Körperschaftsteuererhöhung bei Herabsetzung von Geschäftsguthaben einer Genossenschaft
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 KStG erhöht sich die Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Leistungen erfolgen, um 3/7 des Betrags der Leistungen, für die ein Teilbetrag aus dem Endbetrag im Sinne des Absatzes 1 als verwendet gilt (Körperschaftsteuererhöhung). Nach § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG verringert sich der in Satz 1 geregelte positive Endbetrag jeweils, soweit er als für Leistungen verwendet gilt. Er gilt nach Satz 4 des § 38 Abs. 1 KStG als verwendet, soweit die Summe der Leistungen, die die Gesellschaft im Wirtschaftsjahr erbracht hat, den um den Bestand des Satzes 1 verminderten ausschüttbaren Gewinn (§ 27 KStG) übersteigt. Nach Satz 6 des § 38 Abs. 1 KStG stellt die Rückzahlung von Geschäftsguthaben an ausscheidende Mitglieder von Genossenschaften, soweit es sich dabei nicht um Nennkapital im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG handelt, keine Leistung im Sinne der Sätze 3 und 4 dar.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine nach § 5 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. c KStG von der Körperschaftsteuer befreite eingetragene Genossenschaft, die als Molkerei Milch und Milchprodukte vermarktet. An ihr waren Landwirte beteiligt, die in Abhängigkeit von der gelieferten Menge Genossenschaftsanteile gezeichnet hatten. Die Anzahl der zu zeichnenden Genossenschaftsanteile wurde in einem 3-Jahres-Rhythmus an die vom Landwirt gelieferten Mengen angepasst.
Mit Schreiben vom 29.7.2008 hatte die Klägerin einen Antrag zur Weiteranwendung des § 38 KStG in der am 27.12.2007 geltenden Fassung gestellt. Dadurch kam es bei ihr nicht zu einer ausschüttungsunabhängigen Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags gemäß § 38 Abs. 5 und 6 KStG i.d.F. des JStG 2008.
Die Generalversammlung der Klägerin beschloss 2017 im Wege der Satzungsänderung die Herabsetzung des Werts je Geschäftsanteil der Genossenschaftsmitglieder von 75 EUR auf 1 EUR. Die Eintragung ins Genossenschaftsregister erfolgte 2017.
Der Gesamtbetrag der Herabsetzung des Geschäftsanteilswerts wurde zum 31.12.2017 als Verbindlichkeit gegenüber den Genossenschaftsmitgliedern in der Bilanz der Klägerin erfasst. Im März 2018 erfolgte nach Ablauf der sechsmonatigen Gläubigerschutzfrist nach § 22 Abs. 2 GenG die tatsächliche Auszahlung der Herabsetzungsbeträge an die Genossenschaftsmitglieder. Dabei entfielen … EUR auf die zum 31.12.2017 ausgeschiedenen und … EUR auf die in der Genossenschaft verbliebenen Mitglieder.
Das Finanzamt (FA) stellte unter anderem den Bestand des sog. EK 02 zum 31.12.2017 fest. Im Zuge einer Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Auszahlung an die Genossenschaftsmitglieder eine Leistung darstelle, die mit Wirkung im Auszahlungsjahr eine Körperschaftsteuererhöhung gemäß § 38 Abs. 1 und 2 KStG auslöst.
Finanzgericht gab Klage statt
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG stellte sich auf den Standpunkt, dass die Rückzahlung von Nennkapital nicht als Leistung i.S.d. § 38 Abs. 1 KStG i. d. F. 2007 zu qualifizieren ist.
Entscheidung: BFH hält die Revision des FA für begründet
Der BFH hält die Revision des FA für begründet. Er hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Zahlung der Klägerin an ihre Mitglieder löst eine Körperschaftsteuererhöhung gemäß § 38 Abs. 2 KStG aus. Hierzu führten die Richter u.a. aus:
- Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass, abgesehen vom Tatbestandsmerkmal "Leistung", die übrigen Voraussetzungen für den Ansatz einer Körperschaftsteuererhöhung erfüllt sind.
- Die im März 2018 vollzogene Auszahlung der Herabsetzungsbeträge an die Mitglieder der Genossenschaft ist eine "Leistung" im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2 Satz 1 KStG. Der davon abweichenden Rechtsauffassung der Klägerin und des FG ist nicht zu folgen.
- Der in § 38 Abs. 1 und 2 KStG verwendete Leistungsbegriff erfasst bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Zahlungsvorgänge jeglicher Art. Aber auch im juristischen Sprachgebrauch sind Zahlungen ohne Weiteres vom Begriff der Leistung umfasst. So wird dieser Begriff in der Rechtsprechung dahin definiert, dass alle Auskehrungen an den Gesellschafter gemeint sind, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben.
- Die Entstehungsgeschichte der genossenschaftsspezifischen Sonderregelung des § 38 Abs. 1 Satz 6 KStG verdeutlicht, dass der (Änderungs-)Gesetzgeber davon ausging, dass Nennkapitalrückzahlungen den Leistungsbegriff erfüllen. Nur in dem besonderen Fall, dass Mitglieder gegen Rückzahlung ihrer Geschäftsguthaben aus einer Genossenschaft austreten, ist davon eine Ausnahme zu machen. § 38 Abs. 1 Satz 6 KStG hat damit einen konstitutiven Charakter.
BFH, Urteil v. 8.5.2024, I R 37/21; veröffentlicht am 8.8.2024
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