Leitsatz (amtlich)
Die Aufteilung der gesamten (in einen Besteuerungszeitraum fallenden) Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 richtet sich nach der Vorsteuerabzugsregelung des § 15 Abs.2 UStG 1967, die auf Verwendung oder Inanspruchnahme des einzelnen vorsteuerbelasteten Leistungsbezugs abstellt. Verwendung oder Inanspruchnahme ist die erste Leistung (der Eigenverbrauch), in deren (dessen) Gegenstand die bezogene Leistung eingeht.
Orientierungssatz
1. Verpachtet eine Brauerei eine Gaststätte und verpflichtet sich der Pächter, Bier von der Brauerei zu beziehen und in der gepachteten Gaststätte zu verkaufen, so sind Gaststättenverpachtung und Bierlieferung jeweils Leistungen mit eigenständiger Bedeutung (keine einheitliche Leistung), auch wenn Gaststättenverpachtung und Bierabnahmeverpflichtung in einem einheitlichen Vertrag geregelt sind. Läßt die Brauerei in der Gaststätte Renovierungsarbeiten vornehmen, so kann die dafür gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bei Anwendung der Zurechnungsmethode nach § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 nicht als Vorsteuer abgezogen werden, wenn die Brauerei hinsichtlich der steuerfreien Verpachtungsumsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1967) nicht zur Steuerpflicht optiert (§ 9 UStG 1967) hat.
2. Nur die Aufteilungsmethode des § 15 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1967 verwirklicht durchgängig die in § 15 Abs. 2 UStG 1967 für den einzelnen Leistungsbezug festgelegte Vorsteuerabzugsregelung auch bei Gesamtermittlung der in einem Besteuerungszeitraum abziehbaren Vorsteuerbeträge (vgl. BFH-Urteil vom 14.2.1980 V R 49/74). Demgegenüber hatte die vom Gesetzgeber "zur technischen Erleichterung des Vorsteuerabzugs" eingeführte schematische Aufteilung der (in einen Besteuerungszeitraum fallenden) Vorsteuerbeträge nach dem sog. Umsatzschlüssel (§ 15 Abs. 3 UStG 1967) --an sich systemwidrig-- die Abzugsregelung des § 15 Abs. 2 UStG 1967 für den einzelnen Leistungsbezug nicht berücksichtigt.
Normenkette
UStG 1967 § 15 Abs. 2, 4 Nr. 2, §§ 9, 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nrn. 12a, 12 Buchst. a, § 15 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 14.09.1978; Aktenzeichen IX 173/75) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1968 bis 1971 als Kommanditgesellschaft (KG) eine Brauerei. Sie verpachtete zudem eine eigene Gastwirtschaft und selbstgepachtete Gaststätten (einschließlich der dazu gehörenden Wohnungen) an Gastwirte. Diese verpflichteten sich, Bier von der Klägerin zu beziehen und in den gepachteten Gaststätten zu verkaufen. Die geschäftlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und den Gastwirten wurden jeweils sowohl hinsichtlich der Gaststättenverpachtung als auch hinsichtlich der Bierabnahmeverpflichtung in einem einheitlichen schriftlichen Vertrag geregelt, der in den Fällen der Verpachtung fremder Gaststätten als "Untermietvertrag" bezeichnet war.
In den Streitjahren ließ die Klägerin in einigen der von ihr verpachteten Gaststätten bauliche Veränderungen und Instandsetzungsarbeiten vornehmen. Die ihr von den ausführenden Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 7 848,85 DM machte die Klägerin als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) verneinte die Abziehbarkeit der Vorsteuerbeträge mit der Begründung, sie entfielen auf Leistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den steuerfreien Verpachtungen der Gaststätten stünden (§ 4 Nr.12 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes --UStG 1967--). Unter antragsgemäßer Anwendung der Zurechnungsmethode nach § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 seien diese Beträge vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen --die Klägerin hatte nicht zur Steuerpflicht der Verpachtungsumsätze optiert (§ 9 UStG 1967)--.
