Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückzahlen von als wiederkehrende Einkünfte steuerpflichtigen Bestechungsgeldern in einem späteren Veranlagungszeitraum
Leitsatz (NV)
- Bestechungsgelder, die ein Arbeitnehmer von Dritten empfängt, sind sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 EStG.
- Das Zurückzahlen von gemäß § 22 Nr. 3 EStG als sonstige wiederkehrende Einkünfte steuerpflichtigen Bestechungsgeldern ist erst im (späteren) Veranlagungszeitraum des Abflusses und nicht bereits in den (früheren) Veranlagungszeiträumen des Zuflusses jeweils anteilig steuermindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 2, § 22 Nr. 3
Verfahrensgang
Hessisches FG (EFG 1997, 288) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger empfing in den Streitjahren (1983 bis 1990) Bestechungsgelder, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) als Einkünfte aus sonstigen Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung unterwarf.
Mit Urteil des Landgerichts X vom 8. April 1994 wurde der Kläger wegen Bestechlichkeit und Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt; bezüglich des aus den rechtswidrigen Taten Erlangten ordnete das Strafgericht den Verfall von Bargeldzuwendungen in Höhe von 246 400 DM sowie den Wertersatz der Sachzuwendungen in Höhe von 33 500 DM gemäß § 73 Abs. 1 und § 74c Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) an.
Im Einspruchsverfahren und mit ihrer Klage machten die Kläger erfolglos geltend, die wegen der Anordnung des Verfalls erbrachten Aufwendungen des Klägers seien bereits beim Zufluss der Bestechungsgelder (in den Streitjahren) jeweils anteilig steuermindernd zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung u.a. aus, eine solche Ausnahme vom Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (Urteil vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BFHE 168, 272, BStBl II 1992, 1017) nur bei einmaligen sonstigen Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG geboten, nicht aber bei den im Streitfall vorliegenden wiederkehrenden Leistungen. Das Urteil der Vorinstanz ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 288 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten. Nach der auch im Streitfall anwendbaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dürfe ein Straftäter keiner Doppelbelastung durch Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils (Verfall) und Versteuerung der zurückgezahlten Schmiergelder ausgesetzt werden. Es sei Aufgabe der Fachgerichte, hierfür Sorge zu tragen (BVerfG-Beschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BStBl II 1990, 483). Das Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) müsse bei einem solchen Sachverhalt zurücktreten.
Die Kläger beantragen, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Einkommensteuer der Streitjahre auf … DM neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FA hat am 23. August 1999 für die Streitjahre 1985 bis 1990 Änderungsbescheide erlassen und jeweils die Steuerfestsetzung hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) für vorläufig erklärt. Die Kläger haben die Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§§ 68, 121, § 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt hinsichtlich der Streitjahre 1984 bis 1989 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Im Übrigen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Das FG hat zutreffend die dem Kläger zugeflossenen Bestechungsgelder als Einnahmen aus sonstigen Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 EStG beurteilt und es abgelehnt, die außerhalb der Streitjahre erfolgte Rückzahlung bereits im Jahr des jeweiligen Zuflusses der Einnahmen steuermindernd zu berücksichtigen.
a) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1 a, 2 oder 4 EStG gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21. November 1997 X R 124/94, BFHE 184, 540, BStBl II 1998, 133, m.w.N.). Hierzu gehört auch das einem Arbeitnehmer von Dritten gezahlte Bestechungsgeld (vgl. Urteil des Senats vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274).
b) Das Zurückzahlen von ―gemäß § 22 Nr. 3 EStG als sonstige wiederkehrende Einkünfte steuerpflichtigen― Bestechungsgeldern in einem späteren Veranlagungszeitraum ist im Abflusszeitpunkt in voller Höhe steuermindernd zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, unter 2. und 3., auf das zur weiteren Begründung verwiesen wird). Für den Streitfall folgt aus diesem Urteil, dass sich die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit dem vom Strafgericht im Jahre 1994 angeordneten Verfall (erst) ab dem Veranlagungszeitraum 1994 oder frühestens ―unter den Voraussetzungen eines Verlustrücktrages nach § 10d Abs. 1 EStG 1994― ab dem Veranlagungszeitraum 1992, dagegen nicht bereits in den Streitjahren (1983 bis 1990) steuerlich auswirken können. Eine Verpflichtung zu der von den Klägern geforderten Ausnahme vom Zu- und Abflussprinzip ist auch nicht ―wie diese geltend machen― aus dem BVerfG-Beschluss in BStBl II 1990, 483 zu entnehmen. Das BVerfG geht im genannten Beschluss davon aus, der Steuerpflichtige müsse die sich aus der Eigengesetzlichkeit des Einkommensteuerrechts ergebenden Wirkungen hinnehmen. Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall gegeben. Durch die Normierung des Zu- und Abflussprinzips in § 11 EStG hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass es durch die Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum ―bei der Anwendung des Einkommensteuersatzes als Folge der Steuerprogression oder wegen der fehlenden tatsächlichen Ausgleichsmöglichkeit negativer Einkünfte in einem späteren Veranlagungszeitraum― zu steuerlichen Zufallsergebnissen kommen kann, die gegebenenfalls zu einer erheblichen steuerlichen Be- oder Entlastung führen (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, m.w.N.).
c) Ob wegen der Besonderheiten des Streitfalles ein Billigkeitserlass nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht zu ziehen ist, kann der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden (vgl. dazu von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 163 AO Anm. 130 f.).
2. Die Revision ist hinsichtlich der Streitjahre 1984 bis 1989 begründet, soweit gemäß § 53 EStG (eingefügt durch Art. 1 Nr. 24 des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999, BGBl I 1999, 2552) noch das Existenzminimum für zwei Kinder unter Berücksichtigung der bisher gewährten Kinderfreibeträge und des zustehenden Kindergeldes steuerfrei zu stellen ist (vgl. dazu nunmehr Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 14. März 2000 IV C 4 -S 2282 a- 35/00, BStBl I 2000, 413). Für die Streitjahre 1983 und 1990 ergibt sich hieraus keine Änderung. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger liegt 1983 (mit 56 708 DM) und 1990 (mit 69 605 DM) jeweils unter der Grenze (1983: 86 400 DM; 1990: 124 416 DM), ab der bei zusammen veranlagten Eltern mit zwei Kindern die Steuerfreiheit des verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums der Kinder nicht mehr gewährleistet ist (vgl. dazu § 53 EStG und BMF-Schreiben vom 14. März 2000, a.a.O.).
Fundstellen
BFH/NV 2001, 25 |
DStRE 2000, 1187 |
EStB 2000, 418 |