Entscheidungsstichwort (Thema)
Benennungsverlangen nach § 160 Abs. 1 AO 1977 bei Zahlungen an ausländische Domizilgesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Empfänger von Ausgaben i. S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann anstelle der im Ausland ansässigen Domizilgesellschaft die hinter ihr stehende Person oder Personenmehrheit sein.
2. Bezieht sich das Benennungsverlangen i. S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 auf Zahlungen an eine solche Domizilgesellschaft, muß der Steuerpflichtige daher regelmäßig die Namen und Anschriften der an der Gesellschaft beteiligten Personen angeben. Es genügt nicht, Personen zu benennen, die möglicherweise als wahre Zahlungsempfänger in Betracht kommen, die dieses aber ihrerseits in Abrede stellen. Daß den Finanzbehörden gleichwohl das Recht bleibt, den Sachverhalt auch diesen Personen gegenüber zu ermitteln (§ 160 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) steht weder dem Benennungsverlangen noch dem aus § 160 AO 1977 folgenden Abzugsverbot entgegen.
3. Die aus § 27 KStG resultierende Körperschaftsteuererhöhung ist keine Rechtsfolge des § 160 AO 1977, sondern des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens.
Normenkette
AO 1977 § 160; KStG § 27
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine inländische GmbH, zahlte im Streitjahr 1983 an die ausländische R-Anstalt eine Lizenzgebühr von 25 000 DM. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
A und B -- beide sind im Inland ansässig -- meldeten am ... 1982 beim Deutschen Patentamt ein Patent- und Gebrauchsmuster an. Am 11. August 1983 bzw. am 2. Mai 1983 übertrugen sie das Patentrecht auf die R-Anstalt. Die Klägerin, die im Hinblick auf diese Entwicklung an einer Lizenz interessiert war, verhandelte über deren Vergabe zunächst mit A und B. In einem ihr am 14. Februar 1983 übersandten Entwurf eines Lizenzvertrages wurden A und B als Lizenzgeber aufgeführt. In einem anschließenden Gespräch mit A unterrichtete dieser die Klägerin davon, daß das Patent zwischenzeitlich an eine Holding im Ausland veräußert worden sei. Am 21. März 1983 schloß die Klägerin mit der R-Anstalt, diese vertreten durch das in der Bundesrepublik ansässige Mitglied ihres Verwaltungsrates C, den Lizenzvertrag. Die Lizenzgebühr von 25 000 DM zahlte sie per Scheck an C, der den Scheck an eine ausländische Bank zugunsten der R-Anstalt weiterleitete.
Eine von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) eingeholte Auskunft des Bundesamtes für Finanzen (BfF) ergab, daß die R-Anstalt am 11. Februar 1983 im Handelsregister eingetragen und eine reine Domizilgesellschaft war. Mitglieder des Verwaltungsrates waren neben C auch D sowie E. Letzterer ist beim BfF als Funktionsträger für mehrere sog. Briefkastengesellschaften bekannt geworden.
Auf die Aufforderung des FA, gemäß § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) den Empfänger der Lizenzgebühr zu benennen, teilte die Klägerin mit, ihren Kenntnissen nach stünden A und B wirtschaftlich hinter der R-Anstalt. Diese antworteten auf Anfrage des FA jedoch, nichts über die rechtlichen Verhältnisse der R- Anstalt zu wissen.
Das FA ließ die Lizenzzahlung daraufhin nicht zum Abzug als Betriebsausgabe zu.
Einspruch und Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, sie sei ihrer Benennungspflicht nach § 160 AO 1977 nicht hinreichend nachgekommen. Sie hätte bei Vertragsschluß die Identität des Inhabers der R-Anstalt ermitteln oder auf das Geschäft verzichten sollen.
Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Lizenzzahlung von 25 000 DM als abzugsfähige Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 160 AO 1977 sind Betriebsausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, den Empfänger genau zu benennen. Diese Vorschrift hat das FG zutreffend angewendet.