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Ihrer Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 51 veröffentlichten Urteil statt. Das FG schloß sich der Auffassung der Klägerin an, die Renovierungsarbeiten an den Gaststättenräumen stünden nicht mit der steuerfreien Verpachtung, sondern mit der steuerpflichtigen Bierlieferung in wirtschaftlichem Zusammenhang. Zwar sei die Gaststättenverpachtung kein Teil einer einheitlichen Leistung zusammen mit der Bierlieferung, weil jede der Einzelleistungen ihren eigenen, unterschiedlichen wirtschaftlichen Wert habe und beide Leistungen nicht so eng ineinander griffen, daß sie ein einheitliches Ganzes darstellten. Entscheidend sei jedoch der wirtschaftliche Zusammenhang der Renovierungsleistungen mit der Bierlieferung. Auf diesen Zusammenhang komme es hinsichtlich der Abziehbarkeit der Vorsteuerbeträge an (§ 15 Abs.2 Nr.2 i.V.m. § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967). Die Klägerin als Brauerei erbringe die Leistung zur Gaststättenrenovierung gleichermaßen bei der Verpachtung eigener und angepachteter Räume. Voraussetzung sei aber stets, daß der Gastwirt sich zum Bierbezug und -ausschank verpflichte. Die Verpachtung der renovierten Räume sei nur Mittel zum Zweck der Bierlieferung. Die Verpachtung diene nicht dazu, hieraus Gewinn zu erzielen. Die Klägerin verlange vielmehr nur den selbstgezahlten Pachtzins von ihren Pächtern. Die Aufwendungen für die in Anspruch genommenen Erneuerungsleistungen gingen in die Kalkulation des Bierpreises ein und würden aus den Bierumsätzen der Gastwirte bezahlt. In einigen der Verträge sei sogar ausdrücklich vereinbart worden, daß sich der Pächter "als Gegenleistung" u.a. für Ausgestaltung und Renovierung der Räume zur Bierabnahme verpflichte. Die wirtschaftliche Bedeutung der Gaststättenverpachtung sei der Bierlieferung gegenüber untergeordnet und damit keine Verwendung i.S. des § 15 Abs.2 UStG 1967.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 Abs.2 Nr.2 i.V.m. Abs.4 Nr.2 UStG 1967. Dazu trägt es im wesentlichen vor: Das FG gehe zwar zutreffend davon aus, daß die Vertragsleistungen der Klägerin (Bierlieferung und Gaststättenverpachtung) zivil- und umsatzsteuerrechtlich als gesonderte Leistungen zu behandeln seien. Die Verpachtungsleistungen seien demnach steuerfrei gemäß § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1967. Daß das FG gleichwohl die Vorsteuerbeträge aus den Instandsetzungsrechnungen den steuerpflichtigen Bierlieferungen zurechne, erscheine nicht folgerichtig und beruhe auf unzutreffender Auslegung des § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967. Diese Beurteilung setze die Annahme einer einheitlichen Leistung (Bierlieferung) voraus; denn das Pachtverhältnis selbst diene dem gleichen Zweck wie die Instandhaltung der gepachteten Räume. Auf die Art und Weise der Abrechnung der Instandhaltung --über den Pachtzins oder Bierpreis-- komme es umsatzsteuerrechtlich nicht an. Auch sei die ertragsteuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen als Anschaffungskosten des Bierlieferungsrechts (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13) unerheblich. Schließlich führe die Auslegung des § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 durch das FG dazu, daß einem Verzicht auf die Steuerbefreiung der Pachtleistungen gemäß § 9 UStG 1967 keine Bedeutung mehr zukäme.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen. Sie hält das Urteil für zutreffend. Die Zurechnung der Vorsteuerbeträge aus der Gaststättenrenovierung zu den Bierlieferungen der Klägerin sei wirtschaftlich zwingend, zumal die Renovierungsaufwendungen nicht durch den Pachtzins, sondern durch die Einnahmen aus der Bierlieferung abgedeckt werden müßten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG war aufzuheben; die Klage war abzuweisen.
