besteuert im Gegenzug die private Verwendung als unentgeltliche Wertabgabe (BFH v. 4.5.2022, XI R 28/21 (XI R 3/19), BFH/NV 2022, S. 878).
BFH Urteil vom 29.09.2022 - V R 29/20 (veröffentlicht am 12.01.2023)
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