1. Das nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vom FA und über § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom FG auszuübende Ermessen vollzieht sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (z. B. Urteile vom 30. März 1983 I R 228/78, BFHE 138, 317, BStBl II 1983, 654, und vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537; Beschluß vom 25. August 1986 IV B 76/86, BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481) auf zwei Stufen: Auf der ersten entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO 1977), ob es das Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten soll. Auf der zweiten trifft es eine Ermessensentscheidung darüber, ob und inwieweit es die in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 genannten Ausgaben, bei denen der Empfänger nicht genau benannt ist, zum Abzug zuläßt. Diese Ermessensentscheidungen sind unselbständige Bestandteile der Verfahren der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen oder der Steuerfestsetzung und können nur mit Rechtsbehelfen gegen die betreffenden Bescheide angegriffen werden (Urteil in BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537).
Das Benennungsverlangen steht in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (BFH-Beschluß in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481, m. w. N.). Das bedeutet, daß das Verlangen nicht unverhältnismäßig sein darf und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden Nachteile (z. B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg (z. B. geringfügige Steuernachholung bei den Empfängern) stehen dürfen. Das Verlangen darf auch dann gestellt werden, wenn der Steuerpflichtige den Empfänger nicht bezeichnen kann, weil ihm bei Auszahlung des Geldes dessen Name und Anschrift unbekannt waren. Dies gilt um so mehr für Auslandssachverhalte, in denen der Steuerpflichtige nach § 90 Abs. 2 AO 1977 in erhöhtem Maße zur Erbringung von Nachweisen und zur Beschaffung und Vorlegung von Beweismitteln verpflichtet ist (Beschluß in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481).
Empfänger der in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 bezeichneten Ausgaben ist nach dem BFH-Urteil vom 8. Februar 1972 VIII R 41/66 (BFHE 104, 502, BStBl II 1972, 442) derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist. Zwar bezog sich das genannte Urteil nur auf den Fall, daß der Steuerpflichtige sich Hilfspersonen bedient, die aufgrund bestimmter Vereinbarungen Geldbeträge von dem Steuerpflichtigen an nicht bekannte Dritte weitergeleitet haben. Nach Auffassung des Senats gelten die Grundsätze dieses Urteils aber auch in Fällen, in denen die natürliche oder juristische Person, die die Zahlungen des Steuerpflichtigen entgegennahm, lediglich zwischengeschaltet wurde, weil sie die vertraglich ausbedungenen Leistungen entweder mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung gar nicht erbringen konnte oder weil sie aus anderen Gründen die ihr erteilten Aufträge und die empfangenen Gelder an Dritte weiterleitete. Empfänger i. S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist dann nicht die zwischengeschaltete Person, sondern sind die hinter ihr stehenden Dritten, an die die Gelder letztlich gelangt sind. Dies folgt aus dem Sinn der Vorschrift, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, daß der Empfänger geltend gemachter Betriebsausgaben die Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfaßt (BFH in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481, m. w. N.). Empfänger kann mithin nur derjenige sein, bei dem sich die Geldzahlung -- wenn auch neben anderen Personen -- steuerrechtlich auswirkt.
2. Wendet man die obigen Grundsätze auf den Streitfall an, so ergibt sich, daß die Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vom FA und FG zutreffend bejaht wurden. Die Empfänger der Lizenzzahlung von 25 000 DM sind nicht ausreichend genau benannt worden.
a) Die R-Anstalt ist nicht als Empfängerin i. S. des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 anzusehen. Nach den vom BfF gesammelten Erkenntnissen, auf die das FA zurückgreifen durfte (BFH in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481), handelt es sich um eine sog. Domizilgesellschaft ohne eigene Büroräume und ohne erkennbare eigene wirtschaftliche Betätigung. Die Klägerin war deshalb gehalten, die hinter der R-Anstalt stehenden Personen zu benennen, die tatsächlich die Leistungen erbracht haben.