1. Die Klägerin hat zwar Leistungen zur baulichen Veränderung und Instandsetzung der Gaststätten für ihr Unternehmen bezogen (§ 15 Abs.1 UStG 1967). Die ihr von den ausführenden Unternehmern in Rechnung gestellten Steuern sind aber nach § 15 Abs.2 Nr.2 UStG 1967 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, weil die Klägerin diese Leistungen zur Ausführung steuerfreier Verpachtungsumsätze (§ 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1967) in Anspruch nahm.
Das FA hat dies zutreffend im Rahmen der beantragten Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 berücksichtigt. Nach der bezeichneten Vorschrift kann das FA --wenn der Unternehmer neben Umsätzen, die zum Ausschluß des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs.2 UStG 1967 führen, auch Umsätze ausführt, bei denen ein solcher Ausschluß nicht eintritt-- gestatten, daß der Unternehmer die gesamten Vorsteuerbeträge danach aufteilt, wie diese Beträge den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 führenden Umsätzen und den übrigen Umsätzen ganz oder teilweise zuzurechnen sind.
Die in § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 umschriebene Aufteilungsmethode setzt somit die Ermittlung von drei Gruppen von vorsteuerbelasteten Umsätzen voraus:
1. Umsätze, die ganz zur Ausführung von zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen verwendet werden,
2. Umsätze, die ganz zur Ausführung nicht zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen verwendet werden,
3. Umsätze, die nicht ganz einer der beiden vorbezeichneten Gruppen zugeordnet werden können, sondern zur Ausführung sowohl abzugsschädlicher als auch abzugsunschädlicher Umsätze verwendet werden.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 14.Februar 1980 V R 49/74 (BFHE 130, 107, BStBl II 1980, 533) ausgeführt hat, verwirklicht nur die Aufteilungsmethode des § 15 Abs.4 Nr.2 UStG 1967 durchgängig die in § 15 Abs.2 UStG 1967 für den einzelnen Leistungsbezug festgelegte Vorsteuerabzugsregelung auch bei Gesamtermittlung der in einem Besteuerungszeitraum abziehbaren Vorsteuerbeträge. Demgegenüber hatte die vom Gesetzgeber "zur technischen Erleichterung des Vorsteuerabzugs" (s. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses vom 30.März 1967, zu BTDrucks V/1581, Begründung zu § 15) eingeführte schematische Aufteilung der (in einen Besteuerungszeitraum fallenden) Vorsteuerbeträge nach dem sog. Umsatzschlüssel (§ 15 Abs.3 UStG 1967) --an sich systemwidrig-- die Abzugsregelung des § 15 Abs.2 UStG 1967 für den einzelnen Leistungsbezug nicht berücksichtigt.
Unter "Verwendung" oder "Inanspruchnahme" der bezogenen Leistung, die nach § 15 Abs.2 (i.V.m. Abs.4 Nr.2) UStG 1967 über den Ausschluß vom Vorsteuerabzug entscheidet, ist nach der Rechtsprechung des Senats allgemein die erstmalige tatsächliche Verwendung der Leistung zu verstehen (z.B. Urteile vom 25.Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394, und vom 26.Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521). Verwendung/Inanspruchnahme in diesem Sinn kann nur durch Leistung und Eigenverbrauch erfolgen (nicht auch durch Einfuhr, vgl. § 15 Abs.2 Satz 2 UStG 1967). Maßgeblich für die Beurteilung im Rahmen des § 15 Abs.2 UStG 1967 ist somit die erste Leistung/der erste Eigenverbrauch, in deren/dessen Gegenstand die bezogene Leistung Eingang findet (also z.B. die Weiterlieferung eines bezogenen Lieferungsgegenstands ohne oder nach Bearbeitung; die Lieferung eines Gegenstands, zu dessen Herstellung sonstige Leistungen in Anspruch genommen wurden).
