Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuerabzug
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG kann der Unternehmer die entstandene EUSt für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für die Einfuhr von Gegenständen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 168 Buchst. e MwStSystRL. Danach besteht das Abzugsrecht des Steuerpflichtigen (Unternehmers) für „die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist“, soweit „die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden“.
Sachverhalt: Klägerin schuldet EUSt als indirekte Zollvertreterin
Die Klägerin, eine GmbH, meldete am 7.2.2018 beim Hauptzollamt (HZA) X als indirekte Zollvertreterin für die in der Türkei ansässige L Elektronikartikel zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. Das HZA X überließ die Ware antragsgemäß und setzte gegenüber der Klägerin – als Gesamtschuldnerin mit L – EUSt i. H. v. 227,81 EUR fest. Da die Ware nicht bei der in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Empfängerin ankam, verzichtete die Klägerin darauf, das für die Abgabe der Zollanmeldung mit L vereinbarte Entgelt einzufordern.
Die Klägerin machte die EUSt in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für März 2018 als Vorsteuer geltend. Der Einspruch gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs durch den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts (FA) vom 22.08.2018 hatte keinen Erfolg.
Die auf Änderung des zwischenzeitlich erlassenen Umsatzsteuer-Jahresbescheids 2018 vom 24.6.2020 gerichtete Klage wies das FG ab. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG seien nicht erfüllt, da die EUSt kein Kostenelement eines Ausgangsumsatzes der Klägerin geworden sei, nachdem die Klägerin auf eine Vergütung ihrer Dienstleistung verzichtet habe.
Entscheidung: BFH bestätigt Auffassung des FG
Der BFH hat entschieden, dass das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin, die in Bezug auf die eingeführten Gegenstände lediglich Verzollungs- und ggf. Beförderungsdienstleistungen erbracht hat, aus der gegen sie festgesetzten EUSt nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Verwendung des eingeführten Gegenstands erforderlich
Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG erfordert die Einfuhr für das Unternehmen eine Verwendung des eingeführten Gegenstands für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers. Dies setzt voraus, dass er den Gegenstand selbst und damit dessen Wert für diese Umsätze verwendet. Das Verwendungserfordernis ist für alle Fälle des § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG nach denselben Kriterien zu bestimmen.
Der Wert der beförderten Waren und damit der Wert des eingeführten Gegenstands muss in den Preis der vom Unternehmer erbrachten Leistung einfließen. Der Abzug der EUSt als Vorsteuer ist daher bei einem Unternehmer zu verneinen, der eingeführte Gegenstände lediglich befördert, ohne „deren Einführer oder Eigentümer“ zu sein. Auch der Importeur ist nur dann aus der EUSt abzugsberechtigt ist, wenn er den eingeführten Gegenstand selbst und damit dessen Wert für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet.
Als Importeur ist dabei insbesondere die Person anzusehen, die aufgrund der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr Zollschuldner in Bezug auf den eingeführten Gegenstand ist. Als Schuldner der EUSt i. S. v. § 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 77 Abs. 3 UZK ist er jedoch auch dann nicht zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt, wenn er zwar den eingeführten Gegenstand in den zollrechtlich freien Verkehr überführt, er aber nicht den Wert des eingeführten Gegenstands für sein Unternehmen verwendet, so dass dieser Wert auch nicht in den Preis der von ihm erbrachten Leistung einfließt. Der Wert des eingeführten Gegenstandes muss zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG gehören, damit die auf diesen Wert bezogene EUSt zum Vorsteuerabzug berechtigt und durch diesen Abzug eine sich hieraus ergebende Kostenbelastung für den Unternehmer verhindert wird.
EUSt vorliegend kein Kostenelement der unternehmerischen Tätigkeit
Die EUSt gehörte nicht zu den Kosten eines konkreten Ausgangsumsatzes der Klägerin, da es schon keinen Ausgangsumsatz gab, der mit der Entstehung der EUSt auch nur kausal zusammenhängen könnte. Wie das FG-Urteil festgestellt hat, kamen die Klägerin und L konkludent überein, dass die Klägerin angesichts des Abhandenkommens der Ware ihre Verzollungsdienstleistung nicht in Rechnung stellt.
Der Wert der eingeführten Gegenstände gehörte – auch unter Berücksichtigung der beabsichtigten, aber fehlgeschlagenen entgeltlichen Tätigkeit gegenüber dem Auftraggeber L – nicht zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin. Entscheidend war, dass die Klägerin ebenso wie ein Frachtführer oder Lagerhalter den eingeführten Gegenstand nicht zur Erbringung einer Ausgangsleistung (z. B. Beförderungs- oder Verzollungsdienstleistung) verwendet hat, sondern der eingeführte Gegenstand lediglich das Objekt war, an dem die Klägerin ihre Leistung erbracht hat.
Hinweis: Keine Vorlage an den EuGH geboten
Die Entscheidung ist nach § 126a FGO ergangen, weil der BFH einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat Zudem hat er Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts, die ein an den EuGH gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen erforderlich machen könnten, verneint.
BFH Beschluss vom 20.07.2023 - V R 13/21 (veröffentlicht am 21.09.2023)
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