b) Auch die Benennung von A, B und auch von C als desjenigen, der den Scheck mit der Lizenzzahlung entgegengenommen hat, genügte den Anforderungen des § 160 AO 1977 nicht. Zwar ermöglichte dies den Finanzbehörden, bei den genannten Personen nachzufragen und entsprechende Erkundigungen einzuholen. Es wäre auch möglich gewesen, ihnen als den gegebenenfalls wahren Empfängern der geleisteten Lizenzzahlung diese steuerlich unmittelbar zuzurechnen. Sowohl A als auch B und C haben indes nicht eingeräumt, über die Beteiligungsverhältnisse bei der R-Anstalt Bescheid zu wissen. Die zuständigen Finanzbehörden dürften auch angesichts des von der Klägerin dargestellten Sachverhaltes erhebliche Schwierigkeiten haben, ihnen Gegenteiliges nachzuweisen. In Anbetracht dessen entspricht es gerade dem Sinn und Zweck des § 160 AO 1977, den Betriebsausgabenabzug bei demjenigen zu versagen, der diesen Abzug begehrt und der zumindest die Möglichkeit gehabt hätte, sich über die wirklich Beteiligten Kenntnis zu verschaffen. Daß den Finanzbehörden gleichwohl das Recht bleibt, den Sachverhalt zu ermitteln (vgl. § 160 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), steht dem nicht entgegen.
c) Das Benennungsverlangen des FA war auch zumutbar. Es wäre der Klägerin ohne besondere Schwierigkeiten möglich gewesen, sich über die Person des wirtschaftlichen Zahlungsempfängers zu informieren. Eine derartige Informationspflicht lag im Streitfall schon deshalb nahe, weil die Klägerin zunächst mit A und B über die Lizenzvergabe verhandelt hatte. Es wäre ihr möglich gewesen, sich vor Vertragsschluß bei diesen über deren etwaige Beteiligung an der R-Anstalt Kenntnis zu verschaffen.
3. Die Vorentscheidung ist schließlich im Hinblick auf die Höhe der vom Betriebsausgabenabzug auszuschließenden Beträge -- auf der zweiten Stufe der behördlichen Ermessensausübung -- nicht zu beanstanden.
Es trifft zwar zu, daß die Hinzurechnung nach § 160 AO 1977 lediglich Ausgleich für die vermutete Nichtversteuerung beim Zahlungsempfänger sein soll (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks VI/1982 zu § 151 EAO; vgl. auch z. B. BFH-Urteile vom 29. November 1978 I R 148/76, BFHE 128, 1, BStBl II 1979, 587, und vom 9. August 1989 I R 66/89, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995, m. w. N.) und daher § 160 AO 1977 nicht zu mehr Steuereinnahmen führen soll als eine unmittelbare Versteuerung der entsprechenden Betriebseinnahmen beim Empfänger. Dieser Zielvorgabe entsprechen das festgestellte zu versteuernde Einkommen und die Tarifbelastung. Die aus § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) resultierende Körperschaftsteuererhöhung ist keine Rechtsfolge des § 160 AO 1977. Sie hat ihre Ursache ausschließlich in der Ausschüttung von Gewinnen. Daß nach § 160 AO 1977 nichtabzugsfähige Betriebsausgaben voll mit Körperschaftsteuer belastet bleiben sollen, ist ausdrücklich in § 31 Abs. 1 Nr. 4 KStG geregelt und Folge des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens.
Im übrigen hat die Klägerin den Bescheid über die Festsetzung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1983 nicht angefochten. Da dieser Bescheid aber kein mit Körperschaftsteuer belastetes Eigenkapital mehr ausweist und die FG bei der Überprüfung der Ausschüttungsbelastung an die Feststellungen im Bescheid nach § 47 Abs. 1 KStG gebunden sind (§ 182 Abs. 1 AO 1977; BFH-Urteil vom 14. März 1989 I R 8/85, BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633) muß die Gewinnausschüttung in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid zu einer entsprechenden Körperschaftsteuererhöhung führen.
Fundstellen