2. Die Klägerin hat die bezogenen Renovierungsleistungen nach den bei § 15 Abs.4 Nr.2 i.V.m. Abs.2 UStG 1967 geltenden Kriterien ganz zur Ausführung der zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden steuerfreien Verpachtungsumsätze in Anspruch genommen. Die Renovierungsleistungen bezüglich der verpachteten Gaststätten sind in den Gegenstand der laufenden Verpachtungsleistungen eingegangen. Eine Zurechnung zu anderen von der Klägerin ausgeführten Umsätzen --insbesondere zu deren Bierlieferungen an die Pächter-- (ganz oder teilweise) scheidet damit aus. Die Klägerin verwendete insbesondere die renovierten Gaststättenräume nicht selbst zur Ausführung von Bierumsätzen. Diese Verwendung erfolgte durch die Pächter.
Daß die Verpachtung der Gaststätten auch dem Biervertrieb der Klägerin diente, weil mit der Gaststättenpacht eine Bierabnahmeverpflichtung der Pächter verknüpft war, ist nach den dargelegten Kriterien unerheblich. Der Senat hat bereits entschieden, daß Anlaß oder Motive für den Bezug einer Leistung, wie sie im Rahmen des § 15 Abs.1 UStG 1967 bei der Frage, ob die Leistung für oder nicht für das Unternehmen angeschafft wurde, eine Rolle spielen können, bei § 15 Abs.2 UStG 1967, der allein auf die tatsächliche Verwendung des Leistungsbezugs abstellt, zurücktreten (vgl. Urteil vom 18.Dezember 1986 V R 18/80, BFHE 148, 557, BStBl II 1987, 280). Übereinstimmend mit vorstehenden Zurechnungsgrundsätzen ist der Senat in seinem Urteil vom 30.Juli 1986 V R 99/76 (BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877) davon ausgegangen, daß die erstmalige Verwendung eines Gebäudes durch Vermietung auch dann für den Abzug der Vorsteuern aus der Gebäudeanschaffung nach § 15 Abs.2 UStG 1967 maßgeblich ist, wenn diese Vermietungsumsätze einen anderen, mit dem Gebäude verfolgten Zweck des Unternehmers fördern (wie z.B. die Überlassung von Wohnräumen an Hotelpersonal die Leistungen des Hotelunternehmers an seine Gäste fördern kann).
Soweit die Klägerin und das FG davon ausgingen, als "Verwendungsumsätze" i.S. des § 15 Abs.2 UStG 1967 seien nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur die Umsätze heranzuziehen, die letztlich das Unternehmen der Klägerin wirtschaftlich trügen (während die Verpachtungsumsätze erfolgsneutral erbracht würden), kann der Senat dafür weder in § 15 noch an anderer Stelle des UStG 1967 --das seiner Systematik nach nicht gewinn-, sondern nur einnahmeorientiert ist (vgl. § 2 Abs.1)-- Anhaltspunkte finden.
Daß Gaststättenverpachtung und Bierlieferung keine einheitliche, durch die Bierlieferung geprägte, Leistung der Klägerin bilden, hat das FG zutreffend gewürdigt. Es reicht nicht aus, daß auch die Gaststättenverpachtung der Förderung der Bierlieferungen dient. Das FG ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß sowohl Gaststättenverpachtung als auch Bierlieferung Leistungen mit eigenständiger Bedeutung blieben. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte dafür, daß die Gaststättenverpachtung durch die Klägerin eine unselbständige Nebenleistung zu den Bierlieferungen der Klägerin sei (vgl. BFH-Beschluß vom 18.Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197). Die Gaststättenverpachtung ist im Verhältnis zu den Bierlieferungen im Rahmen der Verträge zwischen Klägerin und Pächtern jedenfalls nicht nebensächlich.
Das Urteil des FG, das von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird abgewiesen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
BStBl II 1987, 754 |
BFHE 150, 473 |
BFHE 1987, 473 |
BB 1987, 2360 |
BB 1987, 2360-2360 (ST) |
DStR 1987, 768-768 (ST) |
DStZ/E 1987, 335-336 (ST) |
DVRdsch 1988, 160 (L) |